Kapitel 4

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~Junge des Wassers~

,,Logan, du weißt doch, dass es gerade schlecht im Krieg steht", fängt mich mein Bruder ab, als ich am nächsten Tag von der Schule heimkomme. Ich nicke nur, schon ahnend, was jetzt kommen wird. Ich habe zwar erwartet, dass es so weit - und noch weiter - kommt, aber ich dachte nie, dass sie so schnell handeln. ,,Deswegen werden weitere Leute geschickt." Erneut nicke ich. Er fährt fort:,,Und unter anderem auch Papa und ich." Kurz erschrecke ich. Auch er schon? Dann wird es sicher nicht mehr lange dauern, bis auch ich an der Reihe bin. Jeden Tag sterben mehrere Leute im Krieg, es wird nicht lange dauern, bis man selbst darin umkommt.
Ich sehe Benson in die Augen und murmle:,,Viel Glück dir dann." Er weiß, wie meine Meinung dazu ist. Er ist, neben Thomas, der einzige, dem ich meine Gedanke anvertrauen kann, ohne mich fürchten zu müssen. Nicht einmal meinen Eltern traue ich mich zu sagen, dass ich nicht gegen die anderen Elemente kämpfen will, dass ich die Hoffnung bereits aufgegeben habe.
Er sagt:,,Ich weiß, was du denkst. Und auch ich habe Angst, aber..."
,,Aber was? Weigere dich doch, kämpfe nicht", flehe ich, obwohl ich seine Situation verstehe, obwohl ich selbst so ähnlich handle, mich nicht widersetze, aber ich will nicht, dass er leidet, ich will ihn nicht verlieren. Was würde ich machen, wenn ich an seiner Stelle wäre? Wie würde ich handeln? Ich werde es sicher noch früh genug erfahren. Bei diesem Gedanken bekomme ich Gänsehaut. Ich will nicht, dass er geht, ich will nicht gegen die anderen Elemente kämpfen. Sie waren doch mal meine Freunde, aber jetzt muss ich sie wohl als meine Feinde bezeichnen. Gegen meinen Willen.
,,Ich kann nicht. Wenn ich es nicht tue, dann werde ich als Verräter abgestempelt, muss verschwinden und mich noch mehr fürchten, als so schon. Du hast Angst zu sagen, was du denkst. Mich zu weigern würde die selben Konsequenzen mit sich bringen", meint er.
,,Du hast ja Recht, aber ich will dich nicht verlieren", flüstere ich und senke den Kopf. Wir schweigen. Keiner weiß, was er sagen soll.
Ben ist in dieser Sache auch immer meiner Meinung gewesen, allerdings hat er die Hoffnung auf Frieden nie aufgegeben, vermutlich glaubt er selbst jetzt noch daran. Doch ist es nicht schon längst aussichtslos? Schon längst verloren? Denn selbst wenn jedes einzelne Element die Chance auf den Sieg hat, geht jeder einzelne jeden Tag als Verlierer nach Hause. Wir sind nur stumm und denken nach, denken nach, wie es weitergehen soll. Aber er wird in den Krieg ziehen müssen und mit ihm mein Vater. Abends werden sie dann heimkommen, verwundet, innerlich und äußerlich. Denn bricht es einen nicht, wenn man täglich mehrere Mensche sterben sieht? Zerbricht es nicht deine Seele, dein Herz? Deine Menschlichkeit?
Ich werde ihnen nicht mehr in die Augen schauen könne, denn dort werden sich die Ereignisse auf dem Schlachtfeld wiederspiegeln. Dort liegt der Kummer und die Verbitterung, welche kommen werden. Werden sie nicht verletzt werden? Werden sie denn nicht ebenso wie die meisten anderen enden? Tot oder verletzt? Gebrochen und der Menschlichkeit und Seele beraubt? Wie sollten sie denn nur jemals wieder glücklich werden können, bei dem Anblick des Kampfes? Sie werden Stück für Stück immer mehr verbittern, bis der letzte Funken der Freude und Hoffnung verschwunden ist. Oder werden sie alles mit der Zeit verdrängen und wieder leben können? Und wie ist es mit mir? Ich werde in den Krieg ziehen müssen, doch werde ich auch wieder zurückkehren?
