Kapitel 47

240 24 3
                                    

"Wenn du keinen Stress willst, dann solltest du jetzt wach werden und hier abhauen!"
Diese Stimme kannte ich doch.
Verwirrt blinzelte ich gegen das grelle Licht an, welches mich blendete.
"Man Fuyu. Wir haben doch grad Pancakes gegessen. Nerv nicht." nörgelte ich und wollte meine Augen gerade wieder schließen. Doch seine grünen Iriden tauchten direkt vor meinem Gesicht auf und als wäre das nicht genug, schnipste er mir noch gegen die Stirn.
"Aua." fuhr ich ihn an und hob meinen Kopf. Erst jetzt wurde ich richtig wach und begriff, dass ich wohl nur geträumt hatte. Irritiert schaute ich mich um.
"Scheiße!" rief ich und sprang von dem Stuhl auf, auf dem ich offensichtlich eingeschlafen war. Und mal ehrlich... so war das nicht geplant. Ich wollte mich doch nur kurz ausruhen. Und jetzt hatte ich den Salat. Nicht nur, das ich erwischt wurde, sondern ich hatte auch zig verpasste Anrufe auf meinem Handy und ich wusste, wenn ich noch länger weg bleiben würde, dann würde KitKat einen Suchtrupp los schicken.
"Ich..Ich muss los." 
"Würde ich dir auch raten, außer du willst auf die anderen treffen."
Für ein paar Sekunden blieb es still zwischen uns. Es gab zu viel zu sagen und doch gab es nichts. Und als ich gerade los wollte, wurde ich an meiner Jacke zurück gehalten.
"Yumi..."
"Chifuyu. Lass mich los."
Prompt ließ er meine Jacke los.
"Warum bist du hier?"
Natürlich musste er mir diese Frage stellen. Wieso konnte er es nicht dabei belassen. Ich holte tief Luft, weil ich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte. 
"Vielleicht..." begann ich und stockte kurz, weil ich so viel Hoffnung in seinen Augen sehen konnte. Hoffnung die er besser nicht haben sollte, denn ich bin nicht mehr auf seiner Seite.
"Vielleicht bin ich hier um zu sehen, wie es ihm geht. Vielleicht habe ich mir Sorgen gemacht. Vielleicht hatte ich ein schlechtes Gewissen. Aber Vielleicht wollte ich auch nur sehen, wann er endlich stirbt. Vielleicht hat mich Kazutora geschickt, um es zu Ende zu bringen. Oder vielleicht wollte ich es auch aus purem Hass selbst beenden. Ich denke es spielt keine Rolle mehr Chifuyu." Mit müdem Blick schaute ich zu Baji und wendete mich dann ab.
"Er hat übrigens seinen Finger bewegt diese Nacht."
Mit diesen Worten wollte ich gehe. Wollte verschwinden und diesem ganzen Chaos entkommen. Ich wollte einfach nur zu KitKat zurück, ihn an mich drücken und an nichts mehr denken. Doch mal wieder konnte es nur noch schlimmer werden.
Chifuyu riss mich zurück ins Zimmer, schloss die Tür und warf mir Sachen an den Kopf, die ich nicht hören wollte.
"Verarsch mich nicht Yumi! Ich weiß ganz genau, dass du nicht so ein kaltherziges Miststück bist. Denn so jemand wäre niemals hier her gekommen. Nein! Du bist hier, weil Baji dir etwas bedeutet. Weil wir alle dir etwas bedeuten! Und es ist mir scheißegal, was du mit Kazutora alles durchgemacht hast. Der Punkt ist, dass wir genauso deine Familie sind! Wir sind deine Freunde! Und das weißt du ganz genau, denn sonst wärst du nicht hier. Wärst nicht an seinem Bett eingeschlafen. Hättest mir nicht gesagt, dass er seinen Finger bewegt hat. Was er bei mir nicht einmal getan hat und auch sonst bei niemandem! Und ich weiß, dass wir das alles irgendwie regeln können Yumi! Ich will nicht, dass es so bleibt wie es jetzt ist. Hörst du! Ich will, das es so wird wie früher."
Jedes einzelne Wort fühlte sich an, wie eine Nadel die mir in mein Herz gebohrt wurde und das nicht schnell, sodass der Schmerz kurz danach verschwindet. Nein. Ganz langsam und qualvoll, wie bei einer unendlich lang andauernden Folter. Und trotzdem konnte ich diesen Blondschopf nicht in meine Arme schließen, fest drücken und sagen 'Ich habe dich vermisst'.
"Ich werde es dir jetzt nochmal ganz deutlich sagen Chifuyu. Damit du es endlich verstehst." sprach ich langsam.
"All das hier ist eine Lüge. Nichts davon war echt. Und ich werde Mikey umbringen, für das was er Kazutora angetan hat. Krieg das endlich in deinen Schädel, denn dann hätten wir uns diese Unterhaltung hier sparen können."
Und kaum hatte ich das letzte Wort ausgesprochen, bemerkte ich wie Chifuyu geistesabwesend an mir vorbei sah, so als hätte er ein Gespenst gesehen. 
Also drehte ich mich um, doch bereute es sofort. Ich hätte nicht länger hier bleiben sollen... Jetzt hatte ich genau die Situation, die ich nicht haben wollte.
Mikey, Draken und Emma standen im Raum. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass jemand die Tür geöffnet hatte. Doch jetzt blickte ich in Emmas unendlich traurige Augen, Mikeys vollkommen leere Iriden und Drakens rasenden Blick. Offenbar hatten sie die letzten Worte mit angehört. 
"Du wagst es..." begann Draken, aber Emma hielt ihn am Arm. Tatsächlich hatte ich den Riesen noch nie so wütend gesehen. Ich hätte sogar schwören können, dass ihn niemals jemand aus der Fassung bringen könnte, außer vielleicht Mikey. Aber da hatte ich mich wohl geirrt, denn er war mehr als nur sauer. In seinem Gesicht konnte ich die pure Abneigung gegen mich sehen. Was mich nicht wunderte, denn er und Mikey waren wie Pech und Schwefel und dass ich es auf ihn abgesehen hatte, passte ihm gar nicht. 
Er riss sich von Emma los, stieß Chifuyu zur Seite und bäumte sich vor mir auf.
"Du wagst es ernsthaft, dich hier blicken zu lassen du miese Verräterin?"
"Offensichtlich. Außer ich bin nur ein Hirngespinst und du bildest dir nur ein, das ich hier bin."
Ein lauter Knall hallte durch den Raum. Er hatte seine Faust direkt neben mir in die Wand geschlagen.
"Deine dummen Kommentare kannst du dir sparen!" 
"Da hast du recht, die sind schließlich viel zu schade für euch."
Obwohl Draken mit seinem riesigen Körper vor mir stand, konnte ich an ihm vorbei linsen. Es war mir mehr als egal, dass er wütend auf mich war, denn er hatte jeden Grund dazu. Trotzdem wusste ich, dass er mir kein Haar krümmen würde, auch wenn er es noch so sehr wollte. Für mich war sein Tobsuchtsanfall unbedeutend. Alles was ich sehen konnte und vielleicht auch wollte, war er. Und sobald ich in seine dunklen Augen blickte, gab es für mich nur noch ihn. Sie rissen mich immer wieder aufs neue in den Bann. Nur jetzt war es eher der Abgrund in den er mich zog damit. Und er war voller Gefühle die ich nicht spüren wollte, voller Erinnerungen die ich nicht haben wollte und voller Schuld die ich nicht besitzen durfte. Alles was ich die letzten Tage und Wochen versucht hatte zu verdrängen, kam mit einem Schlag wieder hoch. Jeder Moment in dem wir gelacht hatten, jedes Taiyaki um das wir uns gestritten hatten und jeder Schlag den ich ihn verpasste, als ich KitKat wieder traf. Freude. Trauer. Hass. Glück. Wut. Sehnsucht. Schuld. Konnte man all diese Dinge mit einem mal fühlen? 
"Oi! Ich will wissen, was du hier zu suchen hast?" Drakens Worte holten mich zurück ins hier und jetzt. Und mir war nicht entgangen, dass auch Mochi mich die ganze Zeit ansah.
"Nach was sieht es denn aus?" provozierte ich ihn weiter. Ich wollte das er mir eine verpasst. Wollte so unbedingt etwas anderes spüren, dass es mir egal war, ob ich jemand anderen mit meinen Worten verletzte.
"Lass die Spielchen Yumi!"
"Und was wenn nicht mh?" Ich lehnte mich extra zu ihm hoch und sah ihm in die Augen.
"Schade, dass ich nicht schnell genug war." Ich schaute zu Baji rüber.
"Aber es wird eine neue Gelegenheit kommen." Und damit wollte ich mich aus dem Staub machen, aber unerwarteter Weise traf mich etwas am Kopf. Kurz wurde mir schwarz vor Augen und ich sank auf die Knie. Als ich wieder zu mir kam, sah ich Mikey. Er wirkte genauso kalt, wie sich mein innerstes anfühlte. 
"Tze." ich spuckte das Blut aus, dass sich in meinem Mund sammelte und stand auf.
"War das etwa schon alles? Dafür das ich dich umbringen will, wirkst du ziemlich gelassen." Und wieder saß sein Tritt. Diesmal traf er eine Rippe. Ich hörte wie Chifuyu dazwischen gehen wollte, wie Emma herum schrie und wie Draken die Schwestern zurück hielt, die plötzlich panisch wurden.
"Wenn du nicht willst, dass ich dich holen komme, dann solltest du es hier und jetzt beenden Mikey." 
Doch mit einem Schlag wurde es still. Und doch so laut.
Panik brach aus.
Die Schwestern drängten sich ins Zimmer.
Versuchten uns aus dem Zimmer zu entfernen. 
Alles passierte wie in Zeitlupe und doch kam es mir so vor, als wäre nur ein Wimpernschlag vergangen. 
Eine Sekunde in der sich alles änderte.
Und alles was ich dabei ansehen konnte, war das Schwarz, in dem ich gern ertrinken würde.

Broken Souls/ Mikey x OCWhere stories live. Discover now