Kapitel 32

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Madelyn

Drei Tage.
Drei Tage sind vergangen seit ich fast durch Trevors Hand gestorben wäre. Nein. Er hätte rechtzeitig losgelassen. Er hätte mich nicht umgebracht. Das rede ich mir seit Tagen ein aber ehrlich gesagt, glaube ich da selbst schon nicht mehr dran. Ich habe weder ihn noch Cody seit diesem Abend gesehen, oder irgendwas von ihnen gehört. Caden und Dylan kümmern sich um mich. Sie bringen mir meine Mahlzeiten aufs Zimmer, essen gemeinsam mit mir und wenn ich ein paar mal bitte sage und mit meinen Wimpern klimpere kuscheln sie auch mit mir. Mehr nicht. Keiner von ihnen hat jemals ausgesprochen, dass ich meine Etage nicht mehr verlassen soll aber ihre Gesten waren eindeutig, also bleibe ich einfach hier und versauere. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass Dylan und Caden mir ausreichen. Klar, sie sind toll aber ich habe ernst gemeint, was ich an diesem Abend gesagt habe, auch wenn ich total zugedröhnt war. Ich habe mich verliebt. In alle vier. Jedes Mal wenn ich mit nur einem von ihnen zusammen bin merke ich, dass mir etwas fehlt. Frustriert werfe ich mein Handy auf den Boden, als die zwanzigste Nachricht an Trevor, dass er doch bitte mit mir reden soll, nur noch einen grauen Haken bekommt, was bedeutet, dass er mich blockiert hat. Ich lebe in seinem Haus und er blockiert mich einfach? Feiges Arschloch. Noch bevor ich über irgendetwas nachdenken kann packt mich die Wut. Selbstbewusster, als ich es vielleicht sein sollte, marschiere ich nach unten ins Wohnzimmer, wo ich sie alle antreffe. Alle vier auf einmal. Doch statt wütend auf sie loszugehen, oder zumindest auf zwei von ihnen, die mich tagelang ignoriert haben, stehe ich einfach nur da und starre sie an. Mein Herz macht einen kleinen Hüpfer, als ich endlich wieder in Trevors dunkle Augen sehen kann. Es ist, als würde er mir in meine Seele starren aber ich verspüre kein bisschen Angst vor ihm. Am liebsten würde ich ihm in die Arme springen und so lange danach suchen, bis ich den Trevor wiederfinde, der mit mir in meinem Schlafzimmer gesessen und seine Drogen mit mir geteilt hat. Stattdessen stehe ich immer noch wie angewurzelt auf der selben Stelle und starre ihn an. „Maddie Schatz, was gibt's?", säuselt Dylan so arschfreundlich wie immer. Ich kann nicht antworten, Trevors Blick hält mich davon ab überhaupt irgendwas zu tun. Ich könnte stundenlang hier stehen und ihn einfach nur ansehen, das reicht mir vollkommen aber wenn er mir noch länger aus dem Weg geht, werde ich irgendwann an einem gebrochenen Herzen sterben. Er kommt auf mich zu, legt seine Hände an meine Taille und zieht mich in seine Arme. Ich presse meine Fingernägel in meine Haut um zu checken, ob ich mir das einbilde aber nein, ich wache nicht aus irgendeinem Traum auf, es passiert wirklich. Er legt seinen Kopf an meinen und kurz denke ich, er will mir einen Kuss geben, so nah wie wir uns gerade sind doch seine Lippen finden bloß den Weg an mein Ohr. Eine Gänsehaut breitet sich auf meinem gesamten Körper aus, als seine Lippen beim Sprechen meine Ohrmuschel sanft berühren, doch als ich realisiere, was er sagt bleibt mir das Herz stehen.
„Deine Liebeserklärung war niedlich und leider auch total peinlich. Ich weiß nicht, was du dachtest aber es war das falsche. Niemand hier wird diese Gefühle für dich erwidern und es wäre besser, du verstehst das langsam." Ich erstarre, sehe ihn nicht mehr an, als er sich wieder von mir entfernt. Ich würde gerne etwas sagen. Irgendwas zumindest, aber ich weiß nicht was. Aus meinem Mund kommt nichts raus, mein Gehirn ist nicht in der Lage, sich irgendeine passende Antwort zu überlegen. Gibt es für sowas überhaupt eine passende Antwort? „Aber ich...du...wir..." Mein erbärmliches Stottern macht die ganze Situation nur noch unangenehmer. Ich würde am liebsten im Boden versinken oder mich in Luft auflösen, doch dazu kommt es nicht, denn irgendjemand umfasst meine Hand. „Ich, du, wir, was, Madelyn? Es gibt kein wir und das wird es auch nie geben. Du warst eins meiner unzähligen Spielzeuge aber was soll ich denn mit dir, wenn du es nicht mal aushältst ein bisschen gewürgt zu werden, hm?" Trevors Worte schmerzen so sehr und endlich steigen mir die Tränen in die Augen. Ich habe schon befürchtet, ich wäre vor Schock eingefroren oder so. Wer auch immer meine Hand hält streichelt beruhigend mit dem Daumen über meinen Handrücken, doch das bringt mir absolut gar nichts. Ich will weinen, schreien, zusammen brechen und nie wieder aufstehen. Wieso sagt er so schreckliche Dinge zu mir? War ich wirklich die ganze Zeit nicht mehr, als ein dummes Spielzeug für ihn? Für sie alle? Ein lauter Knall holt mich aus meiner Schockstarre. Panisch schaue ich auf und sehe in zwei, mehr oder weniger besorgte, Gesichter. „Das war nur die Tür, alles gut." Es ist Caden, der als erstes etwas sagt. Er ist auch derjenige, der meine Hand hält und mich im nächsten Moment zur Couch schiebt. Die Couch, auf der ich vor drei Tagen noch schreiend auf Caden lag und von ihnen in den Himmel gevögelt wurde. Die Couch, auf der Trevor mich fast zu Tode gewürgt hat und nachdem, was er gerade gesagt hat bin ich mir doch sicher, dass er nicht rechtzeitig aufgehört hätte.
„Maddie Baby, ich habe dir gesagt, dass wir anders sind. Du wolltest mir ja nicht glauben." Caden seufzt und wischt mir die Tränen von den Wangen. Dylan sitzt auf der anderen Seite der Couch und sieht uns unbeeindruckt zu. „Du hättest uns besser nicht in dein süßes kleines Herzchen lassen sollen." Sein harten Worte sind das komplette Gegenteil von den Berührungen, die ich auf meiner Haut spüren kann. Seine Fingerspitzen streichen sanft über meine Arme, signalisieren mir zumindest ein bisschen Sicherheit. „Ich möchte nachhause." Wieso habe ich das gesagt? Habe ich das überhaupt gesagt? Caden versteift sich neben mir, ebenso wie Dylan. Wieso wollen sie nicht, dass ich gehe, wenn sie mich sowieso nicht so wollen, wie ich sie? „Du weißt genau, dass das nicht geht." In Dylans Stimme ist nichts verständnisvolles und einfühlsames mehr zu hören, wie sonst immer. Sie klingt eiskalt, genau wie seine Hand sich anfühlt, als ich nach ihr greife. „Du bleibst hier. Oder willst du von irgendwem aufgespießt werden, wenn du zuhause ankommst? Denk an die Nachrichten." Auch Cadens Stimme ist mahnend, keine Spur mehr von dem charmanten Caden übrig.
„Wo ist Cody? Was hat er plötzlich gegen mich?", frage ich schluchzend. „Nichts. Ihm ist das ganze Drama einfach zu viel. Er wird später mit dir reden aber jetzt solltest du dich erstmal ausruhen, du bist ganz blass und du zitterst immer noch."
Ich achte nicht darauf, wer von beiden mir einen Kuss auf die Stirn drückt, als ich wieder in meinem Bett liege. Die Tür fällt hinter ihnen zu, als sie mein Schlafzimmer verlassen und mich alleine hier zurück lassen. Ich schluchze vor mich hin, versuche die Laute in meinem Kopfkissen zu ersticken, mein Körper zittert immer noch so unfassbar doll, dass ich nicht mal das Wasserglas vernünftig halten kann. Irgendwann höre ich auf zu schluchzen, die Tränen laufen mir einfach stumm über die Wangen und ich befürchte, ich werde doch noch an einem gebrochenen Herzen sterben.

Our Girl - wir brauchen dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt