Flucht

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Er stieß die Türe zu dem Treppenhaus auf und stürmte mit dem Omega im Schlepptau über die Treppen. Ein weiteres Mal stolperte Nova beinahe.

Völlig außer Atem erreichten sie das Erdgeschoss und Luc zog die schwere Metalltüre zur Casinoküche auf. Der Hinterausgang war immer abgeriegelt, der Küchenausgang jedoch nicht. Die Köche und Kellner waren bereits mit dem Frühstück beschäftigt und fluchten, als der Alpha sie einfach zur Seite stieß. Natürlich hatte er keine Ahnung, was sein Dad von Nova wollte, aber wenn sie die Security damit beauftragten den Omega zu finden, war das nicht gerade ein gutes Zeichen. 

Nova keuchte hinter ihm, als sie auf den Lagerparkplatz in den Regen traten. Luc spähte um die Ecke und war überrascht, als er niemanden auf dem Parkplatz entdeckte. Sein Auto stand noch immer vor dem Eingang, neben ein paar anderen.

Er drehte sich um und warf einen Blick auf Nova. Der Omega schlang die Arme um sich und fröstelte. Er trug nur das Kleid, weiter nichts. Das Blut in seinem Gesicht vermischte sich mit dem Regen und tropfte auf seine Brust. Luc bemerkte, dass Nova sich suchend umsah.

,,Wir müssen zu meinem Auto.", er zeigte auf den schwarzen Landrover, den er von seinem Dad bekommen hatte. 

,,Mein Motorrad ist weg.", stellte der Omega leise fest und fluchte auf einer Sprache, die Luc nicht kannte. 

Der Alpha lief voraus, dicht gefolgt von Nova und duckte sich hinter den anderen Autos. Durch die Glasfront erkannte er einige Sicherheitsbeauftrage in der Lobby, welche die Aufzüge und Ausgänge bewachten. Luc holte den Autoschlüssel aus der Tasche und entriegelte das Auto. Nova setzte sich auf den Beifahrersitz und sah ihm dabei zu, wie er sich auf dem Fahrersitz niederließ. Hastig schlüpfte Luc aus seiner Jacke und legte sie dem Omega über die Schultern. Zum ersten Mal war er tatsächlich froh, auch eine Jacke eingepackt zu haben. Schneller als erlaubt raste er über den halbleeren Parkplatz und erkannte im Rückspiegel, dass man sie bemerkt hatte. 

Nova packte die Pumps in seinen Rucksack und Luc erhaschte einen Blick auf einen schwarzen Lederanzug. 

,,Wir haben uns an der Ampel getroffen!", und er hatte Nova nicht einmal erkannt! Der Omega sagte nichts und schlüpfte in die Jacke. Seine Haut war nass und er fröstelte noch immer. Luc fuhr auf den Highway und folgte dem lauf der Straße bis sie am anderen Ende der Innenstadt waren. Wohin sollte er fahren?

,,Wohin soll ich..."

,,Fahr einfach so, wie ich es dir sage.", Nova sah aus dem Fenster. Er schien es zu vermeiden ihn anzusehen. Lucs Kopf war voller Fragen. Nicht bloß welche, die das Casino und Nova betrafen, sondern viel mehr. 

Wohin fuhren sie? Was genau war die Branche in der Nova arbeitete? Wenn man dabei vorsorgte, dass beim Sex keine Kinder entstanden, hatte Luc schon eine Ahnung.

,,Bist du ein Prostituierter?", die Frage verließ schneller seine Lippen, als er sie gedacht hatte. Augenblicklich wollte er sich dafür ohrfeigen. 

,,Nein! Was hältst du eigentlich von mir!", rief Nova empört und sah ihn zum ersten Mal richtig an. Das Blut war weg gespült worden und ein paar lose Haarsträhnen klebten in seinem Gesicht. Die Augen des Omegas waren gerötet, als hätte er geweint.

,,Wohin fahren wir?"

,,Aphrodite. Ein Nachtclub."

Zum Einen war Luc überrascht, überhaupt eine Antwort zu bekommen. Zum anderen schockierte ihn diese noch mehr.

,,Dann bist du ein Stripper?!"

,,Nein! Ich bin weder eine Hure, noch ein Stripper, noch sonst etwas ähnliches. Ich wohne dort.",  Nova rutschte unwohl auf dem Sitz herum. Luc spürte, wie das Handy in seiner Hosentasche vibrierte. Immer und immer wieder. 

Bis auf Novas Fahranweisungen sprachen sie kein Wort mehr.

Er versuchte die Schulgefühle gegenüber seinen Eltern, vor allem seiner Mom, zu ignorieren. War es das Richtige Nova zu helfen? Machte er damit alles vielleicht nur noch schlimmer? Noch konnte er einfach umdrehen und zurück zum Casino fahren. Nova würde sicher nicht aus einem Fahrenden Auto springen. Vermutlich würde er sich in ein paar Minuten schon dafür hassen, doch er würde Nova zur Rede stellen. Wenn der Omega ihm Antworten lieferte, fuhr er weiter. 

Er bemerkte den verwirrten Blick des anderen, als er auf einen leeren Parkplatz vor einem Supermarkt fuhr und den Motor ausmachte. 

,,Was tust du?", Nova sah sich um und für den Bruchteil einer Sekunde schien er wirklich Angst zu haben.

,,Ich will wissen, warum die Hafenmafia hinter dir her ist. Wenn du nicht willst, dass ich dich zurück ins Casino bringe, sagst du es mir.", Luc wusste jetzt, wo der Omega lebte und diesen Club zu finden war sicher keine große Herausforderung. Vor allem dann nicht, wenn man genügend Leute hatte, die danach suchten.

Nova schnaubte: ,,Du erpresst mich? Im Ernst?"

,,Ich werde niemandem helfen, der meiner Familie Schaden zugefügt hat oder zufügen will.", ehrlich gesagt, war Luc sich nicht einmal sicher, ob er Nova nicht selbst dann noch geholfen hätte...

,,Ich weiß Dinge, die für die richtigen Leute sehr interessant sind. Das ist das einzige, das mich zur Zeit am Leben hält. Wenn ich es den einen sage, töten mich die anderen, darum bevorzuge ich es, diese Dinge für mich zu behalten...Außerdem versucht man mir einen Mord anzuhängen.", antwortete Nova gepresst und finsterte ihn an. Luc nickte wortlos und startete en Motor. Mord. Das hatte er in Novas Akte bereits gelesen, aber hieß das, der Omega hatte das gar nicht getan?

Nova zurück zu bringen, wäre nichts anderes, als ein Tier zum Schlachthof zu fahren. Luc konnte sich vorstellen, mit welchen Mitteln man versuchte Informationen aus einem Omega herauszubekommen. 

Der Omega atmete erleichtert aus, als Luc wieder auf den Highway fuhr.

,,Ich hätte dich sowieso nicht zurück gebracht.", es war eine seltsame Erleichterung, Nova das wissen zu lassen. Er hatte das Gefühl, dass der Omega wohl kaum Freunde oder Verbündete hatte, die ihm halfen oder ihn beschützten. Luc war kein Bodyguard oder etwas ähnliches. Sein Dad hatte es nur für wichtig empfunden, dass er sich verteidigen und mit einer Waffe umgehen konnte. Also hatte Luc öfter den Schießstand besucht und regelmäßig mit Chase oder seinem Dad trainiert. Ob er auf den Omega aufpassen konnte, wusste er jedoch nicht. 

,,Danke.", flüsterte Nova so leise, dass er es beinahe nicht gehört hatte. Dieses eine Wort bedeutete Luc seltsam viel. Er versuchte sich seine Zufriedenheit nicht anmerken zu lassen und beobachtete den Omega im Seitenwinkel seines Auges. Nova starrte auf die Straße. Seine Lippe hatte aufgehört zu bluten und sein Körper hatte aufgehört zu zittern. 

Die Straßen waren leer und die Sonne ging bereits auf. Ein paar Sonnenstrahlen schafften es die Wolkendecke zu durchbrechen und brachten die nassen Straßen zum glitzern. Luc versuchte seine Müdigkeit zu überspielen und sich aufs Fahren zu konzentrieren. Irgendwann bog er in eine schmale Seitenstraße ein und folgte deren Verlauf, bis eine noch schmälere Straße kam. Die Umgebung sah nicht besonders sicher oder wohlhabend aus. Sie waren definitiv in den Slums. Luc hatte eigentlich erwartet, dass Nova einer dieser reichen Rotzlöffel war. Hier hatte er sich aber wohl geirrt.

,,Du kannst dir ein Glas Whiskey für 20 Dollar leisten und lebst in den Slums?", der Alpha versuchte die Frage als Witz zu verpacken, um dem Omega nicht sofort zu nahe zu treten. 

,,Bleib hier stehen.", Nova ignorierte seine Frage und zeigte auf ein paar leere Parkplätze neben einem dunklen Gebäude. Es musste sich um dessen Hinterausgang handeln, denn die Türe sah nicht aus, als wäre sie für Gäste gedacht. 

Wortlos stieg der Omega aus, dabei schlang er die Jacke enger um sich, und griff nach dem Rucksack, ehe er die Autotür zuknallte und auf die Türe zu lief. Luc beobachtete Nova dabei. Es regnete noch immer in Strömen, weshalb er im Auto sitzen blieb und wartete. Sollte er denn überhaupt mitkommen? Er konnte einfach umdrehen und zurück zum Casino fahren. Aber was wurde dann aus Nova? 

,,Wir müssen vorne rein.", die zitternde Stimme des Omegas riss ihn aus seinen Gedanken und er nickte leicht. Noch nie hatte er so schnell eine so dumme Entscheidung getroffen.



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