Kapitel 5

32 5 1
                                    

~Mädchen des Feuers~

Jeden Tag lernen sie uns, wie die Kräfte funktionieren, trainieren uns, damit auch die letzten darauf zugreifen können, und bereiten uns auf den Krieg vor. Es ist kein Geheimnis mehr, dass es um jedes Element schlecht steht und, dass wir in den Krieg sollen. Das wissen unsere Lehrer. Sie wissen, dass sie jeden einzelnen von uns beobachten sollen und Bericht erstatten sollen. Damit es keine Manipulationen geben kann, gibt es immer mehrere Leute, die uns während des Unterrichtes zusehen. Gerade haben wir Kunst des Feuers. ,,Versucht eine Flamme auf eurer Handfläche zu erschaffen." Ich balle meine Hand zu einer Faust, schließe die Augen und denke an Feuer. Die Wärme, die ich spüre lässt mich die Hand und meine Augen wieder öffnen. Und tatsächlich, eine kleine Flamme tänzelt dort umher. Erneut forme ich eine Faust und erlösche sie somit. Ein stolzes Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht. Bis jetzt war ich nicht in der Lage sie zu benutzen. Immer wenn ich es versuchte, war das einzige, was darauf hindeutete, dass ich diese Gabe überhaupt besitze, ein Hauch der Wärme oder ganz selten und erst in letzter Zeit auch mal ein kleiner Funken.
Am Abend will ich meinen Eltern davon erzählen. Ich warte, bis mein Vater aus dem Krieg kommt. Schon eine halbe Stunde sitze ich auf dem Boden vor der Tür, doch er kommt nicht. Meine Mutter ist schon besorgt. ,,Er wird kommen", meine ich und sie lächelt mich an. Es ist das selbe Schauspiel wie jeden Abend, seit er mit dem Leben spielt, denn er ist nur tagsüber eingesetzt. Und die Zeit vergeht. Sekunden, Minuten, Stunden. Bis sich endlich die Tür öffnet. Bis er endlich das Haus betritt. Aber ich stocke nur. In sein Gesicht ist der Schmerz zu sehen, physischer und psychischer. Seine Augen werden mit jedem Tag stumpfer, glanzloser. Narben ziehren ihn an Armen und Gesicht. Der Blick ist gesenkt. Und so traue ich mich nicht etwas zu sagen, denn das alles ist heftiger als sonst und ich weiß, dass irgendwas vorgefallen sein muss. Er sieht mich mit Tränen in den Augen an, als sei ich zerbrechlich, als würde ich mich gleich in Luft auf lösen und zu den Toten gehen. Dann dreht er sich stumm um und wandert ins Wohnzimmer. Und dann bemerke ich, wie grau die Welt in manchen Momenten ist. Langsam folge ich ihm, den Kopf gesenkt und meine Gedanken und Vermutungen verdrängend. Niemand bricht die Stille. Weder meine Mutter oder mein Bruder, welche auf der Couch sitzen, noch ich. Es ist einfach nur still, jeder verharrt in den eigenen Gedanken, jeder hat Angst vor dem, was mein Vater sagen könnte, wenn er denn überhaupt noch etwas sagen wird. So geht das eine Ewigkeit lang. ,,Das...das ist verrückt." Wir schauen meinen Vater an, aber jeder Blick in seine Augen schmerzt, jedes Wort aus der Kahle des Gebrochenen schneidet ins Herz. Die...die sind doch geistesgestört." ,,Wer?", meine Mutter steicht ihm beruhigend über die Hand. ,,Die anderen Elemente...", er verstummt, als würde er an etwas denken. Eine Träne kullert aus seinem Augenwinkel seine Wange hinab. ,,Sie haben ihre Kinder in den Krieg geschickt. Weißt du, was es bedeutet, wenn es so weiter geht?" ,,Toni" ,,Nein, Lucia, hör mir zu. Verschwindet. Geht nach Artikula, wie die anderen, die flohen! Besser auf der Insel der Verbannten, als hier." ,,Geht bitte rauf", sagte meine Mutter an meinen Bruder und ich gerichtet, bevor sie fortfährt: ,,Nicht mal auf der Insel wären wir sicher, dass weißt du genau." ,,Dann sucht dieses verdammte Portal!" ,,Toni...es ist aussichtslos." Er schüttelt nur den Kopf und vergräbt das Gesicht in seinen Händen, während meine Mutter den Arm um ihn legt. Er weiß genauso gut wie ich und jeder andere, dass es aussichtslos ist, aber er gibt die Hoffnung nicht auf, so wie ich.

Als ich ihnen am nächsten Morgen erzähle, dass ich nun meine Kräfte beherrsche, schauen sie nicht begeistert, wie ich gehofft hatte. Sie schauen ernst, traurig, so als wöre das der Weltuntergang, obwohl sie beteuern, dass sie sich für mich freuen. Ich weiß, dass ich nun in den Krieg geschickt werden könnte, aber die Kräfte sind für einen Elementmenschen dennoch der Stolz.
Tage später sitze ich wieder im Wohnzimmer. Es ist schon spät und meine Mutter befürchtet wie jeden Abend, dass mein Vater nicht zurückkommen wird. Stunden später ist immer noch kein Zeichen von ihm gekommen. ,,Geht ins Bett", meint meine Mutter. ,,Wird er noch kommen?", ich schaue ihr in die Augen. ,,Ja, er wird kommen." Und auch, wenn weder ich, noch sie daran glauben, stärken uns die Worte irgendwie. Mein Bruder steht langsam auf. ,,Komm", meint er. Seine Stimme klingt verschlafen, trostlos und irgendwie verloren. Ich blicke, erhebe mich und schaue meiner Mutter nochmal ins Gesicht. ,,Ich warte auf ihn", sagt sie und ich weiß, dass sie die ganze Nacht wach sein wird, wenn er nicht kommt.
Aber auch ich kann nicht schlafen. Wieder betrachte ich die Sterne. Ob mein Vater diese Nacht zu ihnen wandert? Allein der Gedanke daran ist grausam, sticht ins Herz, als wprde mir jemand ein Messer in den Brustkob bohren. Eine Träne rinnt über mein Gesicht.
Am nächsten Morgen weckt mich mein Bruder stumm auf. Ich schaue ihn verwirrt an, aber folge ihm, nachdem ich mich umgezogen habe, runter. Und als ich sehe, was er mir zeigen will, krampft sich mein Bauch zusammen. Das Bild, dass sich mir bietet, spricht für sich. Meine Mutter liegt auf dem Sofa, so, als sei sie beim Warten eingeschlafen, und das ist sie vermutlich auch. Ihre Haare sind zersaust und bedecken ihr halbes Gesicht, tiefe Ringe zeichnen sich über den geschwollenen Augen ab und ihr Gesichtsausdruck wirkt versteinert, gequält. Aber wir können sie nicht aufwecken, denn jetzt würde sie für Tage und Nächte nicht mehr schlafen. Denn mein Vater ist gefallen. Das weiß ich. Das wissen wir alle.
Und als der Bote dann vor der Tür stand bestätigte sich das. ,,Es tut mir Leid, aber ich bringe schlechte Nachrichten. Antonio ××× ist bei seinem selbstlosen Einsatz für sein Element im Krieg ehrenvoll dahingeschieden." Eine kurze Zeit sind wir alle Still. Mama, Felix und ich. Wir sind geschockt, auch wenn wir es schon längst ahnten, doch da war trotzdem immer noch ein Funken
Hoffnung übrig. Ein Funken Hoffnung, den Papa zurückgelassen hat. Stumme Tränen laufen uns über die Gesichter und tropfen auf den Fließboden. Ich will das alles vergessen, will es verdrängen, will, dass das nie passiert ist. Ich will, dass der Bote geht, um mich nicht daran zu erinnern, aber er geht nicht. Warum geht er nicht? Warum konnte er nicht sagen, dass alles in Ordnung ist? Warum konnte er nicht sagen, dass dieser verdammte Krieg beendet wird? Doch ich weiß die Antwort darauf: Weil es die Wahrheit ist und die tut nun mal weh. Er wird kein Ende finden, dass wird er nie.
,,Noch etwas gibt es zu berichten", meint der Mann vor unserer Tür. ,,Ihr müsst in den Krieg ziehen." Er erwartet Widersprüche, Morddrohungen oder andere Reaktionen, aber niemand sagt was, denn es würde nichts ändern. Felix nickt nur, um zu zeigen, dass wir verstanden haben. In diesem Moment verliere ich meinen ersten Funken Hoffnung.

Elementmenschen ~Mädchen des Feuers~Junge des Wasser~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt