Kapitel 7

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Madelyn

Es ist merkwürdig nicht in meinem eigenen Bett aufzuwachen, nicht von Harolds Schnarchen oder Tanyas Schreien in ihr Telefon geweckt zu werden. Stattdessen spüre ich etwas kaltes, nasses in meinem Gesicht. Ich brauche einige Sekunden, bis ich verstehe, dass es die kleine Luna ist. Hechelnd sitzt sie auf meinem Brustkorb und will mir gerade wieder durch das Gesicht schlecken, als ich mich aufsetze und sie in meinen Schoß purzelt.
„Guten Morgen Liebes." Dylan. Ich erschrecke beim Klang seiner Stimme. „Morgen.", nuschle ich zurück. Am liebsten würde ich mich direkt wieder ins Bett fallen lassen und den ganzen Schlaf nachholen, der mir in den letzten Tagen genommen wurde. „Hast du gut geschlafen?" Man merkt ihm seine gute Laune an. „Wie kann man so früh am Morgen so gut gelaunt sein?", frage ich. Dylan lacht. Sein Lächeln ist wunderschön. Genauso schön wie das von Caden oder das von Cody. Trevor habe ich zwar erst einmal lachen gesehen aber das reicht, um zu sagen, dass auch er ein Zahnpasta-Werbung-Lächeln hat. Ihr gutes Aussehen ist wohl die einzige Gemeinsamkeit der vier. „Früh am Morgen? Es ist schon Zwölf. Du hast wegen den Medikamenten fast zwei Tage geschlafen, warst nur zwischendurch kurz wach um etwas zu trinken und aufs Klo zu gehen." Ich habe zwei Tage geschlafen? Ich war zwischendurch wach? „Du hast nicht mit uns geredet, hast, wie gesagt, bloß immer mal wieder was getrunken und warst auf der Toilette. Wir haben uns Sorgen gemacht aber Caden meinte, das läge an den Medikamenten und du wirst wieder normal sein, sobald du dich ausgeschlafen hast."
Überfordert von den ganzen Informationen nicke ich bloß.
„Wir haben heute viel vor, du solltest langsam aufstehen." Oh Gott, was soll denn das heißen?
Nicht mal zwanzig Minuten später sitzen wir alle zusammen am Esstisch. Alle, bis auf Trevor. Vor lauter Neugierde bekomme ich nichts zu essen herunter, bis auf einen Apfel, welcher mir beim Sprechen beinahe aus dem Mund fällt. „Was haben wir denn jetzt vor?" Keine Antwort, natürlich nicht. „Och bitte, gebt mir nur einen Tipp." Ich schiebe meine Unterlippe hervor und schaue alle drei nacheinander mit großen flehenden Augen an. Außer, dass sie mich auslachen, passiert leider gar nichts. „Pf. Dann eben nicht." Gespielt beleidigt verschränke ich meine Arme vor meiner Brust und lehne mich in
meinem Stuhl zurück.
„Ist ja gut, du bist echt eine Dramaqueen.", lacht Caden. „Du bekommst einen einzigen Tipp: Es wird ein kleiner Ausflug nach Preston." Preston? Das ist fünf Stunden von hier entfernt. Gibt es noch ein Preston in Groß Brittanien, von dem ich nichts weiß? „Hör auf mich so anzuschauen Maddie, das ist eine Überraschung. Ich darf nichts sagen!" Cody reißt mich aus meinen Gedanken. Ich wusste, dass ich ihn zum Reden bringen kann, doch bevor ich ihn weiter so anschauen kann, ist er schon aufgestanden, um den Tisch abzuräumen. Also wende ich mich meiner letzten Option namens Dylan zu. „Bitte?", flüstere ich grinsend. Er muss schmunzeln. „Nur weil du flüsterst, heißt es nicht, dass die anderen dich nicht hören, außerdem war es meine Idee eine Überraschung daraus zu machen." Außer ein Augenrollen fällt mir dazu nichts mehr ein. „Letzter Tipp: Trevor und Caden werden dich begleiten." Mein Herz rutscht beinahe in meine Hose. „Trevor? Wieso er?"
„Hey, alles gut. Trevor ist gar nicht so übel, wie er immer tut. Heute hat er sogar ziemlich gute Laune, vertrau mir." Und plötzlich ist das alles gar nicht mehr so schlimm. Aus irgendeinem Grund vertraue ich ihm wirklich.

„Bereit für die Shoppingtour?", ruft Trevor von unten, während ich mich gerade in ein rosa geblümtes Kleid zwänge, was Dylan mir nach dem Frühstück aufs Bett gelegt hat. Ich würde süß darin aussehen, wenn es mir zumindest passen würde. Es ist mir an den Schultern und der Oberweite zu eng, dafür an den Knien viel zu lang, denn es reicht mir fast bis zu den Füßen. Woher hat er überhaupt diese ganzen Frauenklamotten? Ob er eine Freundin hat? Das hätten sie mir doch bestimmt gesagt, oder? Bei dem Gedanken wird mir ganz schwindelig, doch bevor ich mir noch weiter irgendwelche Dinge zusammenreimen kann, klopft es an der Tür und ich bin das erste Mal in den letzten Tagen froh Trevors Gesicht zu sehen. „Fertig?", fragt er amüsiert, als er an mir heruntersieht. Wahrscheinlich findet er genauso wie ich, dass ich komplett lächerlich in diesem Kleid aussehe. Statt etwas zu sagen, nicke ich einfach nur und folge ihm beschämt nach unten. „Diesen Ausflug hast du dringend nötig, du siehst unmöglich in den Klamotten von Dylans verflossenen aus." Für den Satz bekommt Trevor sofort Cadens Ellenbogen in die Seite. „Ich weiß, dass ich bescheuert aussehe, danke, kann ich nur zurückgeben." Jetzt bekomme ich einen von Trevors Killerblicken, Caden hingegen kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Bitte bringt euch unterwegs nicht um, ja? Ich hätte Maddie gerne lebend wieder."
„Mach dir keine Sorgen, ich passe schon auf unser Mädchen auf." Unser Mädchen? Cadens Worte hallen in meinem Kopf wider wie ein Echo und hinterlassen in meinem Magen ein Kribbeln. Ob es Schmetterlinge oder doch eher Ameisen sind kann ich nicht sagen. Noch nicht zumindest.
„Was soll das überhaupt für eine Shoppingtour werden? Ich habe doch gar kein Geld und überhaupt..." Trevor stöhnt genervt.
„Kann ihr bitte jemand den Mund stopfen, bevor ich es tue? Das ist ja unerträglich. Ist doch klar, dass wir bezahlen, wenn wir sowas planen." Noch bevor ich, oder einer der anderen, darauf antworten können ist er schon durch die Tür verschwunden. „Tja, so ist er eben.", seufzt Cody. „Und so lieben wir ihn.", fügt Dylan hinzu.
Während der Fahrt herrscht eine unangenehme Stille. Trevor ist auf die Straße konzentriert, sagt keinen Ton und verändert bloß alle fünf Minuten die Lautstärke des Radios. „Ich finde du siehst hübsch aus.", flüstert Caden, während er seine Hand auf meinen Oberschenkel legt und mich mit der anderen Hand zu sich zieht. Ich antworte nicht, stattdessen lehne ich wie auf Knopfdruck meinen Kopf an seine Schulter. „Du kannst ruhig danke sagen Maddie, das gehört sich so." Zuerst will ich lachen aber als er mein Gesicht in die Hand nimmt und mich zwingt ihn anzusehen wird mir ganz anders. Er sieht nicht danach aus, als hätte er Spaß gemacht, sein Blick schreit förmlich, dass es sein voller ernst war. Plötzlich fühlt sich gar nichts mehr vertraut an, seine blauen Augen blitzen auf als wir gleichzeitig bemerken, wie sehr meine Hände zittern. „Tut mir leid, ich wusste nicht..." Cadens Zeigefinger, der sich auf meine Lippen legt, stoppt mich mitten im Satz. „Schh Maddie, entschuldige dich nicht dafür. Korrigier deinen Fehler einfach und lerne daraus." „Okay." Er schaut mich immer noch so an, dass ich das Gefühl habe, er würde in meine Seele schauen. „Danke Caden, du siehst auch...nicht schlecht aus." Ich spüre das Blut in meine Wangen schießen, meine Antwort ist mir jetzt schon peinlich, aber ihm scheint es zu genügen. „Braves Mädchen.", nuschelt er und haucht mir einen leichten Kuss in den Nacken. Schmetterlinge. Es sind definitiv Schmetterlinge.

„Sicher, dass mir das steht?", frage ich die beiden zum hundertsten Mal heute. „Frauen sind so anstrengend.", jammert Trevor vor sich hin, während Caden sich jedes Teil, was ich länger als eine Sekunde ansehe über den Arm wirft. „Wir nehmen jetzt einfach alles mit, was dir gefällt, sonst sind wir morgen früh noch hier, wenn du vorher alles anprobierst."
„Wir wären längst fertig, wenn ihr nicht ständig versucht hättet, in die Kabine zu kommen!", protestiere ich mit verschränkten Armen.
„Pass lieber auf, dass deine Titten nicht gleich rausfallen." Erst nach diesem Satz von Trevor bemerke ich, dass ich meine Brüste wirklich ganz schön in Szene setze, wenn ich meine Arme dagegenhalte. Vor allem in einem Top wie diesem. Ich ziehe das Top ein Stück weiter hoch und versuche der Situation irgendwie zu entkommen. „Aber das reicht jetzt, ihr habt doch eine Waschmaschine, da brauche ich nicht achtzig verschiedene Kleidungsstücke." Ich habe echt keine Lust mehr. Innerhalb drei Stunden habe ich mich bestimmt um die hundertmal an- und ausgezogen und war nebenbei noch damit beschäftigt, die beiden von meiner Kabine fernzuhalten. Caden stimmt mir tatsächlich zu, Trevor hingegen hat, wie so oft, noch etwas einzuwenden. „Möchtest du weiterhin in Codys Boxershorts und ohne BH rumlaufen? Was ist, wenn du in den Pool willst? Also nicht, dass ich etwas dagegen hätte, wenn du nackt schwimmst aber..." „Ist ja schon gut!" Ich ziehe ihm den Vorhang der Kabine vor der Nase zu und stolziere genervt an ihm vorbei in die Unterwäscheabteilung, nachdem ich das rosa Kleid wieder angezogen habe. Bisher habe ich nicht auf die Preise der Teile geachtet aber da ich jetzt einmal unbeobachtet hier stehe, kann ich gar nicht anders als einen Blick darauf zu werfen, bereue es allerdings direkt wieder. Der Bikini in meiner Hand kostet mehr als ein Großeinkauf meiner Familie. Bei dem Gedanken an sie durchfährt mich ein stechender Schmerz. Vermissen sie mich denn gar nicht? Suchen sie wenigstens nach mir? Erreichen können sie mich jetzt sowieso nicht mehr, nachdem ich meine Wut an meinem Handy ausgelassen habe, aber haben sie es überhaupt versucht? Hat irgendwer versucht mich zu erreichen? Die Antwort darauf schmerzt, aber so ist es doch immer mit der Wahrheit. Geleitet von meinem Frust nehme ich mir sämtliche Bikinis, Unterwäsche Sets und Pyjamas in meiner Größe von den Kleiderstangen und bringe sie zur Kasse, wo Trevor und Caden schon auf mich warten. „Ich krieg einen Zehner von dir", grinst Trevor. „Ich habe dir doch gesagt sie scheißt auf die Preise und nimmt alles mit was geil aussieht." Genervt holt Caden einen Schein aus seinem Portmonee und drückt ihn Trevor in die Hand.

Our Girl - wir brauchen dichWhere stories live. Discover now