13 - Als ich dir vor die Füße kotzte

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Ich glaube, in dieser Nacht vergaßen wir alle, dass dein Geburtstag war. Dass du bald weg zogst. Es existierte nichts mehr, nur wir drei an diesem See im Wald. Alles fühlte sich surreal an, auch, als wir in der Morgendämmerung wieder zurück nach Hause liefen. Anders als wenige Stunden zuvor schwiegen wir alle, vermutlich wollte niemand die Magie dieser Nacht zerstören.

Dich brachten wir als erstes nach Hause. Du lächeltest dein kleines Juli-Lächeln, gabst mir einen Kuss und Flo eine Umarmung und klettertest zurück in dein Zimmer. Bevor du das Fenster zuzogst, sprachst du die ersten Worte, die seit Stunden zwischen uns fielen.

„Das war magisch."

Als ich mich daheim auf Zehenspitzen in mein Zimmer zurück schlich, blinzelte draußen die Sonne bereits über die Dächer der Nachbarhäuser. Schlafen gehen lohnte sich nicht mehr.

In der Schule konnte ich eindeutig erkennen, dass ihr derselben Auffassung gewesen wart; wir kamen den ganzen Tag nicht aus dem Gähnen heraus.

Am Abend trafen wir uns wie so oft bei Flo, um aneinandergekuschelt auf seinem Vordach zu sitzen und die deine Geschenke zu geben. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, was es war, ich weiß bloß noch, wie viel mehr du dich über Flos freutest als über meines. Doch ich schluckte meine Enttäuschung hinunter. Ich wollte kein Theater machen, schließlich war doch dein Geburtstag.

Du hattest dich entschieden, nicht groß zu feiern, zumal am folgenden Abend die große Party stattfand, die dieses eine Mädchen (wie hieß sie nochmal? Lisa? Lotta? Irgendwas mit L zumindest) jedes Jahr gegen Ende des Schuljahres schmiss. Es war meistens ziemlich legendär und sie lud immer den ganzen Jahrgang ein, egal, ob sie die Leute näher kannte oder nicht.

Ich kam an diesem Freitag zu dir, um uns gemeinsam ein wenig aufzuhübschen. Wir hörten zu laut Musik, lachten und aßen zu viele Chips. Weil Bernie auf meine Bluse sabberte – gibt es diese flauschige Bestie von Hund eigentlich noch? - musstest du mir ein Oberteil leihen.

Ich weiß noch, wie sehr wir uns auf diese Party freuten und wie fürchterlich sie im Nachhinein war.

Ich weiß noch, wie ich dich gleich zu Anfang aus den Augen verlor, weil Eli sich direkt auf mich stürzte. Sie war schon nicht mehr so wirklich nüchtern und entschuldigte sich überschwänglich dafür, mich eine Woche zuvor derart angefahren zu haben. Ich hatte alle Mühe, sie zu beruhigen und versprach, ihr niemals wieder etwas derart wichtiges vorzuenthalten. Dann verschwand sie wieder Richtung Haus und ich fühlte mich etwas verloren. Sowohl du als auch Flo waren wie vom Erdboden verschluckt.

Ich weiß noch, dass ich an diesem Abend viel zu viel trank. Niemand hielt mich davon ab und ich selbst merkte es nicht so wirklich, bis es zu spät war. Ich war noch nie betrunken gewesen, doch nun fing alles an, sich um mich zu drehen und ich hatte das Gefühl, in Traurigkeit zu ertrinken. Darüber, dass du bald nicht mehr da sein würdest. Darüber, dass ich mich immer noch nicht getraut hatte, meinen Eltern von uns zu erzählen. Darüber, dass ich fürchterliche Angst hatte, du würdest mich vergessen. Darüber, wie sehr ich dich vermissen würde.

Und dann warst du plötzlich da, fragtest mich besorgt, ob es mir gut ginge, und meine Traurigkeit schlug in Wut um, einfach so. Dein Gesicht verschwamm vor meinen Augen und ich spuckte dir Worte hinein.

Ich kotzte mich aus, zunächst sprichwörtlich und dann buchstäblich, direkt vor deine Füße.

„Es tut mir Leid", murmelte ich jämmerlich, doch du drehtest dich um und marschiertest davon.

Ich weiß nicht mehr, was ich dir damals ins Gesicht schrie; es hat mir nie jemand erzählt. Aber glaub mir, Juli, ich weiß, dass es dich verletzte. Und es tut mir Leid, damals wie heute.

Es tut mir Leid.

Ich träume von SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt