09 - Als wir im Regen tanzten

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Als ich am Montagmorgen in die Schule kam, begrüßte Flo mich mit den Worten: „Du siehst aus, als wäre Elis Geburtstag deutlich besser gewesen als die Firmung meiner Cousine. Was hab ich verpasst?"

Ich stieß ihm lachend einen Ellenbogen in die Seite. „Wie war die schrullige Verwandtschaft denn so drauf?"

„Frag einfach nicht", grinste Flo und verdrehte die Augen. „Ich weiß nicht, wie das geht, aber meine Tante ist echt noch esoterischer geworden. Hat mir und Chris die ganze Zeit irgendwas von unserer Aura erzählt und wie wir die bereinigen können und so ein Kram. Ach, und meine andere Cousine hat ihren Freund mitgebracht. Komischer Typ, sag ich dir..."

Flo sprach noch weiter, doch ich hörte nicht mehr hin, denn du kamst über den Hof auf uns zu. Mein Magen kribbelte noch mehr als so schon immer bei deinem Anblick, wenn das überhaupt möglich war, und ich spürte, wie ich grinsen musste. Als du mich sahst, fingst auch du an zu lächeln, was mein Herz hüpfen ließ.

„Hey", unterbrachst du Flos Redeschwall, was dieser mit einem knappen Kopfnicken erwiderte. Dann sah er unser beider leicht verblödetes Grinsen und runzelte die Stirn. Verwirrt blickte er zwischen uns hin und her und fragte: „Hab ich was verpasst?"

Ich konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete; dann schien er zu verstehen, denn seine Augen weiteten sich überrascht.

„Nein", sagte er und dann noch einmal, „nein. Oh mein Gott, da bin ich einmal weg und dann..."

Er lachte und nun schautest du so verwirrt, dass auch ich kichern musste.

„Ich bin informiert", klärte Flo dich auf. „Also über die aktuellsten Ereignisse noch nicht, aber das können wir ja ändern, oder? Was haltet ihr von Giovanni nach der Schule?"

„Gute Idee", antwortete ich und du nicktest bloß, ein bisschen sprachlos.

Der Nachmittag in Giovannis Eisdiele wurde so, wie sie immer waren. Wir redeten, lachten und aßen viel zu viel Eis, weil Giovanni uns immer seine Stammkundenpreise anbot.

Flo erzählte mir später, dass er ein bisschen Angst hatte, dass sich etwas ändern würde, wenn wir beiden zusammen kämen. Doch dieser Nachmittag nahm im diese Furcht; der einzige Unterschied zu sonst war, dass du unter dem Tisch deine Finger mit meinen verschränktest.

Als Flo sich recht früh auf den Weg nach Hause machte, weil er auf seine kleine Schwester aufpassen musste, fragtest du mich, ob wir noch eine kleine Runde durch den Wald drehen wollten. Natürlich wollte ich, denn Zeit mit dir zu verbringen war hundertmal besser als Hausaufgaben zu machen.

Giovanni verabschiedete uns zwinkernd und wir machten uns auf den Weg. Eine Weile liefen wir schweigend nebeneinander her, genossen die Stille und das Gefühl des Zusammenseins. Die Luft war warm und schwül und meine Hand furchtbar schwitzig und doch wollte ich deine nicht loslassen. Du offensichtlich auch nicht.

Irgendwann sahst du mich von der Seite an und sagtest: „Ich könnte ewig so weiterlaufen."

„Ich auch", antwortete ich und blieb stehen, um dich zu küssen.

Wenn ich jetzt die Augen schließe, kann ich es alles noch fühlen, Juli. Ich kann spüren, wie weich deine Lippen auf meinen waren, wie seltsam vertraut warm deine Zunge, wie seidig sich deine Haut unter meinen Fingern anfühlte und wie wundervoll deine Hände in meinen Haaren. Ich kann spüren, wie überraschend und kalt die ersten Tropfen auf meiner Haut waren. Ich kann genau vor mir sehen, wie die Sommersprossen auf deinen Wangen tanzten, als du lachend in den Himmel sahst und dein Gesicht dem Regen entgegen strecktest.

Du liefst los und zogst mich an der Hand mit. Hüpfend und lachend rannten wir durch den immer dichter werdenden Regen. Mitten in einer Pfütze strecktest du plötzlich deine Arme aus und wirbeltest herum, so schnell, dass deine vom Wasser dunklen Haare sich wie ein Fächer um dich ausbreiteten.

Nach ein paar Minuten kamst du außer Atem auf mich zugetorkelt und hieltst dich an mir fest.

„Mir ist schwindelig", kichertest du und ich lachte nur als Antwort.

Wir standen einfach nur da in dem kühlen Frühsommerregen, bis du dich wieder etwas gefangen hattest.

„Hoffentlich erkälten wir uns nicht", sagte ich und du flüstertest: „Du denkst zu viel!", bevor du mich küsstest.

Dann dachte ich gar nicht mehr.

Ich träume von SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt