feurige Annäherung Teil 3

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Gleich drei? Ich nickte, kaute nachdenklich auf meiner Lippe herum. Fürs Angeln war ich definitiv zu ungeduldig und meine Aura würde die Fische sofort verschrecken.
Schach konnte vielleicht eine gute Wahl sein. Mit Logik und Strategien kannte ich mich gut aus.

Eins von drei. Reiten? Definitiv nicht! Tiere, die im engen Kontakt zu Menschen standen oder Fluchttiere waren, hassten mich. Kaum bemerkten sie meine Anwesenheit, versuchten sie so viel Abstand zwischen uns zu bringen wie nur möglich.

Fußball war ein Teamsport, fiel damit also auch weg, genauso wie Tanzen.
Ich machte mich doch nicht zum Affen. Das gleiche galt für Theater.
Da ich künstlerisch nicht gerade begabt war und weder auf Meditieren noch auf Schwimmen Lust hatte, blieb noch Bogenschießen.

Und das nahm ich sogar gerne. „Bogenschießen und Schacht. Ich weiß nicht, was ich noch nehmen soll.", sagte ich und überreichte Herr Cognitor die Liste. Er musterte sie und sah dann abwechselnd von ihr zu mir.

„Wie wär's mit reiten. Ja! Das könnte zu dir passen!", lächelte er breit und legte das Papier auf seinen Tisch. Gegen wie viele Wände muss der den gelaufen sein, um in mir einen Reiter zu sehen?
Stand zufällig ganz fett auf meiner Stirn „Reiter"? Oder was lief bei ihm falsch? Verdammt! Kein Pferd wird sich auch nur annähernd in meine Nähe trauen.

Wie soll das denn funktionieren?
„So. Bogenschießen hast du jeden Dienstag um 14 Uhr. Das Training geht eine Stunde.", begann er zu erzählen, während er die Infos sorgfältig auf einen Zettel schrieb.
„Verzeihung, aber ich glaube nicht....", begann ich, doch er unterbrach mich mit einer abwehrenden Handbewegung.„Papperlapapp. Das passt so."

So als müsste er eine lästige Fliege vertreiben, wedelte der Direktor mit seiner Hand herum.
Zähneknirschend gab ich auf und fuhr mir durchs Haar. Er wird mich notgedrungen später sowieso den Kurs wechseln lassen, wenn festgestellt wird, wie verdammt schlecht ich mit Pferden klar kam.
Das stand fest. „Reiten ist am Mittwoch. Von 18 bis 19 Uhr und Schach ist am Samstag von 10 bis 11 Uhr.". Er beendete das Schreiben mit einem schwungvollem Strich, so dass das Ende des Rs übers halbe Blatt ging.

„Frühstück ist jeden Tag von 5:30 Uhr bis 7:30 Uhr. Außer am Wochenende. Da fängt es um 7 Uhr an und endet erst um 10 Uhr. Mittag gibt es um 13 Uhr und Abendessen kannst du zwischen 18 und 20 Uhr. Das steht aber auch an einem Schild neben der Mensa.", teilte er mir weiter mit, stand auf und suchte etwas in einigen Mappen, die im Bücherregal links von mir standen.
Die Papiere raschelten, während er sie beiseite schob oder umblätterte.

Ich nutzte den Moment in dem Herr Cognitor nicht mit mir beschäftigt war, um durchzuatmen und meine Augen für wenige Sekunden zu schließen. Ich wollte nur eins: So schnell wie möglich die Steine finden und dann verschwinden.
So schwer konnte das in einer kleinen Schulbibliothek nicht werden. Nachdenklich wippte sein linker Fuß auf und ab, kreierte dadurch einen leisen, aber gleichmäßigen Rhythmus.
Ein beruhigendes Lied.
Eines, das wortlos seine Gedanken widerspiegelte. Seine geordneten Gedanken, die er ruhig durch ging. Genauso wie die Reihen an Mappen. Ich sah stumm aus dem Fenster.

