11 | Renesmee

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Alle saßen irgendwo im Wohnzimmer verteilt. Alice kam lächelnd ins Zimmer, und hielt eine Vase in der Hand. Auf einmal stockte sie. Ihre Pupillen vergrößerten sich, und sie warf ihren Kopf in den Nacken. Die Vase fiel wie in Zeitlupe auf den Boden, und zerbarst.
Sofort sprang Jacob auf, und rannte zu Alice. Während er ihre Schultern streichelte, zitterte sie, und ihr Blick war leer.
„Sie greifen uns an", sagte sie, und bestätigte damit Carlisles Befürchtung, dass die Volturi uns angreifen würden.
Aller Stimmung verdüsterte sich, und wir begannen zu planen, was wir dagegen unternehmen könnten.
In den nächsten Tagen hatten Jacob und ich keine Zeit, uns um unseren Deal zu kümmern. Wir empfanden es als respektlos und lächerlich, uns in einer so ernsten Situation mit solchen unwichtigen, irrelevanten Dingen zu beschäftigen.
Als es das erste Mal schneite, wuselten wir alle aufgeregt im Haus herum. Durch Alice Vision haben wir erfahren, dass der Angriff der Volturi auf der Wiese, die mit viel Schnee bedeckt war, stattfinden würde. Zum Glück war es noch nicht soweit, dass der Schnee liegen bleiben würde.
Emmett, Esme, Jasper und Carlisle machten sich auf den Weg, jagen zu gehen. Natürlich hatte ich mitkommen wollen, aber Jacob hatte mich dazu überredet, zu bleiben. In letzter Zeit hatte sich eine innige Freundschaft zwischen uns entwickelt. Wir waren uns sehr ähnlich. Wir waren sogar schon an dem Punkt, an dem Jacob keine Witze mehr über mich als Vampir machte, weil er wusste, dass ich es mittlerweile verabscheute Vampir zu sein, und mich ohne Jasper wahrscheinlich umbringen lassen wollen würde.
Wieder saßen wir alle im Wohnzimmer. Dort verbrachten wir die meiste Zeit, weil Bella dort war, und sich nicht bewegen konnte.
Heute war für sie wieder ein besserer Tag. Ihr Gesicht war nicht ganz so bleich wie sonst, und ab und zu huschte ein minimales Lächeln über ihre Lippen.
Als ihr Becher voll mit Blut hinunterfiel, wollten alle danach greifen. Doch Bella war schneller. Sie beugte sich hinunter, und dann passierte es. Ein markerschütterndes „Skratsch", ertönte, und ich verzog bitter mein Gesicht. Alle griffen gleichzeitig nach Bella, als sie fiel, und Edward konnte ihren Kopf, kurz bevor er auf dem Boden aufschlug, stützen.
Keiner sagte etwas, der Schock war zu groß. Edward und Jacob trugen Bella in Carlisles Behandlungsraum. Alice, Rosalie und ich stürmten hinterher.
„Wir müssen sie aufschneiden. Rettet das Baby!", brüllte Rosalie.
„Ich rufe Carlisle an", sagte Alice, und verschwand im nächsten Zimmer.
„Du musste sie verwandeln", wandte sich Jacob grimmig an Edward.
Alice kam wieder. „Carlisle sagte wir sollen einen Kaiserschnitt machen. Und Edward soll sie verwandeln. Lilly weiß wie ein Kaiserschnitt geht. Richtig professionell, meine ich".
Und das war der Moment, in dem aller Augen auf mich gerichtet waren.
Carlisle hatte mich den Kaiserschnitt einmal an einem echten Patienten üben lassen. Das war das erste Mal, dass ich so etwas Riskantes an einem echten Patienten machen durfte, normalerweise durfte ich nur Blut abnehmen und Zuschauen. Ich hatte nie verstanden, wieso Carlisle das erlaubt hatte. Bis heute.
Unsicher schaute ich in die Runde.
Edward drückte mir unsanft ein Skalpell in die Hand.
„Wenn du das versaust, bringe ich dich eigenhändig um".
Ich schluckte.
„Lass sie doch einmal in Ruhe! Denkst du, es hilft ihr, wenn du ihr noch mehr Angst machst?", fuhr Jacob ihn an.
Ich konnte an seinen wässrigen Augen erkennen, dass Bella ihm immer noch sehr viel bedeutete, auch wenn er nicht mehr verliebt in sie war.
Das Skalpell in meinen Händen zitterte unkontrolliert. Alles um mich herum verschwamm, und ich nahm nur noch Bella war. Wie sie, so wie ich, zitterte, und ihre tränenden, von tiefen Augenringen unterlaufenen Augen, hilflos nach Blickkontakt suchte.
„Holt es raus. Sofort", bibberte sie.
Ich holte tief Luft. „Ich hole es hinaus. Keine Sorge".
„Moment – was ich mit dem Blut?", fragte Jacob, und sah mich skeptisch an.
„Ich halte das aus. Hoffe ich".
„Nein, verdammt! Du wirst. Meine. Bella. Nicht. Töten", brüllte Edward.
„Werde ich auch nicht. Das ist deine Aufgabe", fuhr ich ihn an.
Alle im Raum erstarrten, außer Bella, die weiter zitterte.
„Du musst es sofort tun, Lilly", schrie Alice, die sich die Schläfen rieb.
Ich nickte. Sie hatte meine Zukunft gesehen, auch wenn sie die des Babys nicht sehen konnte.
Also setzte ich das Skalpell dort an, wo ich es gelernt hatte. Ich drückte zu, und zog die Klinge quer über ihren Bauch. Das Blut spritzte.
„Bringt sie weg", schrie Edward.
Erstaunt sah ich ihn an. Er sah nicht mich, sondern Rosalie an. Sie wollte sich auf Bella stürzen. Alice war schon längst nicht mehr da.
Jetzt waren wir nur noch zu viert – nein, zu fünft.
Jacob, Edward, Bella, das ungeborene Baby, und ich.
„Verdammt, ich komm nicht durch. Die Haut ist zu dick", murmelte ich.
Das Blut spritzte und spritzte. Beim Versuch, die Haut zu zerschneiden, traf ich eine Vene. Ich öffnete meinen Mund – und Blut spritzte hinein. Edward sah mich schockiert an, und Jacob ergriff meine in der Luft hängende Hand.
Ermutigend sah er mich an.
Ich war kurz davor, ohnmächtig zu werden, auch wenn ich nicht einmal wusste, ob das als Vampir möglich war. Der Geschmack des Blutes in meinem Mund war unerträglich.
„Wasser. Spül. Das. Blut. Raus".
Edward nickte, und holte einen Becher mit Wasser, als hätte er ihn schon vor Stunden hergerichtet.
Dankbar nahm ich ihn entgegen, und gurgelte ewig herum. Danach spuckte ich das Wasser einfach auf den Boden. Für Hygiene hatte ich jetzt keine Zeit.
Edward biss in Bellas Bauch. Auch er hatte Blut im Mund, und griff verzweifelt nach dem Becher. Ich reichte in ihm, bemüht, ihn nicht überschwappen zu lassen.
Einstweilen sah ich in Bellas Bauch hinein. Erleichtert stellte ich fest, dass mein Schnitt sauber war. Edward hatte die Haut erfolgreich durchgebissen, und ich konnte das Baby sehen.
Ich griff hinein, und zog es vorsichtig hinaus. Es war ein Mädchen.
Liebevoll betrachtete Edward es, doch er riss sie mir nicht aus der Hand. Er hatte es verdient seine Tochter in den Händen zu halten.
Ich nickte ihm lächelnd zu. Das erste Mal, seit ich ihn kannte, lächelte auch er mir zu, und las meine Gedanken. Dankbar nahm er Renesmee entgegen, und in dem Moment war er bloß ein frischgebackener, überglücklicher Vater, und nicht ein egoistischer Vampir.
Ich wollte gerade den Raum verlassen, während Bella ihre Tochter auf dem Arm hatte, als Bella zu würgen begann. Kurz darauf wurde sie ohnmächtig.
Renesmee begann zu weinen, und Edward überreichte sie Rosalie, die gerade gekommen war.
„Sie hat keinen Puls", wimmerte Jacob.
Edward stöberte in einer Lade nach etwas, und zog eine Spritze hervor. Er jagte sie in Bellas Brust, und drückte den Kolben hinunter.
„Mein Gift", erklärte er auf Jacobs und meinen fragenden Blick hin.
Er biss Bella an jeder erdenklichen Körperstelle, während Jacob Bellas Herz massierte.
„Lass mich mal", sagte ich, und Jacob trat beiseite. Er war schon erschöpft.
Nach einigen Minuten schüttelte ich den Kopf.
„Wir können sie jetzt medizinisch nicht mehr retten. Es tut mir so leid. Die einzige Möglichkeit ist die Verwandlung".
Edward sackte auf einem Sessel zusammen, während Jacob sich niedergeschlagen gegen die Wand lehnte.
Carlisle und Jazz kam in das Zimmer gestürmt.
Als sie mich erblickten, erstarrten sie. Verwundert sah ich an mir herab, und auch mich traf der Schlag.
Meine weiße Bluse war nicht mehr weiß, sie war rot. Überall klebte Blut, sogar auf meinen Lippen, über die ich mit meinen immer noch zitternden Fingern strich.
Ich sah zu Carlisle, und schwankte leicht hin und her, sodass er mich auffangen musste.
Carlisle runzelte die Stirn, und schaute mich besorgt an.
„Was du gemacht hast, war fast unmöglich. Du kannst unbeschreiblich stolz auf dich sein", sagte er.
„Ich hab sie umgebracht!", schrie ich, und schlug um mich.
Die Person, von der ich es am letzten erwartete, tröstete mich.
„Nein, hast du nicht. Diese Schwangerschaft hat sie umgebracht. Und wenn es auch nur eine winzige Möglichkeit gibt, dass sie das überlebt, dann ist das dir zu verdanken", sagte Edward.
Ich starrte ihn an, und Carlisle ließ mich wieder los.
Edwards Worte hatten mir geholfen, wie mir nichts anderes helfen hätte können. Aber dennoch war ich fertig mit den Nerven. Ich gab der Schwäche, die von meinem Körper Besitz ergriffen hatte, endlich nach, und spürte, wie sich Jaspers kräftige Arme um meine Taille legten.

 Ich gab der Schwäche, die von meinem Körper Besitz ergriffen hatte, endlich nach, und spürte, wie sich Jaspers kräftige Arme um meine Taille legten

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Ich muss zugeben: ich habe mich schon gefreut, diese Kapitel endlich veröffentlichen zu können. Ich hoffe es gefällt euch, ich bin eigentlich ganz zufrieden :)
Bitte kommentiert was ihr darüber denkt☺️❤
Lg

Bis(s) ich dein Herz erobere - Jasper Hale Fanfiction ✔️Where stories live. Discover now