14. Kapitel - Henry

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„Henry! Henry warte!"

Erin holte mich am Fuß der Treppe ein und hielt mich am Handgelenk fest.

„Warte", sagte sie noch einmal und ich sah sie wütend an.

„Erin... lass mich los", knurrte ich, aber sie rührte sich nicht.

„Erin..." „Ich verstehe, dass du jetzt sauer und traurig bist, aber was auch immer du vorhast, ist nicht gut! Rede mit mir", unterbrach sie mich und ich entzog ihr mein Handgelenk.

„Ich werde diesen komischen Elfen von den Dracheninseln und Liron zeigen, mit wem sie sich hier angelegt haben", sagte ich und lief los.

„Und ich verstehe das, aber..." „Kein Aber! Mein Vater stirbt und das nur, weil diese Möchtegern-Prinzen nicht loslassen können und einen Kampf kämpfen, der vor Jahrhunderten hätte gekämpft werden müssen!"

„Und genau deshalb dürfen wir jetzt nichts machen, was für uns von Nachteil ist. Wenn wir jetzt zurückschlagen, sind wir keinen Deut besser!"

Erin griff wieder nach meiner Hand und unsere Blicke trafen sich.

„Glaube mir, wenn dich jemand versteht, wie du dich jetzt fühlst, dann bin ich das. Ich hätte am liebsten auch sofort alles und jeden um mich herum verletzt, als meine Eltern gestorben sind. Und als ich herausgefunden habe, dass es wirklich kein Unfall war, sondern Naru und Zahir..."

„Gerade deshalb solltest du verstehen, dass ich das jetzt nicht so einfach abtun kann. Wenn du das kannst, dann schön für dich!"

Mit diesen Worten entriss ich ihr ein letztes Mal mein Handgelenk und lief weiter den Gang entlang.

Mir war es egal, ob Erin mir folgte und ob sie Recht oder Unrecht hatte. Ich wollte Rache dafür, dass diese Elfen mir meinen Vater nahmen.

Je dichter ich dem Thronsaal und damit auch den Eingang zum Palast kam, umso lauter wurden auch die Geräusche des Kampfes.

„Henry, es tut mir..."

Ich ignorierte Yilva, die mir entgegen kam, immer in ihrer Nähe ihre Leibwächter. Und William.

„Henry!", rief er, doch auch ihn ignorierte ich.

Stattdessen trat ich nach draußen.

Das Bild was sich mir bot, war schrecklich, aber ich hatte gerade keinen wirklichen Blick dafür.

Stattdessen suchte ich mit den Augen das Schlachtfeld nach Liron ab.

Er wollte also Rache für seine Tochter? Die konnte er haben. Aber vorher nehme ich Rache für meinen Vater!

„Liron! Komm, du willst Rache!", schrie ich über den Kampflärm hinweg und überwand die Treppen des Palastes.

Ich sah Thanatos und einige seiner Zentauren aus dem Wald kommen, doch genau in dem Moment sah ich Liron. Neben ihn zwei mir völlig fremde Elfen.

„Liron!", brüllte ich und jetzt sah auch der Nymphenkönig mich.

Sofort setzten er und einige seiner Gefolgsleute in Bewegung und kamen mit erhobenen Waffen auf mich zu.

Einer der zwei Elfen spannte einen Bogen und ich realisierte, dass ich absolut keine Chance hatte. Fuck.

„NEIN!"

In genau dem Moment, in dem die Truppe nur noch wenige Meter von mir entfernt waren und der Elf den Pfeil entließ, tauchte vor mir eine riesige Feuerwand auf.

Außerdem verstummte der Kampflärm und nichts war zu hören, außer das Knistern der helllodernden Flammen.

Ich drehte mich um und sah Erin am oberen Treppenabsatz stehen. Sie hatte mich gerettet. Schon wieder.

Knapp hinter ihr stand William und auch Yilva stand dort und wirkte ziemlich ernst und konzentriert.

„Yilva!Du und deine Elfen stehen auf der falschen Seite! Die Hüter haben mir meineTochter genommen! Sie haben die Kobolde ihr Zuhause genommen! Sie haben dafürgesorgt, dass der Flusslauf gestört wird! Dukannst nicht auf der Seite von Verrätern und Mördern stehen!", hörte ich Liron brüllen.

Der Flammenvorhang teilte sich und die Zentauren traten zu uns. Erst jetzt fiel mir auf, dass wirklich alle Elfen, die zu Yilva gehörten, auf unserer Seite standen.

„Thanatos, entscheide auf welcher Seite du stehen willst!"

Die Flammen wurden kleiner und verschwanden schließlich ganz. Ich sah zu Erin, die etwas erschöpft wirkte.

„Ich stehe auf der Seite der Hüter. Sie haben nicht getan, für was sie beschuldigt werden. Wenn du deine Wut und Trauer zur Seite schiebst, dann würdest du es auch sehen", sagte Thanatos.

„Es gab Zeugen! Diese Elfen sahen, was passierte!"

„Und wie lange kennst du diese Elfen, Liron?", fragte Yilva ruhig und sah den König an.

Kurz huschte ein Schatten über sein Gesicht und ich runzelte die Stirn.

Dieser kurze Moment der Klarheit verschwand aber sofort, als einer der zwei Elfen ihn am Arm berührte und leise etwas murmelte.

„Ich vertraue ihnen! Sie haben mich nie belogen!"

Ich wich einige Schritte zurück und fast sofort schob Thanatos sich vor mich.

„Liron ist nicht er selbst", sagte ich leise zu Yilva und sah zu ihr hoch.

Sie nickte leicht.

„Liron... ich gab dir mein Wort, dass wir herausfinden würden, was geschehen ist. Erin und Henry haben alles getan, um die Wahrheit herauszufinden. Sie haben sich in Gefahr begeben und wurden belohnt. Erin fand heraus, was wirklich geschah!", sagte William ruhig.

Wieder eine Regung bei Liron, die sofort wieder verschwand.

„Es ist Zahir...", hauchte Erin leise und ich sah sie an.

„Es ist ein kaum wahrnehmbares Band. Er hält ihn, wie eine Marionette..."

Ich runzelte die Stirn und versuchte zu sehen, was sie sah.

„Liron, hör dir an, was Erin herausgefunden hat", fügte William hinzu.

Zahir murmelte etwas und Liron nickte leicht.

„Wer sagt, dass sie die Wahrheit spricht? Sie könnte sich das alles ausgedacht haben, um euch zu schützen! Wieso sollte ich Verrätern und Mördern glauben?!"

Ich sah, wie die Elfen und Nymphen auf Liron's Seite die Waffen hoben und machte mich darauf gefasst, dass der Kampf gleich wieder ausbrechen würde.

„Der Teich der Wahrheit?"

Ich sah Erin an, die verwirrt wirkte und kurz nach links blickte. Als würde sie mit jemanden sprechen, der dort stand. Doch da war niemand.

„Der Teich der Wahrheit! Liron, ich erzähle dir, was ich herausgefunden habe, im Teich der Wahrheit!"

Avaglade - Schicksal von Lavandia (Buch 3)Where stories live. Discover now