11. Kapitel - Erin

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Während Henry und ich etwas aßen, berichtete er mir, was sich während meiner zweitägigen Abwesenheit alles zugetragen hatte und wie schlecht es gerade um den Frieden stand.

„Dank Nael, Zara und natürlich Thanatos und den Zentauren, konnte ich uns beide hier her bringen, damit du genügend Zeit hast, um etwas in Erfahrung zu bringen", beendete er schließlich seine Erzählung, aber ich merkte sofort, dass er mir noch etwas verschwieg.

„Du verschweigst mir etwas", sagte ich und sah Henry besorgt an. Er seufzte.

„Bevor du aufgewacht bist, hat Thanatos eine Nachricht von Nael erhalten. Der Kampf zwischen den Elfen und den Nymphen ist am Eskalieren. Die Kobolde kämpfen auf der Seite der Nymphen, weil es angeblich William war, der die Koboldwiesen in Brand gesteckt hat. Außerdem sind auch einige Elfen gegen Yilva und uns. Aber Neal kennt sie nicht weiter. Und... und mein Vater wurde verletzt", sagte er und ich schluckte.

„Geht es ihm gut?", fragte ich besorgt und Henry zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung... Aber jetzt erzähl, was hast du herausgefunden?", fragte er und sah mich hoffnungsvoll an.

„So einiges. Wir müssen auf alle Fälle so schnell wie möglich zurück zum Palast. Das alles ist viel größer, als wir angenommen haben und auch jemals gedacht hätten. Der Grund, weshalb das alles gerade passiert, liegt sehr weit in der Vergangenheit und es ist ziemlich verworren und beide Seiten haben große Fehler gemacht", sagte ich und stand auf.

„Wie meinst du das? Beide Seiten, also die Nymphen und Elfen?", fragte Henry und ich schüttelte den Kopf.

„Die Nymphen sind nur Mittel zum Zweck. Ein Spielball, der alles ins Rollen bringen sollte, was auch funktioniert hat. Es geht um die zwei Familien", sagte ich und lief unruhig auf und ab.

Wir mussten eigentlich jetzt sofort los. Die Sonne ging zwar bereits unter, aber wir durften keine Zeit verlieren. Wir durften nicht zulassen, dass noch irgendjemand verletzt wurde.

„Was haben wir damit zu tun?", fragte Henry verwirrt.

„In der Prophezeiung sind nicht wir gemeint. Also nicht die Familie Nox und Familie McAlistair, denn wir sind eine Familie. Avas Familie, um genau zu sein. Philipp Nox und George McAlistair waren Brüder, keine Cousins oder so. Nox und Alistair waren die Namen, mit denen sie hier in Lavandia angesprochen wurden. In der Welt der Menschen, haben sie sich Philipp und George genannt, weil das die Namen waren, die ihre Mutter ihnen gegeben hat", erklärte ich.

„Aber in unseren Geschichtsbüchern steht, dass es Cousins waren..."

„Sie haben ihren Verwandtschaftsgrad nie erläutert oder erwähnt. Geschichtsschreiber haben es irgendwann einfach übernommen und als Fakt dargestellt und über die Zeit, haben selbst unsere Familien es nicht hinterfragt", sprach ich weiter und Henry nickte leicht.

„Okay... aber wenn nicht unsere Familien gemeint sind, welche Familien sind es dann?"

„Königin Ava war die Großmutter von George und Philipp, demzufolge teilen die Nox und die McAlistair eine Linie. Wir sind die eine Familie. Und dann gibt es noch eine zweite Königsfamilie..."

„Eine zweite Königsfamilie? Wo?", unterbrach Henry mich verwirrt und ich seufzte.

„Eine selbsternannte Königsfamilie. Die Elfen der Dracheninseln. Angefangen als Gruppe von verbannten Elfen und Elfen, die nicht mit Ava als Königin einverstanden waren. Die Königin der Dracheninseln war Hana, eine Elfenmagierin und sie hegte einen sehr großen Groll gegen uns Hütern, weil George' Sohn ihren Sohn getötet hat. Es war ein Unfall und er wollte es ganz sicher nicht, aber Hana konnte ihm und den Hütern das nie verzeihen", erklärte ich.

„Und während wir einfach weitergemacht haben und auch nie Verantwortung für den Tod von Hanas Sohn übernommen haben, haben die Elfen der Dracheninseln sich in ihrer Wut und den Schmerz verloren!"

Henry sah mich an und in seinem Gesicht zeichneten sich sehr viele Fragen ab.

