Chapter 38

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Kleiner Texthänger

Eine winzige Szene kam nun als nächstes und gleich nach der, die über alles gefürchtete Kussszene. Am liebsten wäre ich weggerannt, aber das konnte ich nicht tun. Hinter diesem Projekt stecken so viele junge Menschen und eine Menge Arbeit, sowas konnte nicht an meiner Dummheit leiden. Dass ich eine Dramaqueen war wusste jeder der mich länger als zehn Minuten kannte. Dies war für mich eine der grössten Sachen der Welt. Lieber hätte ich mich nochmal von Leon getrennt als Lian heute und hier zu küssen.

«Du schiebst jetzt nicht erneut Panik?», erschreckte mich Fenna. Wütend riss ich ihren Arm von meiner Schulter. «Was machst du hier? Du solltest jetzt eigentlich im Publikum sitzen und hoffen, dass deine Freundin eine ausgezeichnete Show abliefert», meckerte ich rum, doch meine beste Freundin biss nur in ihren Apfel. «Woher hast du den überhaupt?», zischte ich und ihr grinsen wurde breiter. «Hab ich von eurem kleinen Buffet geklaut.» Dieses kleine Buffet was sie meinte, war eigentlich für alle Gäste gedacht. Jeder der Zuschauer sollte am Ende des Stückes ein Getränk und etwas kleines zu essen bekommen. Dass Fen hier etwas stibitzt war natürlich nicht geplant gewesen.

«Habt ihr übrigens süss geschmückt den Tisch», lobte sie die Arbeit. «War ja auch als Abschluss gedacht und als danke, an alle die gekommen sind», klärte ich sie auf. «Achsooo!", rief Fenna, «und ich dachte ihr lebt hinter den Kulissen das Leben von Millionären.» Verständnislos sah ich sie an und schüttelte meinen Kopf. «Millionäre weil wir Essen haben?», hakte ich unglaubwürdig nach. «Ehj auf diesem Tisch befanden sich sogar mit Schokolade gefüllte Kekse. So runde braune Dinger voll mit dunkler Schokolade», schwärmte sie.

«Ja danke Fen, aber ich weiss wie ein Keks aussieht», meinte ich etwas kokett. «Du weisst wie ein gewöhnlicher Keks ausschaut, aber nicht ein gefüllter», johlte sie rum und zog zwei Kekse aus ihrer kleinen beigen Tasche. «Du hast einen Schaden.» Sie nickte und gab mir einen Kuss auf die Wange. «Deine Lippen sind nass», wies ich sie hin und Fenna zeigte auf ihren Apfel. «Ist Apfelsäure du Huhn.» Laut stiess ich Luft aus meinem Mund und legte meinen Kopf in den Nacken. Dabei bemerkte ich wie unschön die Decke war. An einigen Stellen sah alles nach einer gewöhnlichen weissen Wand aus, aber an anderen Stellen sah man Röhren und silbrige Dinger die mich an Lutschbonbons erinnerten. "Sieh da nicht hoch, sonst bekommst du Augenkrebs", lachte Fen. "Ich habe mich sowieso die ganze Zeit gefragt, wie du es hier drinnen so lange ausgehalten hast", bemerkte sie dann noch. "Es ist alles ziemlich alt aus", stimmte ich zu und sah mich um. Die Halle war gross und man konnte sie für vieles benutzen, aber neue Farbe und eine Renovation würde ihr bestimmt nicht schaden. Seit ich denken kann führte die Schule alles mögliche hier auf. Ob es Filme waren, kleine Projekte, Chemiewettbewerbe oder andere grössere schulische Veranstaltungen, unsere Schule nutze diesen Ort für so ziemlich alles. 

"Bald bist du dran", erinnerte mich Herr Vries, der nun auch hinter die Bühne gekommen war. Fen grinste mich von der Seite an: "Oh ja, gleich küsst die kleine Richelle ihren Lian." Ich war kurz davor sie zu beleidigen und zurechtzuweisen, aber dann ging das Licht auf der Bühne aus und ich wusste, dass ich jetzt dran war. Ich wippte von einem Bein zum anderen und wollte mit meiner Hand nach der von Fenna greifen, aber die war schon wieder verschwunden. Ein Apfelkern lag auf dem Boden und einpaar Krümmel von ihren gefüllten Keksen. Die Schüler, die gerade jetzt auf der Bühne waren kamen hinter die Kulissen und streiften mich. Auf der anderen Seite sah ich Lian, wie ehr seinen Umhang umband und sich durch die Haare ging. Ob er auch aufgeregt war, oder ob er das Ganze lässig sah? Ruhiger als ich würde er das sowieso machen, aber ob er sich auch so viele Gedanken gemacht hatte wie ich? "Bestimmt nicht", flüsterte ich mir selber zu und sah weg. Alle vom Bühnenbild platzierten die Requisiten und gaben dann ein Zeichen. Sobald das Klatschen von Noah ertönte mussten wir auf die Bühne und dann ging auch schon der rote Vorhang auf.

Ich als Jana lief zu dem langen Tisch, der in der Mitte der Bühne stand und sah zum Publikum. Ihr Prinz war noch nicht da und die junge Frau wartete angespannt auf ihn. Das angespannte und nervöse Gefühl musste ich nicht mal spielen, denn ich fühlte mich momentan genau so. Wobei Herr Vries gesagt hatte, dass wir ganz locker sein sollten und nicht zuviel über den Text und das Publikum nachdenken. Die Anzahl der Gäste machte mir persönlich nichts aus. Ich wusste jedoch, dass Lian Lampenfieber hatte und deswegen möglicherweise etwas unsicher oder gar fipsig war.

"Jana, du bist schon hier", hörte ich jetzt seine Stimme und drehte meinen Kopf in seine Richtung. "Ja, Rosalinde hat mich hereingelassen", erzählte ich ihm und lief einen Schritt vom Tisch weg. Rosalinde war die Haushälterin und wurde von einer Austauschschülerin gespielt. Das Mädchen kommt ursprünglich aus Frankreich und ist für ein Jahr bei uns. "Gut, das ist sehr gut. Wir müssen uns unterhalten", plapperte er los und kam Jana näher. "Es kann so nicht mehr weitergehen", sagte er dann und ich runzelte die Stirn. Nicht etwa weil ich musste, sondern weil Lian einen Satz sagte, der so nicht im Drehbuch stand. Ich wartete einfach kurz und dachte, er hätte improvisiert. Ein Texthänger war nicht tragisch, das Publikum wusste nichts und solange ich gut mitspielte, würde auch keiner etwas merken. Doch dann sprach Lian weiter und brachte mich total aus dem Konzept. Kein einziges Wort das nun aus seinem Mund kam war so geplant gewesen. Ich versuchte ihm Zeichen zu geben, aber er schien total in seinem Element zu sein, auch wenn er vergass, dass ich nicht involviert war. Wenn er eine neue Idee gehabt hätte, dann hätte er mir doch davon erzählt?


Be my Girlfriend  Where stories live. Discover now