Kapitel 27 "Verfolgungssprung"

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Es heißt immer, dass man schneller wird, wenn man um sein Leben rennt. Man sagt, dass alle Kraft aufs Laufen konzentriert wird und das auch der Grund ist, weshalb man sich vor Angst in die Hosen macht; man vergisst alles andere auf der Welt. Ich konnte das nicht bestätigen. Im Gegenteil, es kam so vor, als würde ich in Zeitlupe rennen, während die Uhren um mich herum ganz normal weiterliefen.

So schnell ich konnte, durchquerte ich den Gang, die Schritte eines Spiegelwesens waren nicht weit hinter mir. Ich konnte sie hören, viel zu schnell, um menschlich zu sein. Vielleicht bildete ich mir das allerdings auch nur ein. Als ich um die Ecke bog, wurde mir klar, dass ich nicht wusste, wohin ich laufen sollte. Meines Wissens nach gab es nur einen Ausgang und ich hatte nicht den blassesten Schimmer, wo sich dieser befand. Hastig schaute ich nach links und rechts; entschied mich dann für links, einfach weil es sich richtig anfühlte.

Möglicherweise könnte ich mich ja verstecken, Zimmer gab es hier ja schließlich genug. Ich blickte auf die Waffe, die ich immer noch in den Händen hielt. Würde sie mir helfen? Ich bezweifelte, dass sich die Spiegelwesen davon abhalten ließen, sonst hätten sie niemals so ein Chaos anrichten können. Aber eine Kugel könnte trotzdem einen Schaden anrichten, der das Wesen lange genug aufhielt, damit ich mich aus dem Staub machen konnte.

Ich wirbelte herum und streckte den Arm aus, dann wartete ich, bis ein silbernes Wesen um die Ecke geschossen kam. Lange wartete ich nicht mit dem Abdrücken. Meine Hand wurde vom Rückstoß zurückgerissen, aber ich hatte ohnehin nur Augen für die Reaktion des Spiegelwesens. Der unwahrscheinliche Fall, dass ich tatsächlich treffen würde, war eingetreten. Allerdings nicht das Herz, auf das ich gezielt hatte, sondern die Schulter.

Für den Bruchteil einer Sekunde spiegelte sich die Kugel selbst in dem Wesen wieder, dann traf sie. Die Patrone verschwand einfach, doch sie verfehlte ihre Wirkung nicht komplett. Die silberne Version von Dwight Sawyer wurde zurückgeworfen, fing sich allerdings schnell wieder auf. Ich versuchte nicht nochmal, ihn aufzuhalten, sondern machte mich wieder daran, möglichst schnell von ihm wegzukommen.

Mal abgesehen davon, dass ich keinen weiteren Glückstreffer landen würde, hatte es offenbar auch keinen allzu großen Zweck. Plötzlich schien die Wahrscheinlichkeit, dass ich heute sterben würde, wieder zum Greifen nahe. Ich bog wahllos in verschiedene Richtungen ab, immer in der Angst, dass der nächste Gang eine Sackgasse sein könnte. Das wäre mit ziemlicher Sicherheit mein Ende. Wo zum Teufel befand sich nur diese Tür?

Hastig blickte ich mich um, in der Hoffnung, die rettenden Tore endlich zu finden. Fehlanzeige. Hinter mir kam das Spiegelwesen den Flur hinunter. Fayola war irgendwann einfach zerlaufen, aber Dwight hinter mir -oder das, was mal sein Spiegelbild gewesen war- schien gar nicht daran zu denken, zu einer Pfütze zu werden. Meine Beine wurden mit jedem Schritt schwerer und ich wusste, dass ich nicht ewig weitersprinten konnte.

Ich konnte aber auch nicht aufhören zu rennen, da das meinen sicheren Tod bedeuten würde. Noch einmal warf ich einen Blick zurück und fragte mich, ob ich eine Chance hatte. Wenn ich doch bloß endlich den Ausgang finden würde! Ich wusste zwar noch nicht genau, wie mir das helfen sollte, aber ich hatte das Gefühl, draußen könnte ich tatsächlich entkommen. Im Laufen riss ich möglichst viele Türen auf, die meinem Verfolger Sicht und Weg versperren sollte.

Ich vermutete zwar, dass ihn das kaum aufhalten würde, aber der Versuch allein zählte. Die nächste Abzweigung stimmte. Ich sah es bereits, als ich abbog. Endlich hatte ich den richtigen Gang erwischt. Ich schlitterte über den Boden, stolperte fast, fing mich aber wieder auf. Inzwischen hatte ich meinen Vorsprung soweit ausgebaut, dass ich noch einen Blick zurück riskierte. Sonderlich weit abgeschlagen war Dwight nicht, maximal 20 Meter.

Mit rasendem Herzen rannte ich weiter, auf die breite Tür zu. Verschlossen. Wütend trat ich dagegen, als sie sich auf mein Rütteln hin nicht öffnete. Da ich wusste, wie dicht mein Verfolger gekommen war, zögerte ich nicht lange. Ich hob die Pistole und zielte auf das Schloss. Diesmal war ich auf den Rückstoß eingestellt, aber meine Hand zitterte so stark, dass ich trotzdem leicht verzog. Abermals zerrte ich an der Türklinke und diesmal öffnete sie sich.

Reflektionen (Ross Lynch/R5)Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang