Kapitel 1

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Der Wind sang sein einsames Lied vor sich hin; sein Klagelied. Wenn man genau hinhörte, sich genug Zeit nahm, verstand man, über was er jammerte. Nur hatte ich gerade nicht die nötige Zeit, um mit baumelnden Beinen auf einen Ast zu sitzen und zu lauschen. Das Gekreische des Windes ging in den Rufen meiner Verfolger unter:
„Wo ist er?"
„Verdammt!"
„Sucht ihn! Er darf keinen Vorteil haben!"

Der letzte Satz ließ mich stutzen. Deren Lebensaufgabe war es, mich zu töten und die wussten nicht, dass ich auch so im Vorteil war? Dass ich nur flüchtete, weil ich gerade keine Lust hatte zu kämpfen? Mein Stolz kommandierte meinen Beinen anzuhalten und ich drehte mich um. Hinter mir her waren nur drei Agenten, die keineswegs eine Chance gegen mich hatten.
Keine. Auch keine winzige. Der Wind pfiff mir um die Ohren, als würde er mich freudig anfeuern und mit einem fiesen Grinsen unter der Maske sog ich die waldige Luft ein, die zu meiner Nase durchdrang.

Ein Eichhörnchen flitzte über meinem Kopf hinweg, so als wollte es seine Kameraden holen, damit diese den Kampf nicht verpassten. Da musste sich das kleine Ding aber beeilen, denn ich hörte schon die Schritte der Agenten, die versuchten leise zu sein, aber mein Gehör war zu gut.
Je näher sie kamen, desto mehr wuchs meine Freunde aufs Töten. Dieser Adrenalinschub dabei war wirklich süchtig machend.

Ich lehnte gegen eine Eiche, die dem Gestank nach schon tot war, und winkelte mein Bein lässig an. Meine Verfolger durften ruhig sehen, dass ich mich vor ihnen nicht fürchtete, dass sie keine Gefahr waren. Ich sah an mir hinab und musste feststellen, dass ich vermutlich auch nicht sehr angsteinflößend aussah.

Ich trug verschlissene und dreckige Kleidung, die meine magere Figur betonte, meine Hände waren vernarbt und beschmutzt und auch mein Haar war zerzaust und fettig.

Ich hatte in letzter Zeit leider nicht in einen See, Teich oder Fluss hüpfen können, um mich zu waschen. Und als i-Tüpfelchen trug ich auch noch eine Maske, so dass jeder dachte ich war hässlich. Ich versuchte so aber nur meine Identität etwas zu verschleiern, um ohne Maske mal etwas Ruhe zu haben. Doch viele kannten auch schon mein wahres Gesicht. Kein Wunder. Ich war einer der meistgesuchten Verbrecher und das nur, weil ich den Menschen nicht ins System passte!

In ihr System der Gier und Macht. Sie wollten an der Spitze stehen und alles, was ihnen da in die Quere kam...tja das musste eben entsorgt werden.

Ich war jedoch nicht der Einzige, den sie los werden wollten. Sie wollten alle meiner Art töten. Alle Schattenmagier. Und leider gelang dies den Menschen schon zu oft. Die Anzahl an Magiern war geschrumpft. Mit mir gab es nur noch drei.

Der Rest wurde ausgerottet, wie lästiges Ungeziefer. Wut stieg in mir hoch und ich fixierte die drei Agenten, die erstarrten, kaum sahen sie mich, mit erbostem Blick. Ich war weit weg von meiner Heimatstadt Lundanan, weswegen ich die Namen der Agenten nicht kannte, was ich normalerweise tat. Denn meine ältere Schwester leitete die Agentur, die für das Verfolgen und Töten der Schattenmagier verantwortlich war. Aus Langeweile und weil ich sie gerne ärgerte, hatte ich von den meisten Agenten eine kleine Karte mit den wichtigsten Informationen angefertigt. Diese drei hier waren mir jedoch unbekannt.

War aber kein Problem. „Seit vorsichtig!", zischte einer der zwei Frauen und musterte mich schnell.
„Wie geht's Leyna?", erkundigte ich mich nach meiner Schwester.
Sie war zwei Jahre älter als ich, also schon Volljährig, und hatte das hübsche Aussehen unserer Mutter.

Ich hingegen ähnelte eher unserem Vater. Allein die Augenfarbe teilten wir uns: ein stechendes Dunkelbraun, bei dem es manchmal echt schwer war herauszufinden, wo die Pupille anfing und die Iris endete. Meine Frage wurde mit verärgerten Blicken quittiert.

„Hat sie eigentlich schon einen neuen Freund?", lachte ich. Den Letzten hatte ich vor ein paar Monaten getötet.

Was legte der sich auch mit mir an? Nur weil ich angeblich das Leben seiner Freundin ruiniert hätte. Als er dann mit dem typischen „Du hast eure Eltern getötet!"- Spruch kam, war es mit meiner Geduld vorbei gewesen. Und mit ihm auch.

Farbspiel der ZerstörungOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz