2. Kapitel - Henry

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Als ich die Augen aufschlug, schnappte ich nach Luft und fühlte mich, als hätte ich eine Weile nicht geatmet.

Sofort ging mein Blick zu Erin, die leblos neben mir im Gras lag. Ihre Atmung ging nur sehr flach und in der rechten Hand hielt sie noch immer den Spiegel.

Ich schluckte, ehe ich ihre freie Hand fester umklammerte.

Ihre Haut war kühl und ich versuchte mich nicht davon beirren zu lassen. Stattdessen suchte ich mit den Augen die Umgebung nach den Pferden ab.

„Verdammt, verdammt, verdammt!", murmelte ich und schaffte es irgendwie, mich und Erin auf die Füße zu ziehen und hob sie vorsichtig hoch.

„Pocahontas?! Salima!?", rief ich, während ich auf den Dunkelwald zulief und dabei Erin fest im Arm hielt.

„Salima!?", rief ich noch einmal und lehnte mich gegen einen Baum, wo ich kurz stehen blieb und nach Luft rang.

Warum habe ich das zugelassen? Wir hätten warten sollen, bis wir im Palast sind...

Tränen stiegen in mir auf und ein Kloß bildete sich in meinem Hals.

Im selben Moment, in dem ich weiterlaufen wollte, hörte ich Hufgetrappel und fast sofort brachen Thanatos und ein weiterer Zentaur aus dem Unterholz.

Hinter ihm meine wunderschöne Salima.

„Thanatos!", sagte ich erleichtert und auf dem Gesicht der beiden Zentauren zeichnete sich ebenfalls Erleichterung ab.

„Henry, wir haben uns Sorgen gemacht. Eure Pferde kamen völlig aufgewühlt und verängstigt zu uns. Was ist passiert? Was ist mit deiner Gefährtin?"

Thanatos machte Anstalten mir Erin abzunehmen, aber ich wich ihm aus.

„Ihr geht es gut... also... ich glaube, dass es ihr gut geht. Sie... es ist eine lange Geschichte, aber ich... wir müssen zurück zum Palast und ich darf Erin nicht loslassen", sagte ich und der Zentaurenkönig nickte.

„Wir werden euch helfen. Philos, hol die Habseligkeiten der beiden Hüter. Doch vorher hilfst du Henry und seiner Gefährtin auf meinen Rücken", sagte er.

Philos nickte und machte einen Schritt auf mich zu. Vorsichtig legte ich Erin in seine Arme, ohne dabei ihre Hand loszulassen. Thanatos kniete sich hin und irgendwie schaffte ich es auf seinen Rücken zu klettern, ohne auch nur die Hand von Erin loszulassen.

Philos setzte Erin vor mich auf Thanatos' Rücken und sofort hielt ich sie fest umklammert.

„Ich laufe vor und bringe die Hüter und die Pferde zurück zum Palast. Du kommst mit den Sachen hinterher", sagte Thanatos und lief los.

Obwohl Thanatos ein gutes Tempo hinlegte, hatte ich keine Probleme, mich und Erin auf dem Rücken zu halten. Salima galoppierte neben uns her und ich würde ihr zuhause nur noch das beste Futter und ganz viel Ruhe gönnen.

„Erzähl mir, was passiert ist. Ich spüre wie schwach deine Gefährtin ist", sagte Thanatos irgendwann.

Ich seufzte.

„Wir waren auf den Weg vom Gebirge zurück. Es sind einige Dinge zum Vorschein gekommen, auf die wir keine Antwort haben. Angeblich hat mein Vater den Bergriesen aufgetragen, den Berg zu verlassen. Zwei der drei Riesen haben die Anweisung befolgt", sagte ich und Thanatos grunzte zustimmend.

„Die andern drei haben sich abgewechselt, um die Quellen sauber zu halten, allerdings gab es einen kleinen Erdrutsch. Ich konnte das Problem erst einmal beheben, aber natürlich müssen die anderen beiden Riesen zurückkehren... Und... die Koboldwiesen sind völlig verbrannt", sprach ich weiter.

Durch Thanatos' Körper ging ein Ruck.

„Und wo sind die Kobolde?", fragte er und ich seufzte.

„Ich weiß es nicht. Sie waren nicht mehr dort und auch sonst gab es nirgendwo ein Zeichen. Lorox meinte, er habe nur den Rauch gesehen. Das war ungefähr zu der Zeit, in der mein Vater wohl angeblich die Riesen weggeschickt hat..."

„Du zweifelst daran, dass dein Vater etwas damit zu tun hat", sagte Thanatos, ganz ohne Wertung.

„Ja... es ergibt einfach keinen Sinn. Er hätte vor mir und Erin losreiten müssen, um vor uns am Gebirge gewesen zu sein. Ganz davon abgesehen, dass die gesamten Vorkommnisse zu einer Zeit waren, in der er ganz sicher nicht weg war", sagte ich.

„Er kam auch nicht im Lager vorbei. Junger Hüter, jemand versucht euch Hüter für die schrecklichen Dinge, die geschehen verantwortlich zu machen", gab Thanatos zurück und ich seufzte, während ich Erin fester an mich drückte.

„Was ist mit der Hüterin? Wieso geht es ihr so schlecht?"

„Wir haben den Spiegel der Wahrheit gefragt, was in Lavandia vor sich geht. Da der Spiegel schon so kaputt ist, ist die Magie nur schwach. Sie ist quasi gerade in dem Spiegel und bekommt Antworten. Und währenddessen darf ich sie nicht loslassen. Sonst..."

„Sonst verschluckt der Spiegel sie. Ich habe Legenden darüber gehört. Die Ältesten haben darüber berichtet und ich habe es immer für ein Märchen gehalten", unterbrach Thanatos mich.

„Laut unseren Geschichten bat ein Elf vor Jahrhunderten meinem Vorfahr, den Spiegel in einer Höhle zu verstecken. Leider ist es mir nicht mehr möglich, die Geschichte zu erzählen. Ich selbst kenne nur diesen unbedeutenden Teil, da wir unsere Geschichten und Legenden nur mündlich überliefern", sprach Thanatos weiter.

„Vielleicht erfährt Erin ja irgendwas", murmelte ich und hoffte wirklich, dass diese ganze Sache irgendwas brachte.

Avaglade - Schicksal von Lavandia (Buch 3)Where stories live. Discover now