Kapitel 17

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~Mädchen des Feuers~

,,Aurora?"
Natürlich, mein Bruder fängt mich ab.
,,Ja?", ich gehe zu ihm. Im dämmrigen Licht kann ich kaum mehr als seine Umrisse erkennen. Er sitzt auf der untersten Treppenstufe, wie so oft.
,,Er war dieses Mal da", auch, wenn es sich wie eine Frage anhört ist es eine Feststellung, die er daraus zieht, dass ich später als sonst heim gekommen bin.
Trotzdem nicke ich.
,,Wie geht es ihm?", fragt er.
Ich weiß, dass es ihm zwar vielleicht nicht ganz egal ist, aber er dennoch wegen mir fragt.
,,Es geht ihm gut", ein leichtes Lächeln stiehlt sich mir auf das Gesicht, als ich zurück denke.
,,Gut."
Ich habe das Gefühl, dass wenn ich es ihm jetzt erzähle mir den besonderen Moment zerstöre.
Deshalb sagt nun eine Weile lang keiner von uns etwas, bis ich dann aufstehe und in mein Zimmer gehe.

Es dauert nicht lange, bis ich einschlafe. Anders als die letzten Tage, als mich das Bild eines blassen Logans heimsuchte. Als ich Angst hatte, er wäre tot.
Jetzt bin ich so glücklich wie seit langem nicht mehr.
Das erste Mal seit diesem einen Vorfall träume ich nicht schlecht, sondern falle in einen traumlosen Schlaf.

Am nächsten Tag sehe ich Logan nicht im Krieg.
Natürlich, es wäre auch dumm ihn sofort wieder zu schicken, aber ganz wird es ihm wohl nie erspart bleiben. Dann wäre es ja eine Belohnung und viele würden es ihm gleich machen.
Aber ich spüre die Blicke der Leute auf mir.
Den besorgten meines Bruders und Lillie, den neugierigen von Nick und manchen anderen.
Aber der, der am meisten an mir klebt ist der verachtende der Leute.

Ich habe niemandem von gestern erzählt.
Noch gehört der Moment einfach nur Logan und mir, aber ich weiß, dass mindestens Lillie mich noch heute mit Fragen belagern wird.
In der Schule habe ich die Ausrede verwendet, dass ich hier nicht mit ihr darüber reden kann, als sie erfahren hat, dass Logan letzte Nacht am Baumhaus war.
Aber will ich es ihr sagen?
Irgendwie ja eigentlich schon, wenngleich ich ihre Unverständlichkeit nicht hören möchte.

Jetzt sitzen wir beide im goldenen Garten, nahe meinem nächtlichen Teffpunkt.
Ich wollte nicht dorthin, wenn ich ihr davon erzähle, außerdem ist es Logans und mein Platz. Es mag egoistisch sein, weil es früher unser aller dreier Aufenthaltsort war, aber das hat sich geändert.
So, wie sich alles geändert hat - mit einer gewissen Bitterkeit und einer klitzekleinen Brise Schönheit.

Wir sitzen auf einer Bank. Den Blick habe ich auf dem Boden gerichtet. Ich weiß nicht, wie ich es ihr erklären soll. Meine Gedanken kreisen wie wild darüber, wie sie wohl reagieren wird.
Wird sie sich für mich freuen?
Wird sie kein Wort mehr mit mir wechseln?
Verraten würde sie mich nicht, oder?
Aber kann es eigentlich noch schlimmer werden, als es schon ist?
Ja.
Wir würden verbannt oder gar getötet werden.
Letzteres war vermutlich das Wahrscheinlichere.

Während meine Gedanken gar nicht mehr zur Ruhe kommen, beginnt Lillie nun nachzufragen: ,,Logan war gestern also da?"
Ich nicke: ,,Ja."
,,Und was sind die Konsequenzen für sein Handeln?", Angst steht ihr auf das Gesicht geschrieben.
Wir wissen beide, dass es an ein Wunder grenzt, dass er überhaupt noch lebt.
,,Ich weiß es nicht", meine Stimme ist leise, mein Blick immer noch auf den Waldboden gerichtet und mein Gesicht ist kreidebleich. Ich habe in den letzten Tagen viel über ihn nachgedacht, aber nur darüber, ob er überlebt hat. An das, was ihn danach erwarten würde, habe ich keinen Gedanken verschwendet.
,,Über was habt ihr dann gesprochen?"
,,Über dieses und jenes. Es war ja schon spät als er kam, deswegen wollten wir nicht lange bleiben."
,,Wollten?", sie sieht mich erwartend an und zieht ihre rechte Augenbraue ein wenig hoch.
,,Ja, also darüber wollte ich mit dir auch noch reden", ich schaue auf meine Hände, die ich unruhig knete. Nach einer Weile fahre ich unsicher fort, versuchend ihre Blicke zu ignorieren, indem ich mich auf meine Finger konzentriere: ,,Naja, also..nun ja." Ich breche kurz ab, um tief Luft zu holen. ,,Wir haben uns geküsst."
Entgeistert starrt sie mich an.
Habe ich denn etwas anderes erwartet?
Nun starre ich noch konzentrierter auf meine Finger, die ich knete.
Einige Momente später scheint sie die Sprache wieder zu finden, denn die ersten Worte prasseln auf mich ein wie Regen auf ein Dach, waren wie der Donner beim Gewitter: ,,Seid ihr verrückt? Was meint ihr geschieht, wenn sie euch erwischen? Wenn sie gnädig sind, lassen sie dir das Leben, aber Logan? Jetzt, wo er schon einmal in Ungnade gefallen ist?"
Sie schreit nicht, aber doch fühlt es sich für mich so an.
Es verletzt mich ein wenig, dass sie mich nicht versteht, andrerseits, wie würde ich reagieren?
Sie will uns doch nur schützen.
Bei ihren letzten Worten zieht sich mir das Herz zusammen. Sie hat recht. Es ist gefährlich.
Es geht um Leben und Tod.
Ich stelle meine Beine auf die Bank und kauere mich zusammen, vergrabe mein Gesicht in meinen Knien.
Warum ist das Leben nur so unfair?
,,Aurora..."
,,Nein, Lillie, du hast ja recht...", meine Stimme hört sich so schwach an, gebrochen.
Eine ganze Weile schweigen wir vor uns hin, während warme Tränen leichte Striche auf meinem Gesicht hinterlassen, die langsam trockenen, um dann wieder von neuen salzigen Perlen befeuchtet zu werden.
Etliche Momente später seufzte meine Freundin: ,,Also seid ihr jetzt zusammen?"
,,Ich denke schon."
Wieder herrscht Stille.
,,Ich freue mich ja für euch, es ist nur, da ist dieser bescheuerte Krieg und wir wissen beide, dass es gefährlich ist. Passt bitte einfach auf."
Ich nicke unsicher und schlucke.
Irgendwann nachdem ich mich beruhigt habe stehen wir auf.

Später will ich mich wieder zum nächtlichen Treffpunkt schleichen, aber mein Bruder fängt mich ab.
,,Aurora, wo willst du hin?"
,,Na zu Logan", ich wundere mich über seine Frage. Er sollte es doch wissen.
,,Es kann nicht so weiter gehen. Ich verstehe dich doch, Freundschaften gibt man nicht einfach so ohne weiteres auf, aber du bringst dich in Gefahr damit. Ich verstehe, dass du wissen musstest, ob er lebt, aber jetzt weißt du es doch."
Er bringt das zu sprechen, auf das ich die ganze Zeit gewartet habe.
Irgendwann fing ich sogar an zu zweifeln, ob er damit überhaupt noch irgendwann anfängt.
,,Und wenn es mir das wert ist?", frage ich leise. Er hat ja recht, aber ich kann ihn nicht einfach nicht wiedersehen.
Zuvor schon nicht, aber jetzt erst recht.
,,Warum? Aurora, du weißt, dass es naiv von euch ist zu denken, es würde für immer unbemerkt bleiben. Du weißt, was die Strafen für Verrat sind und Logan muss es nach dem Vorfall doch noch besser wissen! Warum also willst du es riskieren?", eindringlich versucht er mir in meine Augen zu sehen, aber ich wende den Blick ab und richte ihn auf den Boden.
,,Weil ich ihn liebe, verdammt. Ich habe mir das doch auch nicht ausgesucht", spreche ich leise.
,,Du tust was? Aurora, er ist aus einer anderen Spezies!", Entsetzen ist ihm ins Gesicht geschrieben, aber genau diese Unverständnis, die er ausdrückt macht mich wütend.
Es macht mich wütend, weil es niemand je verstehen wird.
,,Wir sind alle eine Spezies! Nur, weil es uns der Krieg so lehrt heißt es nicht, dass es so ist!", knurre ich.
Dann drehe ich mich um, schnappe meine Jacke und gehe.

Er wird mich nicht verraten, das weiß ich. Nicht nur, weil er mein Bruder ist, denn dann könnte er es ja trotzdem tun, sondern, weil auch er und meine Eltern Schaden daran nehmen.
Das ist mir durchaus bewusst, aber kann ich einfach so tun, als hätte ich Logan nie gesehen und ihn nicht wieder sehen?
Als wäre nichts geschehen...

Elementmenschen ~Mädchen des Feuers~Junge des Wasser~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt