Vertrauen

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Als Nova das nächste Mal aufwachte, fühlte sein Kopf sich bereits leichter an. Seine Augen brannten und er blinzelte in der Dunkelheit, um zumindest Umrisse ausfindig zu machen. Es war erdrückend ruhig, bis auf die leisen Atemzüge neben ihm. Der Omega richtete sich vorsichtig auf und bemerkte erst dann, dass er auf Lucs nackter Brust lag. 

Der Alpha hatte seine Arme um ihn gelegt und drückte Nova an sich. Auf eine seltsame Art und Weise genoss er es. Er fühlte sich wohl, Luc so nahe bei sich zu haben. 

,,Bist du schon wieder wach?", fragte der Alpha verschlafen. Luc erhob sich und auch ohne es zu sehen, wusste er dass dessen Blick auf ihm lag. Er spürte wie eine Hand sich vorsichtig um seine Wange legte und mit dem Daumen über die Stelle unter seinen Augen fuhr, als wollte er Tränen wegwischen. 

Nova machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch es kam erst nur ein Krächzen heraus. Sein Hals war staubtrocken und es fühlte sich an, als hätte er geschrien. Es war Jahre her, dass er diese Art von Albträumen gehabt hatte. Oder sich an diese Nacht erinnert hatte. Oder überhaupt noch einmal an solche Nächte dachte. Ein Knoten bildete sich in seiner Brust. Die Verlockung, es sich zu erlauben hier und jetzt in Lucs Armen zusammenzubrechen und endlich den ganzen Schmerz hinaus zu brüllen, war groß. Der Alpha war der erste seiner Art, in dessen Gegenwart Nova sich nicht fühlte, als müsste er klar machen, dass er nicht von dessen Anwesenheit eingeschüchtert wurde. Dass er dazu fähig war, sich zu verteidigen. Er fühlte sich nicht wie ein kleiner, unterlegener Omega, der auf die Gnade eines Alphas angewiesen war.

,,Hier. Das brauchst du jetzt sicher.", Luc reichte ihm ein Glas Wasser, welches er wortlos entgegen nahm. Eine Weile lang herrschte Stille. 

,,Hattest du einen Albtraum?"

Nova schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. Er durfte keine Schwäche zeigen. Er blinzelte die Tränen in seinen Augen weg und atmete tief durch. 

,,Du hast geweint und..."

,,Ich weiß!", zischte Nova und presste die Zähne aufeinander. Monate lang, jede Nacht. Er hatte sich in den Schlaf geweint und war schreiend wieder aufgewacht. Immer und immer wieder. Bisher hatte er sich zumindest im Aphrodite sicher gefühlt. Offenbar ein Fehler. Es war unmöglich, dass sein Dad einfach so herausgefunden hatte, wo er sich versteckte. Jemand musste ihn verraten haben. 

Luc setzte sich auf und zog ihn wortlos auf seinen Schoß. Noch immer hielt der Alpha ihn in einer Umarmung fest. Eigentlich hätte er den anderen von sich stoßen sollen. Er hätte sich aus der Umarmung lösen oder Luc gar nicht erst so nahe an ihn heranlassen sollen. 


Luc:


Er war einigermaßen erschrocken, als Nova plötzlich begonnen hatte nach Hilfe zu rufen und um sich zu schlagen. Zuerst hatte Luc gar nicht bemerkt, dass der Omega dabei auch noch geschlafen hatte. Was auch immer er geträumt haben musste, der Alpha war sich nicht sicher, ob er es wissen wollte. Er hatte damit gerechnet, dass Mr. Han jeden Moment herein platzen würd, nachdem man Nova sicherlich auch außerhalb des Zimmers gehört hatte.

Novas Körper zitterte in seinen Armen, nur sehr leicht, da er deutlich spürte, dass der Omega versuchte sich zusammenzureißen. Levs Worte schwirrten zwar noch immer in seinen Gedanken herum, doch Nova, der gerade so zerbrechlich und verletzlich wirkte, stand nun im Vordergrund. Seine Fragen konnten warten. Luc war sehr überrascht, dass der Omega sich gar nicht von ihm löste, sondern sich an ihn lehnte, als würde er die Berührung genießen. 

Er strich beruhigend über Novas Rücken und versuchte mithilfe seiner Pheromone Sicherheit und Ruhe zu vermitteln. Es fühlte sich an, wie ein Geschenk, dass er Omega sich ihm von seiner anderen, verletzlichen Seite zeigte. Ein Zeichen des Vertrauens, besonders, wenn Omegas es taten. 

Luc bemerkte die Tränen erst, als sie auf seine Brust tropften und Novas graziler Körper von einem heftigen Schluchzen durchgeschüttelt wurde. Augenblicklich drückte er den Omega fester an sich. Er strich ihm ein paar lose Strähnen hinters Ohr, die Novas Gesicht hinter sich versteckten. Nicht, dass er in der Dunkelheit viel erkennen konnte. 

Sie sprachen nicht miteinander. Der Alpha saß einfach nur da und versuchte dem Omega den nötigen Komfort zu spenden. Nova so zu sehen war...seltsam. Er kannte bisher nur die unverfrorene, furchtlose Seite des Omegas, aber nicht diese. Der Körper in seinen Armen wirkte plötzlich kleiner und schwächer, beinahe gebrechlich. Es war erstaunlich, wie viel Körpersprache und das Selbstbewusstsein ausmachten. 

Irgendwann erstarb das Schluchzen und der Raum wurde wieder still. Bis auf die unregelmäßigen Atemzüge und das leise Schniefen. Luc streckte einen Arm nach der kleinen Lampe aus und schaltete sie an. Das rote Licht war nicht besonders hell, reichte aber durchaus um etwas sehen zu können. 

,,Ich bin gleich wieder bei dir.", vorsichtig hob er den Omega von seinem Schoß und setzte ihn auf dem Bett ab. Er trat leise in das Badezimmer, wo er eine Box mit Taschentüchern gesehen hatte und diese mitnahm. Luc kniete sich vor dem Bett hin und legte zögernd eine Hand auf Novas nasse Wange. Er wollte dem Omega auf gar keinem Fall zu nahe treten.

Luc nahm ein Taschentuch in die Hand und trocknete vorsichtig die wunde Haut unter Novas Augen. 

,,Sieh mich an, Nova.", bat er leise und legte nun beide Hände um das Gesicht des anderen. Zum ersten Mal seit Nova wach geworden war, hob der Omega den Blick und sah ihn an. Die Traurigkeit in den blauen Augen löste eine seltsame Wut in ihm aus. 

,,Ich verspreche dir, niemand wird dich je wieder verletzen. Ich werde auf dich aufpassen, wenn du mich lässt.", er war Nova noch nie so nahe gewesen, wie in diesem Moment. Nicht körperlich, sondern auf eine intimere Art und Weise. 

Einen kurzen Moment lang, als würde der Omega erst die Bedeutung der Worte verarbeiten, herrschte Stille, dann brach Nova erneut zusammen. 

Luc fühlte sich grauenhaft hilflos. Er war noch nie gut darin gewesen, jemanden zu trösten. Weder bei Cathy, noch bei seiner Mom noch bei irgendwem sonst. Es brach ihm das Herz, den Omega so zu sehen. Es war nicht alltäglich, dass Omegas sich so verletzlich gegenüber Alphas zeigten. 

,,Ich bin hier, Nova, du bist nicht alleine.", er versuchte gar nicht erst Novas Tränen zu trocknen. Stattdessen setzte er sich neben den Omega auf das Bett und zog ihn in eine Umarmung. Er war noch immer sehr überrascht, dass Nova sich ihm von dieser Seite zeigte. Am Ende des Tages kannten sie sich erst drei Tage. Luc war sich jedoch schon jetzt ziemlich sicher, dass der Omega genau das war, was er sich gewünscht hatte. Eine Herausforderung. 

Er wollte sich dessen Vertrauen verdienen. Luc wollte einen Omega, der ihn forderte und sich ihm nicht komplett unterwarf. Jemanden mit starkem Charakter und Prinzipien. Jemanden wie Nova eben. 

Luc atmete tief durch und sortierte seine Gedanken. Er konnte auch später noch daran denken, wie sein idealer Partner aussehen sollte, jetzt zählte Nova. 

Der Omega lag in seinen Armen und klammerte sich an ihn. Er wüsste gerne, was gerade in dem Kopf des Omegas vor sich ging. Am liebsten würde er dessen Gedanken lesen und so versuchen, eine Lösung für alle Probleme zu finden. Aber so leicht war es nicht und Luc befürchtete schon jetzt, dass er am nächsten Morgen sicher wieder die kleine Giftschlange zu Gesicht bekommen würde und nicht mehr den Nova, der gerade in seinen Armen lag. 


Wildcard [Omegaverse]Where stories live. Discover now