Kapitel 7

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~Mädchen des Feuers~

In den letzte Zeit ist nicht besonders viel passiert, seit wir im Krieg sind. Das einzige, was sich zu erzählen lohnen würde, wäre die Beerdigung meines Vaters, aber ich war nicht anwesend. Ich weiß, dass er traditionell ins Reich der Toten gesandt wurde. Er wurde in ein Boot an einem Fluss nahe des Meeres gelegt, mit ihm einige Dinge, wie sein Schwert, welches ihm den Tod gebracht hat, eine Blume, die ihn widerspiegeln soll. In seinem Fall war das eine Sonnenblume. Und noch weitere Sachen. Bei einer Totenweihe befindet sich das Boot auf Wasser und etwas Erde ist in ihm. Fackeln sind am Rand des kleinen Schiffchens befestigt, ebenso wie ein kleines Segel, welches von dem Wind aufgeblasen wird. Alle vier Elemente werden vereint, denn man schickt sie nach Sama und will, dass die Götter sie begünstigen.
Die Leichen liegen offen da und eigentlich wäre das kein Problem, aber mein Vater hatte Wunden und ich konnte das nicht sehen. Ich konnte nicht sehen, wie sein Blick trüb gen Himmel gerichtet ist, bis seine Augen geschlossen werden. Deswegen blieb ich fern.
Jetzt sitze ich daheim und schaue aus dem Fenster. Vorhin habe ich mich noch kurz mit Lillie und Nick getroffen. Die beiden sind ebenfalls im Krieg, aber schienen Logan nicht bemerkt zu haben. Ich weiß nicht, ob ich Lillie einweihen soll, immerhin war sie doch auch mit ihm befreundet. Andrerseits ist sie sehr ängstlich und würde mir sicherlich nur sagen, dass ich mich von ihm fernhalten soll, oder? Sie würde sich nur Sorgen machen.
Nach einer Weile verlasse ich schließlich das Haus. Meine Mutter und mein Bruder bekommen zu Glück nichts mit, da sie schon längst schlafen. Normalerweise wären sie um diese Zeit noch wach, aber der Krieg macht ihnen zu schaffen. Mir auch, aber auf eine andere Weise. Er hält mich wach, lässt mir keine Sekunde, wo ich den ganzen Kampf vergessen kann.
Die kalte Nachtluft schlägt mir entgegen. Tief atme ich sie ein. Sie beruhigt mich, obwohl es nicht mein Element ist. Dann gehe ich los. Ich gehe nicht langsam, aber auch nicht so schnell, dass Leute, die mich sehen könnten meinen ich hätte etwas zu verbergen.
Die Geräusche des Kampfes verklingen allmählich durch die Entfernung. Schließlich komme ich an dem Baumhaus an. Mein Herz macht einen Sprung, als ich es sehe. Niemand außer Logan, Lillie und ich weiß davon. Es war immer unser Platz. Es wird immer unser Platz sein, egal was passieren mag. Das Baumhaus von jenem Zama, das Baumhaus, das ich seit dem nicht mehr betreten habe. Jetzt sitzt Logen oben und sieht mich kommen. Ich steige zu ihm hinauf und setze mich stumm neben ihn auf die Plattform des Baumhauses. Es ist seltsam ihn nach einer so langen Zeit wieder neben mir zu haben. Freude und Verwirrung. Das ist das, was das in meinem Inneren gerade am besten beschreibt. Eine Stille breitet sich zwischen uns aus, während wir in die Ferne blicken. Wir haben uns so viel zu erzählen und doch finden wir keine Worte. Eine Ewigkeit lang ist da nur das Summen der Insekten in der warmen Sommernacht. Der Wind fährt uns durch die Haare. Es stört nicht, dass niemand etwas sagt, es ist eine angenehmes Schweigen, ein friedliches. Frieden. Den hat keiner von uns und doch meine ich ihn hier zu spüren. Hier zwischen den hohen Bäumen. Das einzige was die dunkle Nacht erhellt ist der Vollmond über uns. Wir sehen uns an. Gold trifft auf blau. Aber in ihnen ist nichts mehr. Seine Augen sind stumpf und trüb, wie die eines tiefen Gewässers. Ich will ihn umarmen, aber da ist diese fremde Distanz zwischen uns.
,,Wie lange bist du schon im Krieg?", bricht er nun flüsternd die Stille. Er weiß, dass er nicht befürchten muss, dass man uns hört, aber doch flüstert er. ,,Zwei Wochen", antworte ich ebenso leise. Wieder ist es kurz still. Sein Blick wandert wieder in die Weite, aber meiner ruht weiterhin auf ihm. ,,Du?" ,,Vier." ,,Tut mir Leid. Das mit deinem Bruder..." Seine Augen suchen starr den Horizont ab. Auch ich sehe jetzt wieder dort hin, aber da ist nichts. Nur die Sterne, die den Himmel erleuchten, die um die Wette strahlen. ,,Weißt du noch? Der Polarstern?", frage ich zögernd. ,,Ja." ,,Und?" ,,Meine Worte zählen immer noch." Logan weiß nicht, warum er das sagt, aber es fühlt sich richtig an. Ich nicke. Eigentlich kennen wir uns so gut, aber jetzt sind wir uns so fremd, dass es weh tut. Ich weiß nicht, wie lange wir dort so sitzen ohne etwas zu sagen. Irgendwann stehe ich auf und wende mich um, um zu gehen. Logan sieht mich an. ,,Morgen wieder hier?", fragt er leise. Es ist nur ein Hauch, aber der Wind sorgt dafür, dass ich es höre. Es scheint fast so, als würden die Götter, die Elemente uns unterstützen. Ich nicke. Dann steige ich die Strickleiter hinab. Er bleibt oben sitzen. Ich weiß nicht wie lange.Bevor ich im Dickicht des Waldes verschwinde drehe ich mich noch einmal um.  Unsere Blicke treffen sich noch ein letztes Mal. Dann gehe ich.

Am nächsten Tag nach der Schule treffe ich mich mit Nick, ehe wir in den Krieg müssen. Wir holen uns ein Eis und setzen uns an einem einsamen Ort auf eine Treppe. Niemand kommt hier vorbei, wohlmöglich auch wegen des Krieges. Wir reden über alles mögliche. Mittlerweile haben wir aufgegessen. Nick sieht mir in meine Augen. Unsere Blicke kreuzen sich. Braun auf gold mit braunen Sprenkeln. Ich stocke. Niemand sagt etwas. Niemand traut sich etwas zu sagen. Bis dann seine Lippen auf den meinen landen. Als er sich wieder von mir löst wird er rot. ,,Entschuldigung." Er senkt den Blick, aber ich fasse an sein Kinn und schaue ihm tief in seine Augen. Was wohl da drin vorgehen mag? Nick jedenfalls versteht, was ich damit sagen will. ,,Nein, du brauchst dich nicht entschuldigen." Ein Lächeln schleicht sich nun auch auf sein Gesicht. Eines ist klar. Ab jetzt ist nichts zwischen uns mehr wie davor. Wird es auch nie wieder sein, oder? 

Unsere Kettenrüstungen scheppern leise und das Schwert schlägt mir gegen mein Bein, als wir uns dem Schlachtfeld näherten. Der Bogen und die Pfeile in dem Kescher an meinem Rücken sind erstaunlich leicht, für deren Menge. Je näher wir dem Ort des Geschehens kommen, umso lauter werden die Schreie und Kampfgeräusche, umso mehr bilde ich mir den Duft von Blut ein, der mit dem Wind fliegt. So wie jeden Tag. Ich habe Angst. So wie jeden Tag. Und dann stehe ich mitten in dem Ganzen und bin ein Teil davon. Wie jedes Mal.

Elementmenschen ~Mädchen des Feuers~Junge des Wasser~Where stories live. Discover now