06 - Als wir in die Sterne blickten

83 19 12
                                    

Ich war nicht mehr allein mit meinem Geheimnis und das fühlte sich verdammt gut an. Ich hatte es jemandem offenbart, es Flo offenbart, der nun mein Vertrauter, fast schon mein Verbündeter, war. Wenn ich verwirrt war, erst das Gefühl hatte, du gäbst mir Zeichen, und dann wieder nicht, konnte ich mit ihm reden und mich von ihm trösten lassen. Manchmal machte Flo dumme Anspielungen, für die ich ihn hätte töten können, aber so sind Freunde nunmal.

Hattest du auch so jemanden zum Reden? Ich habe dich das während unseres Sommers nie gefragt, es ist mir einfach nicht in den Sinn gekommen. Ich habe so verdammt viel nicht gefragt und gesagt, das ich hätte fragen und sagen sollen, einfach weil ich dachte, wir hätten noch so viel Zeit.

Als die Party war, und auch noch danach, sah es ja auch so aus. Als bliebe uns Zeit, meine ich.

Ich weiß noch zu gut, wie überrascht du warst, als Eli dich zu ihrer Geburtstagsparty einlud. Und wie Flo lachend meinte, der einzige Grund dafür wäre, dass du mit mir befreundet warst. Und vermutlich hatte er recht, Eli und ich waren schließlich vier Jahre lang beste Freundinnen gewesen und trafen uns auch damals noch regelmäßig zum Quatschen. Vielleicht wollte sie mir einfach einen Gefallen tun, indem sie dich einlud, da Flo schon abgesagt hatte und sie nur zu gut wusste, dass ich mich mit den anderen Gästen nur so mäßig gut verstand. Ob das wirklich Elis Absicht war oder nicht, ich war ihr in dem Moment sehr dankbar dafür. Und im Nachhinein noch viel mehr.

Ich weiß nicht genau warum, aber ich war vor der Party unfassbar aufgeregt. Vielleicht hatte mein Unterbewusstsein die Ereignisse des Abends schon genauestens geplant und mir bloß nichts davon mitgeteilt.

Ich war vor dir dort, gratulierte Eli zum Geburtstag, holte mir ein Bier und unterhielt mich mit ein paar Leuten. Doch eigentlich wartete ich nur auf dich.

Und dann kamst du endlich. Ich stand gerade mit Eli zusammen, als du durch die Tür tratst und sie verschluckte sich fast an ihrem Getränk.

„Wow, ist das krass", wisperte sie mir ins Ohr, bevor sie auf dich zulief, um dich zu begrüßen. Und sie hatte Recht. Warum hast du dir für diese Party die Haare geglättet? Es sah nicht schlecht aus, bestimmt nicht, aber noch weniger sah es nach dir aus.

Ich muss sagen, ich habe Elis Geburtstagsparty als wirklich langweilig in Erinnerung. Mit schlechter Musik, sodass niemand tanzte, und billigem Alkohol, an dem sich wie immer alle betranken. Wir saßen nur zu zweit in einer Ecke, unterhielten uns über alles mögliche und wurden von den anderen geflissentlich ignoriert.

Bis Dancing Queen kam. Eigentlich mochte ich das Lied nicht, aber du hast es so sehr geliebt, dass ich auch anfing es zu lieben. Ich liebe es immer noch. Es erinnert mich so sehr an dich.

Du sahst mich grinsend an, sprangst auf und zogst mich auf die Füße. Und dann tanzten wir, schlecht und lachend, und du sangst lauthals den Text mit. Waren wir wirklich die einzigen, die tanzten, oder kam es mir nur so vor?

Als das Lied vorbei war, war ich völlig außer Puste und deinen knallroten Wangen nach zu urteilen ging es dir nicht anders.

„Lass uns nach draußen gehen", schlug ich vor.

Du nicktest. „Ich hol mir vorher noch ein Bier."

Draußen ließ ich mich ins kühle Gras fallen und lehnte mich an die Hauswand. Du setztest dich neben mich und drücktest mir eine Flasche in die Hand.

„Prost." „Prost." Das leise Klirren der Flaschen beim Aneinanderstoßen war das letzte Geräusch vor einer Stille, in der man nur gedämpft die Musik und das Lachen der anderen hörte.

Ich betrachtete dich aus dem Augenwinkel, wie du den Kopf an die Wand gelehnt hattest und in den klaren Nachthimmel blicktest. Das Weiße in deinen Augen leuchtete in der Dunkelheit fast so hell wie die Sterne, bloß viel größer, und erlosch nur für einen winzigen Moment, wenn du blinzeltest.

„Wusstest du, dass die ganzen Sterne, die wir sehen, Millionen von Lichtjahren entfernt sind?", brachst du das Schweigen zwischen uns. „Die Sterne könnten schon längst verloschen sein, aber trotzdem sehen wir sie noch, weil ihr Licht so lange zu uns braucht. Wenn wir uns den Sternenhimmel angucken, blicken wir in die Vergangenheit, Sanne."

ich nickte, obwohl du mich eh nicht ansahst. „Was meinst du, wie viele andere Planeten wie die Erde gibt es da draußen?"

Du zucktest mit den Schultern. „Unendlich viele. Das Universum ist ja auch unendlich groß."

„Weißt du, Juli, ich frage mich immer, wie sich etwas, das unendlich groß ist, ausdehnen und noch größer werden kann."

„Keine Ahnung. Die Idee, das etwas unendlich ist, macht mir irgendwie Angst. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen."

Wir verfielen wieder in Schweigen, bis ich leise kicherte.

„Was ist?"

„Wenn eine von uns ein Typ wäre, könnte das jetzt glatt eine Szene aus irgendeinem richtig kitschigen Liebesfilm sein", erklärte ich.

Jetzt drehtest du den Kopf und sahst mich an. „Warum müssen es immer ein Junge und ein Mädchen sein?"

Ich träume von SommerWhere stories live. Discover now