3. Kapitel - Erin

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Mit einem Mal war Henry verschwunden und ich schluckte, weil mir plötzlich bewusst wurde, wie sehr ich mich in letzter Zeit an seine Nähe gewöhnt hatte.

Und der Gedanke, dass ich ihn möglicherweise nie wieder sehen würde, weil er mich ausversehen los ließ...

Ich meine, Unfälle passierten doch? Was, wenn er stürzt und mich dabei loslässt?

„Bevor ich dir deine Antworten liefere, ist es wichtig, dass du die Regeln auch wirklich verstehst. Hinterfrage nichts. Nimm das, was ich dir zeige, als gegeben hin. Stell keine weitere Frage. Verstanden?"

Ich sah meinen Vorfahren an und nickte.

„Ich habe es verstanden. Keine Fragen. Einfach hinnehmen", sagte ich und schaffte es irgendwie dabei sicher und zuversichtlich zu klingen.

„Das hier, wirst du brauchen", sagte George und gab mir ein, in schwarzes Leder gebundenes Buch. Der Titel des Buches lautete „Die Geschichte von Lavandia" und ich runzelte die Stirn und schlug es auf.

Die Seiten waren vollkommen leer und ich sah meinen Vorfahren an.

„Du weißt, wie man ein leeres Buch füllt. Und du wirst wissen, mit was du es füllen musst. Du hast eine Gabe, Erinna. Eine Gabe, die es unseren Familien ermöglicht das Schicksal von Lavandia umzuschreiben. Und das Schicksal unserer Familien", sagte George und gab mir eine Feder.

Ich nickte und verkniff mir die ungefähr einhundert Fragen, die mir auf der Zunge brannten.

Nicht hinterfragen. Einfach hinnehmen!

„Nun denn, komm mit", sagte George und trat in den dichten Nebel. Ich folgte ihm und heftete meinen Blick immer auf seinen schmalen Rücken, der nur noch schemenhaft zu erkennen war.

Mir wäre fast die Frage herausgerutscht, wo genau wir denn hingingen, doch ich konnte mich gerade noch bremsen. Und dann standen wir auf einer Waldlichtung.

George blieb stehen und ich stellte mich neben ihn und sah auf das freie Feld, welches sich vor mir erstreckte.

„Das hier ist der Ort, an dem sich der Kern Lavandias befinden wird. Hier wird ein Palast entstehen, in dem die Königsfamilie leben wird. Von hier werden sie alles beaufsichtigen, Frieden wahren und im Einklang mit der Natur und den Völkern leben..."

Ich sah George an und dann wieder auf die Waldlichtung. Ich versuchte das Bild vom Elfenpalast in dieses Bild zu setzten. Ich suchte Gemeinsamkeiten und merkte gar nicht, wie meine Finger die Feder über das Papier gleiten ließen.

Obwohl ich keine Tinte hatte, schrieb (beziehungsweise in meinem Fall – malte) die Feder. Ich skizzierte grob die Bäume und dann erkannte ich wirklich eine gewisse Ähnlichkeit.

Links von uns war der Fluss, der sich durch die Bäume schlängelte und dann schließlich im Avasee münden würde.

Am Waldrand würde dann ein Weg entstehen, der zur Stadt führte und obwohl ich nichts davon aufs Papier brachte, sondern lediglich die Lichtung mahlte, hatte ich ein genaues Bild im Kopf.

„Was macht ihr hier?! Das ist unser Gebiet!"

Ich zuckte zusammen und sah nach rechts, wo eine Gruppe von Elfen aufgetaucht war.

Ein alter, dennoch gutaussehender Elf hatte sich vor einem anderen Elf aufgebaut und sah ihn drohend an.

„Das sind König Ragon und König Lavander. Sie sind verfeindet, schon seit Jahrhunderten. Und siehst du die zwei Kinder, die ebenfalls dort stehen?"

Ich nickte, während die Feder wie von Zauberhand über das Papier kratzte und die Szene auf dem weißen Papier verewigte.

„Das sind Prinzessin Ava und Prinz Zion. Obwohl ihre Väter sich hassen, ist zwischen den beiden eine tiefe Liebe entstanden, obwohl sie erst zwölf Jahre auf dieser Welt leben. Eine Liebe, die bis zu ihren letzten Atemzügen anhalten wird", erzählte George und ich sah ihn an.

Avaglade - Schicksal von Lavandia (Buch 3)Where stories live. Discover now