Kapitel 6

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~Junge des Wassers~

Ich gehe mit gesenktem Kopf nach Hause. Zwar haben wir, wie die Kinder anderer Elemente wahrscheinlich auch, wenn wir mal ,,frei" haben Trainingsstunden, wo wir mit unseren Kräften, Schwert und Pfeil und Bogen üben. Auch in die Schule werden wir Vormittags vorerst meistens noch gehen.
Der erste Tag stellt sich noch entspannter heraus, als ich dachte, da wir zuerst nur von der Ferne mit unserer Fernkampfwaffe eingreifen sollten. Doch wie erwartet würde das nicht lange so sein. Die Nahkämpfer wurden zu wenig und nun bin ich auch einer von ihnen, so wie mein großer Bruder, und mein Vater. Fast jeden Tag stehen wir hier, sind vollkommen fertig und gebrochen und doch versuchen wir es meinem kleinen Bruder Lionel so gut wie möglich zu verschweigen. Klar merkt auch er, dass etwas nicht stimmt, aber wir meinten bisher auf jede seiner Nachfragen nur, das nichts sei und wir nur arbeiten, weil wir bei einem großen Projekt mithelfen oder uns mit Freunden treffen. Den Nachfragen, wieso er seine Freunde nicht mehr treffen darf gehen wir meist aus dem Weg. Und bis er und somit dann auch meine Mutter geschickt werden, um zu kämpfen, werden noch einige Jahre vergehen, da er erst acht Jahre alt ist, und dann ist der Krieg auch vorbei, hoffentlich. Doch wie lange kann man einem kleinen Jungen verheimlichen, dass Krieg herrscht?

Rufe, dann gequälte Schreie dringen an mein Ohr. Eigentlich ist es nichts besonderes, da ständig jemand ruft, kreischt, stirbt. Aber dieses Mal ist es anders. Ein kalter Schauer läuft mir beim Erklang der Stimmen über meinen Rücken. Die meines Vaters, die nach Benson ruft, und die meines Bruders, wie er schmerzvoll aufschreit. Als ich aufblicke sehe ich den Jungen mit den kurzen schwarzen Haaren am Boden liegen. Leute aus meiner Truppe verteidigen ihn, während sich die Sanitäter durchkämpfen, um ihn weg zu bringen.
Schnellen Schrittes eile ich zu Ben. Meine Füße bewegen sich immer schneller, bis ich laufe. Schließlich stehe ich vor ihm. Blut dringt aus einer tiefen Wunde an seinem Bein. Auch an kleineren anderen Verletzungen strömt das wertvolle Rot aus seinem Körper. Meine Augen treffen auf seine. Meerblau auf eisblau. In ihnen liegt Verwundbarkeit und Ernst. Jetzt ist auch aus seinen Augen das strahlen gegangen. Zurück bleibt nur das Stumpfe, das Kalte, denn so sind sie nun. Die Freundlichkeit ist gegangen und hat den Schmerz zurückgelassen. Ich stehe nur so da, geschockt, während die Pfleger ihn verarzten und letztendlich fortbringen.
Wut ernährt meine Kraft und lässt mich stärker werden, aber der Hass macht mich auch zugleich blind und taub.
Ich bemerkte nur, wie ein blondes Mädchen mich anstarrt. Getrieben von dem Schmerz in meinem Inneren zücke ich mein Schwert. Angst erfüllt ihre Augen, aber sie wendet sich nicht ab. Warum geht sie nicht einfach? Warum bin ich nicht Herr über mich selbst? Warum gehe ich auf sie los, um sie zu verletzten? Aber ich weiß die Antwort: Weil mich die Wut blind macht, dumm macht, mich Sachen lassen macht, die ich sonst nie tun würde. Weil sie mich stärkt. Erst als ich nur noch wenige Schritte von der Blonden entfernt stehe bemerke ich, dass ihr Schwert in der Scheide an ihrem Gürtel steckt. Warum hält sie es nicht in der Hand? Warum greift sie mich nicht an? Erst jetzt schaue ich in ihr Gesicht. Goldene Augen starren mich an. Ich weiß nicht, ob mitleidig oder erschrocken, aber ich weiß, das es nur wenige Mädchen mit diesen Augen gibt. Aurora. Warum habe ich sie nicht zuvor erkannt? Warum habe ich sie in den letzten Wochen nicht bemerkt? Warum müssen wir uns so wieder treffen? Auf einem Schlachtfeld, im Krieg, in verschiedenen Truppen? Mein Element gegen ihres und ihres gegen meines. Alle gegen jeden und doch gewinnt niemand. ,,Logan?", flüstert sie kaum hörbar. Mein Blick war wieder zum Boden gewandert, doch jetzt treffen unsere Augen aufeinander. Gold, welches das Blau in meinen zu verblassen scheint, blau, welches ihr gold ertränken will. ,,Aurora." Es ist nur ein Hauch, so leise und fein, dass er fast von dem Wind weggebracht wird, dass ihn die Geräusche des Krieges übertreffen, aber dieser Hauch lässt sie sicher werden und gibt ihr Hoffnung. Das sehe ich, denn da blitzt etwas in ihren Augen auf. Etwas, wofür ich keinen Namen habe, weil ich es schon längst vergessen und verloren habe. In meine Welt gibt es so etwas schon lange nicht mehr, aber trotzdem ist da kurz ein Zucken meiner Mundwinkel, fast wie ein Lächeln, fast wie das, was auf ihrem Gesicht zu finden ist. Nur wird auch sie mir meine Zuversicht nicht zurück bringen, oder?
Wir haben viel zu reden und doch keine Zeit. Das weiß ich und sie auch. Denn wie lange haben wir nicht mehr gesprochen? Aber da ist immer noch diese Angst, die mich zweifeln lässt, zurückschrecken lässt. Aber jetzt, wo ich sie da so sehe kann ich sie nicht einfach stehen lassen. Auch wenn ich es schon im nächsten Moment bereue, dringen genau zwei Worte aus meiner Kehle: ,,Nacht. Baumhaus." Ich weiß nicht, was mich dazu treibt meine Prinzipien über den Haufen zu schmeißen, aber ich tue es, auch wenn ich es schon jetzt rückgängig machen will. Aber vielleicht brauche ich das jetzt? Dann drehe ich mich um und mische mich wieder unter das Getummel des Krieges. Ich kann sie nicht angreifen und da nur beinahe zwei Minuten vergangen sind, bemerkte niemand den Zwischenfall, oder hielt ihn für besonders, denn viele von ihnen kennt diesen Moment, wenn man Freunden im Kampf gegenüber steht. Sie sagen alle, man gewöhne sich mit der Zeit daran, aber das glaube ich nicht.
Irgendwo am anderen Ende sehe ich Thomas, aber scheinbar hat er nichts bemerkt. Seltsamer Weise finde ich es gut, obwohl wir uns eigentlich doch fast alles sagen, wenn auch nicht ganz so viel wie meinem Bruder. Doch dies ist denke ich eher eine Sache zwischen Aurora und mir. Mindestens vorerst.

Als ich Abends das Zimmer meines kleinen Bruders betrete sieht er mich mit großen Glubschaugen an. ,,Wo ist Beni?", fragt er mich. Normalerweise kommt auch er immer zu Lionel um ihm gute Nacht zu sagen. Ich hocke mich neben sein Bett und streiche ihm durch seine dunkelbraunen Haare. Er hat als einziger die unseres Vaters geerbt. Seine Augen sind wie die von mir tiefseeblau, nur ist ihn ihnen dieses besondere Funkeln. Ich seufze antworte so ruhig wie möglich: ,,Weißt du Lio, er hat sich verletzt und ist jetzt im Krankenhaus." ,,Wie verletzt? Wo? Ist es schlimm?" In seinen Augen sehe ich, dass er fast in Tränen ausbricht. ,,Nein, es ist nicht schlimm. Weißt du noch, dieses große Projekt, von dem ich dir erzählt habe, wo Vater, Ben und ich helfen?" Er nickt heftig. ,,Er hat sich seinen Fuß nur etwas eingeklemmt, es ist nicht schlimm." Ich fühle mich schlecht, weil ich meinen kleinen Bruder anlügen muss, aber ich kann ihm doch nicht einfach die Wahrheit erzählen, oder? ,,Aber warum ist er dann im Krankenhaus?" Ich muss zu geben, Li ist für seine fünf Jahre schon ziemlich intelligent. ,,Denk nicht zu viel darüber nach. Er ist da nur, weil er kurzzeitig nicht gehen kann." ,,Und es ist wirklich nichts Schlimmes?" ,,Nein, wirklich nicht, Li", ich wuschle ihm noch einmal durch die Haare. ,,Jetzt schlaf gut." Lionel nickt ehrgeizig und umarmt mich. Dann stehe ich auf und verlasse sein Zimmer.

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Endlich treffen sie aufeinander. XD
Ich hoffe euch hat dieses Kapitel gefallen. Sollte dies der Fall sein, gäbe es die Möglichkeit mir das mit einem Vote zu zeigen.
Konstruktive Kritik ist natürlich wie immer erwünscht.
~katharina423

Elementmenschen ~Mädchen des Feuers~Junge des Wasser~Donde viven las historias. Descúbrelo ahora