Nach einer Weile drehe ich mich einfach um und verschwinde in mein Zimmer. Wie traurig es ist, dass es soweit kommen musste. Ein dämlicher Machtstreit, der unser aller Leben zerstört. Wie es den anderen Elementen wohl geht? Wie meinen Freunden? Aurora und Lilie... Wie lange ich sie nicht mehr gesehen habe, beziehungsweise nicht mehr mit ihnen richtig geredet habe. Nur wegen einer kleinen Streiterei, nur wegen dem Krieg. Wie es Thomas wohl geht? Wird seine Mutter oder sein Onkel losziehen müssen?
Was kann ich machen, um nicht auf das Schlachtfeld zu müssen? In meiner Befürchtung fasse ich einen Beschluss. Ich werde mich besonders dumm anstellen, so tun, als könnte ich all das nicht.
Am nächsten Tag rufe ich meine Kräfte nicht. Im Gegenteil, ich denke an Feuer, welches all das Wasser in mir verdunstet. Es erschöpft mich, zerrt an meinen Kräften, weil es nicht mein Gebiet ist, nicht meine Fähigkeit. Es ist auch nicht so, als würde das Wasser tatsächlich verschwinden oder mir warm werden, es strengt nur an sich gegen seine Gabe zu wehren. Schon als kleines Kind konnte ich sie rufen, was ich auch all zu gerne tat. Ich übte immer sie so schnell wie möglich zu rufen und kannte die Leiern unseres Lehrers schon von meinen Eltern und einem Kraftrufer, der mich unterrichtete, schließlich sollte nichts unkontrolliertes geschehen. Auch im Kämpfen schlage ich mit dem Schwert absichtlich daneben, lasse es fallen und mit Pfeil und Bogen schließe ich einen Meter neben die Zielscheibe.
Aber als ich nach einer Woche immer noch keine Fortschritte gemacht habe werde ich zum Ausbilder in diesem Fach gerufen. ,,Logan", beginnt er, als er mich sieht. ,,Du weißt, warum ich dich sprechen will." Ich nicke nur stumm. ,,Ich weiß, dass du nicht dumm bist. Nein, ich glaube sogar, du bist sehr intelligent. Ich meine wer kommt schon darauf, sein Können zu verberegn? Und dann auch noch so gut?" Ich starre ihn mit offenen Mund an. Soll das jetzt heißen, dass...Ich wage es nicht den Gedanken fertig auszuführen, aber dazu habe ich auch keine Zeit, denn der braunhaarige Mann mit der runden Brille fährt fort: ,,Aufgrund deiner Reaktion nehme ich mal an, dass es wahr ist." Ich senke den Kopf schuldbewusst. ,,Weißt du, dass wir wissen, wie lange du deine Kräfte schon beherrscht? Fast niemand kann sie so früh rufen und erst recht nicht so gut kontrollieren. Du bist schon besser als manch Erwachsener im Umgang damit und dann willst du uns weis machen, du hättest sie noch nicht? Darüberhinaus stellst du dich auch bei der anderen Vorbereitung auf den Krieg in diesem Fach dumm an. Logan, ich verstehe dich ja, aber die Vorsitzenden wissen über all das genauso gut Bescheid wie ich. Lange wird es nicht mehr funktionieren. Zeig dein Können, nutze die Zeit um dich zu verbessen, denn bald wirst auch du da draußen sein und um dein Leben kämpfen." Ich schlucke: ,,Dann ist mein Todesurteil schon unterschrieben." Seine Miene wird ernster. ,,Logan, du sollst wissen, dass ich wohl das selbe vom Krieg halte wie du und, dass du mir alles erzählen kannst. Ich verspreche dir zu schweigen." ,,Wieso solltest du mir helfen?" ,,Weil ich in der selben Lage bin wie du." Aber wenn er nur wüsste, welch ein Scherbenhaufen ich bin, hätte er das nicht gesagt, denn an jedem dieser winzigen Splitter kann man sich schneiden und verletzen. Außerdem ist unter den Bruchstücken das gebrochene Vertrauen.
Und er sollte Recht bekommen. Denn schon eine Woche später verkündet er, wer von meiner Klasse gehen muss. Als er meinen Namen nennt sieht er mir mit trüben blauen Augen, wie die eines tiefen Gewässers, in meine, in welchen er immer nach einem letzten hoffnungsvollen Schimmer oder einem noch so kleinen Funken Lebensfreude gesucht hat. Aber der Glanz in ihnen ist schon lange verblasst. Untergegangen in dem tiefen Meer in mir, welches ich mich nicht mehr getraut hatte zu rufen. Verschollen mit meinem Glauben an eine vernünftige Zukunft, mit meiner Zuversicht.

Elementmenschen ~Mädchen des Feuers~Junge des Wasser~Onde histórias criam vida. Descubra agora