Kapitel 11

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~Mädchen des Feuers~

Wieder einmal bin ich neben Logan am Rand der Plattform unseres Baumhauses und lassen unsere Füße hinunterhängen. Letzt Genannter lehnt sich am Geländer an und vergräbt ein Gesicht in den verschränkten Armen, die er dort abstützt. Er sagt nichts und ich akzeptiere es. Irgendwas ist vorgefallen und ich dränge ihn nicht dazu es zu erzählen. Er muss reden, wenn er bereit dazu ist, er es will. Also sitze ich stumm neben ihm und bin einfach nur für ihn da. Logan schluchzt, das höre ich. Als es nach einer Weile nicht besser wird schließe ich ihn in meine Arme.  Er braucht meinen Halt, sonst stürzt er ab. Ich spüre es. Etliche Momente später schaut er auf. Tränen rollen seine Wangen hinunter und seine Augen wirken müde und hoffnungsloser und trauriger als sonst. Das sehe ich, während er mir in meine sieht. Seine Augen sagen mehr, als seine Wörter es je getan haben. Sie sagen ,,Danke" und ,,Lass mich nicht alleine.". Es ist kein Befehl, es ist eine Bitte und ich nicke. Es ist ein unausgesprochener Pakt, ein unausgesprochenen Versprechen. Er schließt die Augen und lehnt sich gegen meine Schulter. Manchmal zuckt er zusammen und schaut auf, so, als hätte er Angst, ich würde verschwinden. Wenn er sieht, dass er nicht alleine ist schließt er seine Lider wieder, bis es wieder zu dem Punkt kommt. Langsam beruhigt er sich. Die Tränen fließen langsamer und die Schluchzer werden weniger. Ich weiß nicht, wie lange wir da schon so sitzen, aber es ist egal.
Nach einer halben Ewigkeit dann sieht er mir wieder in die Augen und beginnt zu reden: ,,Mein Bruder wird entlassen. Er muss in drei Tagen schon wieder kämpfen." Wir schweigen. Hoffentlich behält Logan bei seinen Vermutungen und Schwarzmalereien nicht recht. Aber das ist nicht alles, nicht das, was ihn am meisten belastet. Und er fährt fort: ,,Thomas hat mir heute erzählt, dass er geht." ,,Thomas?" ,,Mein bester Freund. Ich habe ihn nach dem Vorfall am Zama kennengelernt, als er in meine Klasse kam." ,,Du sagtest, er hat erzählt, dass er geht. Aber wie meinst du das?", frage ich. ,,Er verlässt diesen Ort." ,,Und wie?" ,,Ich weiß es nicht, aber er hat das geschafft, was ich seit Jahren will. Aber er kann mich nicht mitnehmen. Weißt du, es ist nicht der Neid - der zugegebenermaßen auch vorhanden ist - der mich so traurig stimmt, es ist der Verlust eines guten Freundes. Es ist das, dass er mich hier fast alleine zurücklässt und ich mich verlassen fühle, verloren, einsam." Ich nicke und widerspreche gleichzeitig: ,,Du bist nicht alleine, du hast doch mich." Er schnieft und antwortet dann: ,,Ich weiß, aber es ist nicht dasselbe. Das hier ist geheim." Ich verstehe, was er meint und er hat recht. Wieder verfallen wir in diese Stille. Die Grillen zirpen und der Wind fährt durch die Blätter an den Bäumen und Büschen, bis hin zu uns. Er spielt mit unseren Haaren. Meinen blonden und Logans etwas längeren schwarzen. Ich schließe die Augen und genieße das Gefühl der Freiheit, auch, wenn es heute geringer ist als sonst, gedämpfter. Wir sitzen noch lange so da, aber wir sind nicht müde und auch am Nächsten Tag bin ich es nicht, denn die Nacht ist das, was mich wach hält.
Als ich im Bett liege denke ich die ganze Zeit an das, was er gesagt hat. An ihn. Ist es nicht unfair gegenüber Nick, wenn ich nur an Logan denke? Ist das mit ihm überhaupt das, was ich will? Ist es Liebe? Aber wenn ich unsere Beziehung jetzt beende, dann wird es nicht mehr so sein, wie davor, oder? Wir werden keine Freunde mehr sein. Was will ich? Will ich mich wirklich von Nick trennen, obwohl ich und Logan nur Freunde sind? Weil ich mich unwohl fühle ihm das zu verheimlichen? Oder übertreibe ich nur? Nick wird doch nicht sauer sein, weil ich mich mit einem Freund treffe, oder? Allerdings, wenn der Freund unser Gegenelement beherrscht?
Ich habe keine Ahnung, wie ich handeln soll, aber als ich dann Nick am nächsten Tag begegne denke ich an Logan. Ich muss jetzt einen Schlussstrich ziehen, ich will ihn nicht belügen. Nach der Schule treffen wir uns dann, auf meine Bitte hin. Er steht verwirrt vor mir und sieht mich an, ahnend, was jetzt kommt. ,,Nick...es tut mir leid, aber..." Er nickt nur: ,,Ich verstehe." Dann dreht er sich um und will weggehen. ,,Nick, warte!" Er wendet sich wieder mir zu. ,,Können wir nicht Freunde bleiben?" Aber er schüttelt langsam den Kopf und es zerbricht mir mein Herz. Ich senke den Blick, aber dann sagt er doch etwas: ,,Gib mir Zeit darüber hinweg zu kommen." Ich nicke. Ohne ein weiteres Wort geht er nun letztendlich. In meiner Brust schmerzt es, als ob tausend kleine Splitter sich in mein Herz bohren, aber ich weiß, es war das Richtige, denn ich fühle mich trotzdem leichter. Warme Tränen rinnen über meine Wangen. Ich setze mich auf den Boden und lehne mich an die Wand eines alten Gebäudes. Fast alles um mich herum ist grün, denn es ist in der Nähe des Sihirce, weswegen die meisten Häuser hier auch leer stehen. Dieser Wald ist gefährlich, anders als der goldene Garten. Ich ziehe meine Knie an mich und verberge mein Gesicht in ihnen. Warum tut es so weh? Es war doch falsch mit ihm zusammen zu sein. Warum schmerzt es so? Weil sich mein Herz von einem - doch schönen - Abschnitt meines Lebens trennen muss? Weil ich Angst habe, dass Nick nicht mehr mit mir spricht? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass es sticht, dass es weh tut. Aber jeder Schmerz wird irgendwann weniger, dass weiß ich. Nur ist es nicht nur diese Veränderung, die schmerzt, es ist der Abschied im generellen, der mir wieder bewusst geworden ist, wo mir wieder bewusst geworden ist, wie nahe er doch ist. Der Abschied von meinem Vater, der Abschied von diesem Lebensabschnitt und Logans Abschied von Thomas. Warum sehen wir das alles nur, wenn etwas wie das passiert? Aber ich kenne die Antwort. Es ist, weil jeder, wie ich leben will und glücklich sein will und daran ist doch nichts Schlechtes oder? 

Elementmenschen ~Mädchen des Feuers~Junge des Wasser~Where stories live. Discover now