21 | Keine andere Wahl

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"Ich will nicht", wiederholte ich.

"Du hast keine Wahl", fuhr Caius mich an. Ungeduldig stand er auf dem Thron, und wippte nervös mit seinem Fuß auf und ab.

Aro stoppte ihn. "Immer mit der Ruhe, Bruder. Sie wird schon hören". Dann wandte er sich mir zu. "Nun, meine Liebe, du weißt was auf dem Spiel steht".

Ich biss meine Zähne so fest aufeinander, dass sie absplittern hätten können, doch sie hielten dem Druck stand. Genauso wie ich dem Druck der Volturi standhalten musste.

"Okay", sagte ich widerwillig, denn die Alternative war nicht viel besser.

Ich gab Aro meine Hand, und als er sie berührte, lief mir ein Kalter Schauer über den Rücken.

Ich konzentrierte mich, und das widerstrebende Gefühl in meiner Brust machte es nicht leichter, in Alice' Gedanken einzudringen.

Ein Schwall von Bildern stürzte auf mich ein, und ich gab mich voll und ganz diesen Erlebnissen, Gedanken und Gefühlen hin.

Alice machte sich selbst auch Vorwürfe. Sie hatte natürlich von meinem Alleingang gehört - sie wusste nicht, was von ihr erwartet wurde. Solle sie kommen? Solle sie sich opfern? Solle sie mich ablösen?

Abrupt stieß Aro mich nach hinten, und ich starrte ihn komplett aus den Gedanken gerissen an.

"Sehr schön", sagte er. "Jetzt Carlisle".

Diesmal biss ich auf meiner Lippe. "Was willst du von ihm?", fragte ich, und war bemüht darum, ein Pokerface aufzusetzen.

"Das geht dich einen Dreck an", mischte Caius sich ein.

Ich schenkte ihm keine Beachtung. Aro war der Spielemacher - alles ging nach seinem Willen, spielte nach seinen Regeln.

"Ich möchte einen potentielle Bedrohung früh genug ausmachen können", erwiderte er.

Auch wenn ich nicht überzeugt war, er hatte Recht: Ich hatte sowieso keine Wahl.

Also ließ ich mich, wohl oder übel, dazu nieder, ihn in meine, und somit auch Carlisles Gedanken eindringen zu lassen. Das Gefühl, dass jemand in meinem Kopf herumspazieren konnte, war jedes Mal aufs Neue schrecklich, und nichts an das man sich gewöhnte.

Carlisle bewahrte einen kühlen Kopf. Er machte Edward keine Vorwürfe, doch er wünschte sich manchmal er hätte mich damals aufgehalten. Er machte sich wahnsinnige Sorgen um mich, und wollte herausfinden, was er tun könne um mich zu retten. Er war ahnungslos von der Erpressung, und dass das alles schon länger geplant war - gut, Edward hatte dichtgehalten.

Wieder musste Aro mich aus meinen Visionen holen.

"War es das erste Mal?", fragte er.

Meine Kehle fühlte sich ganz trocken an. "Was?", fragte ich, obwohl mir deutlich bewusst war, was er meinte.

"Dass du in ihre Gedanken geschaut hast. Seit du hier bist", sagte er, und seine Tonlage klang un-Arohaft, und mir wurde schnell klar, dass es nichts als Heuchelei war.

"Ja", erwiderte ich hart.

"Brauchst du ein bisschen Zeit für dich?", fragte er, und nun war es offensichtlich, dass seine Stimme sarkastisch war.

"Als ob das zählt", sagte ich.

"Ach, so schlecht behandeln wir dich nicht", widersprach er, und sah mich mit funkelnden Augen und einem schelmischen Lächeln an.

"Du schon. Und die anderen behandeln mich gar nicht, weil die mich nämlich nicht ausstehen könnnen".

"Du darfst jetzt gehen", fuhr Marcus mich barsch an, und ich tat nichts lieber als dieser Anweisung nachzugehen.

Auf die Anwesenheit dieser drei unmenschlichen, monströsen Gestalten konnte ich gerne verzichten.

"Wie ist es gelaufen?", fragte mich Ben sofort, als ich in den Gang einbog.

"Wunderbar", antwortete ich trocken.

Anstatt mich genervt, verlegen, oder wütend anzusehen, sah er mich nur mitfühlend an.

"Ich geh jetzt in mein Zimmer", sagte ich, denn ich wollte gerade mit niemandem sprechen. Ich brauchte einfach Zeit für mich alleine, könnte nicht die Kraft aufbringen, mit jemandem über meine Gefühle zu reden, denn über die musste ich mir zuerst selber im Klaren werden.

Ich konnte mich nun nicht mehr zurückhalten. Auch wenn ich mich selbst davon abhalten wollte, ich konnte nicht anders als in Alice' Geist einzudringen. Es war, wie das erste Mal zu sehen als Blinder. Hätte man nie den Luxus gehabt, es zu tun, so hätte man es nie vermisst, doch sobald man das Augenlicht einmal erblickt hatte, konnte man nicht genug davon bekommen. Genauso war es mit dem indirekten Kontakt mir meiner Familie. Wieso genau Alice' Gedanken, fragte ich mich. Dann wusste ich natürlich, wieso: Bei ihr gäbe es die größte WAhrscheinlichkeit, dass sie antworten würde. Sie könnte ein Vision haben, die ihr dies mitteilte, oder auch nur eine Vorwarnung.

"Bist du alleine", schwebte der Satz in meinem Kopf, "Ist Aro da?".

Ich sog scharf Luft ein. Sie kommunizierte mit mir. Ich wusste nicht wie, aber sie hat irgendeine Möglichkeit gefunden, meine Reaktion zu sehen, vielleicht auch nur durch ihre visuellen Fähigkeiten. Ja, vielleicht hat sie diese Strategie schon vor Stunden, Tagen, Wochen geschaffen, und mich schon öfter gedanklich diese Frage gefragt.

"Ja", sagte ich laut, um sicher zu gehen, dass sie mich hören konnte, obwohl es trotzdem keine Bestätigung gab.

Doch spätestens bei dem folgenden Gedanken in meinem Kopf, schwanden jegliche Zweifel darüber: "Wir holen dich da raus. Aro hat keinen Zugriff auf unsere echten Gedanken - aber wir holen dich da raus", hörte ich, bevor ihre Stimme immer leise wurde, und in den tiefen meines Gehirns wiederhallte, und verschwand.

Sie würden mich holen kommen - war das eine gute oder eine schlechte Sache?

Würde es mir helfen, oder würde es stattdessen sie in Gefahr bringen? War es möglicherweise das, auf das die Volturi es eigentlich abgesehen hatten - der Cullen-Clan... Was, wenn sie mir zwar versprochen hatten, solange ich bei ihnen war, würden sie keinem der Cullens etwas zuleide tun, doch schon lange wussten, dass sie mich nicht alleine hier lassen würden? Wenn sie auf die Loyalität meiner Familie gesetzt habe, und ihr eigentliches Ziel es war, die Cullens hierherzulocken und auszulöschen? Es wäre wahrscheinlich ein leichtes für sie, das zu tun. Mit links würden sie es schaffen. All die Zeugen waren auf und davon, würden nicht wiederkommen. Abgesehen von Amun und Tia vielleicht, die hier auch eine geliebte Person hatten.

Sollte ich auf die Rettung meiner Familie warten? Welche andere Wahl hatte ich? Keine.

Sollte ich auf die Rettung meiner Familie warten? Welche andere Wahl hatte ich? Keine

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Bis(s) ich dein Herz erobere - Jasper Hale Fanfiction ✔️Where stories live. Discover now