„Wir Hüter haben geschworen, dass wir nie einem Wesen in Lavandia ein Leid zufügen. Dieser Eid wurde gebrochen. Es war zwar keine Absicht, aber in den Augen von Hana und ihrer Familie, haben wir unsere Pflicht verletzt. Und während Königin Ava, das Reich gründete, mit der festen Absicht, dass jeder hier friedlich leben konnte und sie lediglich als neutraler Beobachter diente, der für einen neutralen Boden sorgte, auf dem friedlich über Probleme geredet werden konnte, haben wir Hüter angefangen, die Probleme selbst zu lösen. Wir haben oft Partei ergriffen und Entscheidungen getroffen, die uns nicht zustanden", erklärte ich eindringlich.

„Okay, aber warum eskaliert es jetzt? Wenn die Probleme vor Jahrhunderten begonnen haben, wieso spüren wir jetzt erst die Auswirkungen?"

„Es ist wie ein schlafender Vulkan. Er brodelt immer weiter vor sich hin, ohne dass die Zeichen, dass ein Ausbruch droht, wirklich zu sehen sind. Oder wir haben die Zeichen ignoriert. Nicht bewusst, sondern weil wir sie einfach nicht erkannt haben. Ist dir aufgefallen, dass in den Hüterfamilien immer wieder Familienmitglieder gestorben sind, auf die unterschiedlichsten Wege und oft waren es unglückliche Umstände, Unfälle oder nicht weiter benannte Gründe?"

Henry nickte zögernd.

„Hana hat damals einen Fluch ausgesprochen, der dafür sorgen sollte, dass unsere Familien denselben Schmerz spüren, wie sie. Es gab theoretisch nie nur einen Hüter pro Generation, aber durch den Fluch überlebte oft nur einer. Orion hat den Fluch abgemildert, sodass er mit der Zeit schwächer wurde. Das hatte aber zur Folge, dass Hanas Familie selbst aktiv wurde, um unsere Familien auszulöschen. So starben meine Eltern. Es war kein Unfall, sondern zwei Elfen. Zahir und Naru, ein Geschwisterpaar, das sich den Thron teilt", sprach ich weiter und Henry sah mich überrascht an.

„Dann hattest du recht. Es war kein Unfall", sagte er und ich nickte leicht.

„Ja... sie waren es auch, die Lenori getötet haben. Sie haben auch Thanatos Sohn getötet, die Koboldwiesen in Brand gesteckt und den Riesen gesagt, sie sollen den Berg verlassen. Allerdings haben sie dazu uns benutzt. Zahir hat mit Hilfe von einem Zauber deine Gestalt angenommen und Lenori getötet. Dasselbe bei Phaeton, nur da hat er meine Gestalt genutzt, während sein Bruder als mein Onkel und dein Vater getarnt, zu den Kobolden und Riesen gegangen ist", erklärte ich.

„Damit die Völker uns misstrauen und gegen uns sind..."

„Und Yilva würde sich schützen, weil sie genau weiß, dass wir nicht schuld sind. Und dadurch würden die Völker sich auch gegen sie richten und Zahir und Naru könnten Lavandia übernehmen. Dann wären aus zwei Familien, eine geworden", beendete ich den Satz.

„Die Nymphen und die Kobolde haben die beiden schon einmal auf ihrer Seite", sagte Henry.

„Wir Zentauren stehen auf der Seite der Hüter und Königin Yilva!"

Wir sahen Thanatos an, der näher getreten war und dem sich jetzt sein Volk anschloss.

„Danke", sagte Henry und der Zentaur nickte.

„Was ist mit den Gnomen und den Zwergen?", fragte ich an Henry gewandt und er zuckte mit den Schultern.

„Die Zwerge stehen wahrscheinlich auf der Seite, auf der die Gnome nicht stehen. Die Trolle werden sich raushalten und auch die Feen sind eigentlich ehr friedlich gesinnt..."

„Wir müssen zurück und zwar jetzt. Wir müssen das beenden, ehe jemand ernsthaft verletzt wird. Zahir und Naru dürfen nicht gewinnen. Denn wenn sie gewinnen, wird Lavandia nicht mehr sein, wie es war und auch unsere Welt ist dann verloren", sagte ich und Henry stand auf.

„Dann schlage ich vor, dass wir uns auf den Weg machen. Ist das in Ordnung, Thanatos?"

Der Zentaurenkönig nickte und bedeutete uns, aufzusteigen.

Es wurde Zeit, dass wir Lavandia schützten. Und dann musste ich meinem Onkel, Lucius und Henry nur noch irgendwie klar machen, dass wir uns endgültig aus Lavandia zurückziehen mussten...

Avaglade - Schicksal von Lavandia (Buch 3)Where stories live. Discover now