Draußen im Wald lasen zwei Schüler nebeneinander. Sie lehnten an einem Baum, ihre Schultern berührten sich. Der Junge, vielleicht ein Jahr älter als ich, hatte rotbraunes Haar, dass im nass und daher platt auf dem Kopf lag.
Seine weichen Gesichtszüge spiegelten sich auch in seinen sanften bernsteinfarbenen Augen wieder.

Obwohl er saß, konnte man seine erstaunliche Größe bewundern. Er überragte das Mädchen neben sich um fast zwei Köpfe. Er war in ein Buch namens „Die Tat des Mondes" vertieft und aus seinem angespanntem Blick konnte ich herauslesen, dass es sich vermutlich gerade um eine spannende Stelle handelte.
Seine ruhigen Augen zuckten von Wort zu Wort, von Zeile zu Zeile. Mindestens genauso vertieft wie er, war das etwas jüngere Mädchen.

Ihr ebenfalls braunes Haar war gewellt und fiel ihr über die Schulter.
Ihre grünen Augen waren vor Schreck geweitet. Der Schatten des Baums verhinderte, dass ich einen Blick auf den Titel werfen konnte. Gerade schlug sie die Hand vor den Mund und Tränen sammelten sich in ihren Augen.
Dadurch riss sie den Jungen aus dem Buch, in dem er regelrecht drinnen gesteckt hatte.

Er legte die Tat des Mondes beiseite und redete auf sie ein. Da sie die Hand vor ihrem Mund hatte, konnte ich nur raten, dass sie ihm gerade erzählte was passiert war.
Sie gestikulierte wild, deutete immer wieder auf das Buch und zeigte ihm schlussendlich die Stelle, die sie zum heulen brachte.

Herr Cognitor versperrte mir die Sicht, als er sich seufzend auf seinen Stuhl fallen ließ und eine gelbe Mappe auf den Tisch knallte.
„Hier", sagte er und holte einen Zettel aus dem Hefter. Er schob in mir hin. „Dein Stundenplan. Am Mittwoch und Donnerstag hast du nach der Mittagspause noch Unterricht." Ich verkniff mir ein Stöhnen, nickte stattdessen und nahm den Zettel.

„Schulsachen befinden sich alle auf deinem Schreibtisch und deinen Schülerpass bekommst du demnächst. Den brauchst du, um in den Computerraum und in die Bibliothek zu kommen. Ich bräuchte dafür noch ein Foto."
Also wenn er eine Sache gut konnte, dann einen zu zulabern. Er holte eine Kamera aus dem Schrank, sie stand offensichtlich da, so als wollte Herr Cognitor sie präsentieren, weswegen er sie schnell fand.

„Lächeln", bater und tat es mir vor.
Noch einmal tief eingeatmet, dann rang ich mir ein Grinsen ab. Der Blitz erhellte den ganzen Raum und ich blinzelte, hoffte das meine Lider auf dem Foto nicht geschlossen waren.
Der Apparat druckte das Bild mit einem Surren aus. Da ich wenig Lust hatte, meine wunderschöne Visage zu sehen, stand ich auf.

Verwirrt sah mich der Schulleiter an und legte den Fotoapparat mit dem Bild auf den Tisch.
„Dein Zimmer ist die Nummer 23. Du wirst dich sicher prächtig mit deinem Mitbewohner verstehen.", informierte er mich schnell, als er meine Eile bemerkte. Warte was? Ein Mitbewohner? Nicht sein Ernst!

„Falls etwas ist, frag gerne ihn, ansonsten steht mein Zimmer immer offen. Falls ich nicht da bin, kannst du einfach einen Zettel mit deinem Anliegen da lassen. Ansonsten"
Er streckte mir die Hand entgegen,„wünsche ich dir ein paar schöne Jahre an der Marama Schule, Karan." Ich setzte ein leichtes Lächeln auf und schüttelte seine Hand.
„Vielen Dank, Sir."

Farbspiel der ZerstörungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt