24 | „Wir haben eine Schlacht zu gewinnen"

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Die Zeit zog sich wie Kaugummi. Jeder Tag kam mir vor wie eine ganze Woche. Die Volturi hatten bisher eher weniger von mir gebraucht, oder eher Dinge, die mir nicht viel Anstrengung bereiteten, weshalb mir todlangweilig war. Natürlich, ich würde mich nie darüber beschweren, denn es graute mir nur bei dem Gedanken daran, mit Aro zu sprechen, Aro, dessen Gegenwart ich die letzten Wochen gemieden hatte. Aro, der mich eiskalt entjungfert hatte, ohne auch nur einen Funken Mitgefühl zu zeigen.

Ben war derzeit mein engster Verbündeter, der einzige hier dem ich vertrauen konnte. Immer länger verbrachte ich meine Zeit damit, in Gedanken bei den Cullen, hauptsächlich Alice zu schwelgen.

Ich wusste, dass sie etwas planten. Doch was genau, dass konnte ich nicht herausfinden - warum, wusste ich selbst nicht. Die wahrscheinlichste Theorie war noch, dass sie wahrscheinlich einen Weg gefunden hatten, ihren Plan zu verschleiern, sodass Aro nicht davon erfahren konnte.

Es war ein gewöhnlicher Tag, als ich total überrascht wurde: Ein Schwall an Bilder überwältige mich, als ich in Jaspers Gehirn gewesen war: Die Volturi waren in seinen Gedanken, überall, ich sah nur noch sie. Dann blitzte ein Gegenstand auf: Es war wie eine Kugel, doch sie bestand aus Diamanten.

"Wir haben sie", dachte Jasper noch, und plötzlich schien ich keinen Kontakt mehr zu ihm haben. Mein Atem ging schneller, und sofort rannte ich zu Ben damit. Er dachte nach. "Vielleicht solltest du es den Volturi zeigen", meinte er. Ich riss meine Augen auf. "Bestimmt nicht! Damit sie die Cullens angreifen?".

Bens Ausdruck brachte mich jedoch dazu, die Botschaft, die hinter all dem steckte, durchsickern zu lassen. Genau das war es, was sie wollten: Dass die Volturi sie angriffen.

"Das lasse ich aber trotzdem nicht zu", erwiderte ich instinktiv. Niemals würde ich mich dafür bereit erklären, auch nur irgendjemanden von meiner ersten richtigen Familie sein Leben für mich riskieren zu lassen.

Ben seufzte, und er tat mir leid, denn er konnte nicht gut mit mir sprechen. Wenn ich doch noch zu den Volturi gehen würde, was immerhin sein Ziel war, dann könnte Aro sich dieses Gespräch hier in meinem Kopfkino ansehen: Das bedeutete für uns, nur in Schlüsseln zu sprechen.

"Vielleicht hast du keine Wahl. Sonst ist es zu spät", sagte Ben, und diese schlichten, simplen aber dennoch schlau berechneten Worte klangen gar nicht nach dem Ben den ich kannte, der immer mit Fachbegriffen sprach, und dessen Worte Satzbau sehr ausgebaut war.

Ich dachte über seine Worte nach - er hatte Recht. Vielleicht hatten die Cullens einen ausgeklügelten Plan, und ich würde ihn zerstören, wenn ich die Durchdringung der Nachricht bis zu den Volturi verhindern würde.

Ich begann zu hyperventilieren, denn ich war mit der Situation vollkommen überfordert. Es ging hier um eine Entscheidung zu treffen, eine Entscheidung, die über Leben und Tod bestimmen könnte.

"Was - ich weiß es nicht, ich weiß nicht was ich tun soll", flehte ich, und ich wusste selbst nicht wofür ich flehte.

Ben, der mir mit seiner ruhigen Art sehr zugute kam, legte eine Hand auf meinen Rücken. "Tief durchatmen, Lilly. Du schaffst das - es gibt kein richtig oder falsch", sagte er, "auf deine Schultern wurde eine große Last aufgeladen, doch Schuld wäre derjenige der sie dir aufgeladen hat, oder nicht, du bist nicht Schuld wenn sie hinunterfällt", erwiderte er, und seine sorgsam gewählten Worte schenkten mir ein wenig Ruhe.

"Danke", sagte ich lächelnd, und deutete ihm dann, dass ich jetzt gehen würde.

Langsam nickte er, ohne mich zu fragen, was ich für eine Wahl getroffen hatte. Er würde es jedoch früh genug erfahren.

Mir stiegen Tränen in die Augen. Mittlerweile war ich gar nicht mehr überrascht darüber, dass das passierte - es schien Teil meiner Gabe zu sein. Anscheinend war meine Gabe so etwas wie Menschlichkeit - deswegen konnte ich auch Gedanken lesen und Gefühle spüren.

Ich ging weiter und weiter, und der Weg zu den Volturi schien auf einmal furchtbar lange zu sein. Irgendwann erreichte ich dann aber doch den Saal, in dem ich Aro, Marcus und Caius schon auf dem Thron erwartete.

Überrascht sahen sie mich an, als ich eintrat, denn ich hatte sie noch nie aus eigenen Stücken besucht. Natürlich nicht, ich hatte keine Gründe und viel zu viel Angst dafür gehabt.

Aro stand als Erster auf, und breitete seine Arme aus, als würde er einen wiedergefundenen Freund begrüßen.

Ich schluckte, und versuchte zu verhindern, ihm in die Augen zu sehen. Oft hatte ich ihn in den letzten Wochen nicht in die Augen gesehen, wenn überhaupt.

"Ich muss euch was sagen", sagte ich mit gesenktem Blick.

Aro lachte schrill. Widerwillig richtete ich meinen Kopf, wie von Fäden gezogen, dann doch auf Aro.

"Sage nicht, Liebes, zeige!",

Ungewollt musste ich wieder an die Nacht zurückdenken, die Nacht, die mir unfreiwillig für immer in Erinnerung bleiben würde.

Er streckte begierig seine Hand nach mir aus, und leckte ganz langsam über seine Lippen. Das machte es nicht besser.

Wie in Zeitlupe ging ich auf ihn zu. Ich hatte das Gefühl, alle Geräusche in diesem Saal wären unverzüglich verstummt, sodass jeder meiner Schritte von den Wänden widerhallten.

Ich blieb vor Aro stehen. Mit seinen blutroten Augen musterte er mich, und zog seine Hand zurück. Ich zog meine Augenbrauen zusammen.

"Wie geht es dir?", fragte er mit einem zuckersüßen Lächeln.

"Wunderbar", sagte ich schleimig, und erwiderte es.

Er verdrehte seine Augen. "Ironie".

"Gibst du mir jetzt deine Hand, oder soll ich wieder gehen?", fragte ich, selbst verwundert über mein plötzlich aufgekeimtes Selbstbewusstsein. Innerlich brach ich zwar gerade, aber das war nicht relevant.

Also reichte Aro mir seine Hand, die sich rau anfühlte. Ich wollte meine Erinnerungen zu ihm schicken, doch das übernahm er, indem er ungefragt in mein Gehirn eindrang.

Tausende von Erinnerungen wirbelten auf einmal durch meinen Kopf. Es war, als hätte er sämtliche Türen geöffnet, aus denen Gegenstände flogen, und kreuz und quer herumflatterten. Doch dann, mit einem Schlag schlossen sie sich, und die Erinnerungen konnten gerade noch rechtzeitig zurückfliegen.

Als Aro mich losließ, erwartete ich, dass er mich mit einem wie immer tiefenentspannten Gesichtsausdruck mustern würde, doch dem war nicht so. Er war schon Marcus und Caius mit ausgebreiteten Armen zugewandt, und sprach mit erhobener Stimme :

"Brüder wir haben eine Schlacht zu gewinnen".

"Brüder wir haben eine Schlacht zu gewinnen"

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Bis(s) ich dein Herz erobere - Jasper Hale Fanfiction ✔️Where stories live. Discover now