Kapitel 2

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Alexander Graf von Helldorf saß in einem großen, braunen Ledersessel vor dem Kamin und schaute in das knisternde Feuer. Vorgestern hatte er noch vor seinem Haus am sonnigen Strand von Koh Samui gesessen und Sabai Sabai getrunken. Einen Cocktail aus Mekhong Whiskey, Limettensaft, Zuckersirup und Thai-Basilikumblättern.

Jetzt saß er, mitten im Winter, im eiskalten Brandenburg und trank Scotch. Von Helldorf ließ die braune Flüssigkeit in seinem Glas kreisen. Die letzten fünf Jahre hatte er auf Koh Samui, einer Insel etwa 35 Kilometer vor dem thailändischen Festland, gelebt. Er hatte dort als Sicherheitsberater für einen reichen Geschäftsmann gearbeitet dem eine Im- und Exportfirma gehörte. Sein Geld verdiente sein Boss Ajeet aber hauptsächlich mit Menschenhandel und Prostitution. Seine Menschliche Ware lieferte er ‚frei Haus' auch bis nach Deutschland, dem ‚Bordell Europas' wie man Deutschland wegen seiner liberalen Gesetzte nannte.

Graf Helldorf roch an seinem Glas. Er roch Zitronenaromen mit Zimtanklängen sowie Noten von Sherry und Rauch. Dann nahm er einen Schluck von seinem 25 Jahre alten Mcallan. Am Gaumen schmeckte er getrocknete Früchte und dezente Holzraucharomen. Ein lang würziger Abgang mit Raucharomen und Noten getrockneter Früchte. Er schüttelte seinen Kopf.

Kurz vor Weihnachten kam dann der Anruf des Familienanwalts. Sein Vater, Inhaber einer der ältesten Privatbanken in Berlin, war plötzlich verstorben. Er musste zurück nach Berlin kommen und mit seinen beiden jüngeren Geschwistern, Judith und Michael, das Erbe antreten. Als ältester bekam er neben einem Drittel der Geschäftsanteile auch den Titel ihres Vaters. Von nun an durfte er sich ‚Herr Graf' nennen. Was für ein Schwachsinn, dachte er.

Er hatte keine Ahnung vom Bankgeschäft. Er war ein Ex-Söldner und seit ein paar Jahren als Sicherheitsberater in der Welt unterwegs. Seine beiden Geschwister dagegen hatten studiert und bereits in der Bank ihres Vaters Karriere gemacht. Was sollte er in Berlin? Etwa den Sicherheitsdienst der Bank leiten? Er hasste Berlin. Zu viele Erinnerungen hingen an dieser Stadt.

Zum Glück gab es noch das Familien-Anwesen, weitab von Berlin, an diesem See in Brandenburg. Von Helldorf liebte dieses alte Haus. Hier hatte er den größten Teil seiner Kindheit und Jugend verbracht. Immer, wenn er für eine kurze Zeit wieder nach Deutschland zurückkam, wohnte er hier.

Er war auch nur unter der Bedingung, dass er der Einzige Eigentümer dieses Hauses wurde, bereit gewesen überhaupt nach Deutschland zurückzukehren. Seine Geschwister willigten sofort ein. Ihnen war das Haus egal. Sie hatten keine Beziehung zu diesem alten Kasten wie sie es nannten.

Der Graf sah aus dem Fenster. Es hatte wieder angefangen zu schneien. Dicke Schneeflocken tanzten vor dem Fenster auf und ab. Hoffentlich kommt der Heizungsmonteur nach Neujahr, dachte von Helldorf. Die Heizungspumpe in dem alten Haus viel immer wieder aus. Deswegen nutzte er zurzeit auch nur das Kaminzimmer und sein Schlafzimmer im ersten Stockwerk.

Den halben Vormittag hatte er damit verbracht sämtliche Heizungsfirmen in der Umgebung abzutelefonieren. An Silvester eine völlig idiotische und aussichtslose Idee. Nach fast drei Stunden hatte er endlich jemanden erreicht der auch bereit war hier heraus zu dem abgelegen Anwesen zu kommen. Zu einem horrenden Preis versteht sich. Aber das war von Helldorf egal. Geld spielte bei ihm keine Rolle.

Er schaute auf die große Uhr die auf dem Kaminsims stand. Es war 18:40 Uhr. Dieses Jahr dauerte keine sechs Stunden mehr. Was das neue Jahr wohl für ihn bereithielt?

Plötzlich hörte Graf Helldorf ein Geräusch. Alte Häuser machten immer Geräusche. Sie knarrten, knarzten und ächzten. Das liebte er vor allem an diesem alten Haus. Dieses Geräusch kam aber nicht von dem Haus selbst. Es kam aus der Küche. Da ist doch Glas zersplittert, ging es ihm durch den Kopf. Von Helldorf horchte auf. Das Schneetreiben vor dem Fenster hatte zugenommen. Oder waren es Einbrecher? Nein, nicht Silvesterabend, nicht bei dem Wetter und schon gar nicht an diesem abgelegenen Ort, dachte er bei sich.

Er stand auf, nahm vorsichtshalber die große Stabtaschenlampe von dem Beistelltisch der neben dem Sessel stand und ging in Richtung Küche. Vielleicht ist bei dem Wind ein Ast in eines der alten Fenster geschlagen, dachte er bei sich. Vor der geschlossenen Küchentür blieb er stehen und horchte. Bis auf den Wind der um das Haus wehte war nichts zu hören. Er wollte gerade die Küchentür öffnen als er wieder ein Geräusch hörte. Da hat doch jemand die Kühlschranktür geöffnet, schoss es ihm durch den Kopf. Von Helldorf schaltete die Taschenlampe ein, stieß die Küchentür auf und leuchtete in Richtung Kühlschrank.

Im grellen Lichtkegel der Stabtaschenlampe erkannte von Helldorf ein Mädchen das vor dem geöffneten Kühlschrank stand und gerade hineingriff. Mit der Taschenlampe in der echten Hand ging er auf sie zu.

„Hey, was hast du in meiner Küche zu suchen? Wie bist du überhaupt hier hereingekommen?", schrie von Helldorf das Mädchen an.

Katja erschrak als sie plötzlich eine laute Stimme in ihrem Rücken hörte und die Küche fast gleichzeitig taghell erleuchtet war. Sie wandte sich um und erblickte den grellen Lichtkegel einer Taschenlampe. Scheiße, jetzt bin ich am Arsch, schoss es ihr durch den Kopf. Reflexartig stach sie mit dem Messer in Richtung des Lichtkegels.

„Ahhh, du verdammte Schlampe!", schrie von Helldorf. Dann holte er mit dem rechten Arm aus und schlug mit der Stablampe gegen den Kopf des Mädchens.

Katja sah den Schlag nicht kommen. Die Stablampe traf sie mit voller Wucht an der Schläfe. Im selben Augenblick wurde ihr schwarz vor Augen und ihre Beine gaben nach. Katja viel der Länge nach auf den gefliesten Küchenboden und verlor die Besinnung.

Versklavt - Die Geschichte der Katja BraunWhere stories live. Discover now