11 - Als du Neuigkeiten hattest

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Es war gut und gleichzeitig fürchterlich.

Gut, weil wir uns nicht mehr zu verstecken brauchten. Weil ich deine Hand nehmen konnte, wann immer mir der Sinn danach stand, ohne darüber nachzudenken, was die anderen denken mochten. Sie wussten es ohnehin.

Fürchterlich war es wegen der Blicke, der Bemerkungen. Natürlich gab es Leute, denen es egal war, dass zwei Mädchen einander liebten, aber auch ebenso viele, die es störte. Am angenehmsten war noch das Unverständnis einiger, aber manche machten abfällige oder anzügliche Bemerkungen und das machte mich krank. Genauso schlimm war das Geflüster und die Blicke, die sie uns zuwarfen. Störte es dich wirklich nicht oder konntest du es nur gut verbergen?

Am Montagmorgen eine Woche später nahm Eli, welche die letzte Woche über mit ihrem Deutschkurs unterwegs gewesen war, beiseite.

„Ich hab Gerüchte gehört, Susi. Was ist da dran?"

„Was für Gerüchte?", fragte ich, obwohl ich es genau wusste. Das war auch Eli klar.

„Tu nicht so. Wie lange geht das schon?", zischte sie.

Ich inspizierte meine Hände. „Seit ungefähr einem Monat."

Eli starrte mich fassungslos an. „Und du hast mir nichts gesagt?", fragte sie gefährlich leise. „Es passiert etwas so wichtiges in deinem Leben und du erzählst mir nichts? Ich dachte, wir wären Freunde!" Die letzten Worte schrie sie fast. Und bevor ich mich verteidigen konnte, drehte Eli auf dem Absatz um und marschierte davon.

Ich fühlte mich furchtbar, denn irgendwie hatte sie ja recht. Es war unfair, ihr, die sie immer zu mir gehalten hatte, die mir so manches Geheimnis anvertraut hatte, nichts von uns zu erzählen. Aber konnte sie denn nicht verstehen, dass ich Angst hatte, sie könnte mir die gleiche Ablehnung entgegenbringen, die wir vom halben Jahrgang zu spüren bekamen?

Der Tag fing also nicht gerade gut an und er wurde auch nicht besser.

In Spanisch bekamen wir eine Klausur zurück, die alles andere als erfreulich gelaufen war. Obwohl ich nicht so mies dran war wie Flo oder Eli, welche mich wie Luft behandelte, war ich doch enttäuscht von meinem Ergebnis.

Als ich dich in der Pause sah, war mir sofort klar, dass etwas nicht stimmte, das weiß ich noch. Die Art wie du dort saßt, nach vorn gesunken, aber nicht über ein Buch gebeugt, einfach nur mit hängendem Kopf.

Flo erreichte dich zuerst und schlang dir einen Arm um die Schultern.

„Was ist los, Sonnenschein? Es sind nur noch anderthalb Wochen bis zu den Ferien, also was könnte es für einen Grund geben, so ein Gesicht zu ziehen?", fragte er fröhlich.

Du fuhrst dir mit beiden Händen übers Gesicht und richtetest dich auf.

„Ich erzähl es euch nachher, okay?"

Flo und ich wechselten einen Blick, so neben der Spur hatten wir dich noch nie erlebt. Doch keiner von uns beiden drängte dich, das hatte bei dir noch nie zu etwas geführt. Und so hing deine bevorstehende Erklärung wie eine riesige Gewitterwolke über dem Rest des Schultages.

Als wir bei Giovanni jeder schweigend vor seinem Eisbecher saß und du nur lustlos mit dem Löffel in deinem geliebten Himbeereis herumrührtest, hielt ich es nicht mehr aus.

„Juli. Spuck's aus. Was ist los?"

Du legtest deinen Löffel ab, holtest tief Luft und sagtest: „Wie ziehen weg."

„Was?", stieß Flo aus und ich starrte dich nur an.

Du nicktest, fast wirktest du erleichtert, es endlich gesagt zu haben. „Mein Vater wurde nach Düsseldorf versetzt und er will natürlich nicht ohne uns dahin."

Alles in mir zog sich zusammen und ich konnte nur ein einziges Wort hervorwürgen.

„Wann?"

Dein Blick nahm mir sofort die Hoffnung, wir könnten noch Zeit haben.

„In einem Monat."

Ich träume von SommerWhere stories live. Discover now