Kapitel 13

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~Mädchen des Feuers~

Ich bin immer noch geschockt von dem, was gerade passiert ist. Jetzt, nachdem wir von unseren Elementen weggebracht wurden, sitze ich bei den Krankenpflegern auf einer provisorischen Liege nahe des Krieges. So nahe, dass ich noch immer die Geräusche hören und das Blut riechen kann. Blut, welches an mir klebt, Blut, das mit dem Wind getragen wird. Logans Blut, das Blut der Verwundeten, Blut toter Menschen.
Ich bin immer noch wie in Trance. Das, was Logan für mich getan hat, hätte ich nicht erwartet, das, was geschehen ist, bringt mich vollkommen aus der Spur.
Ein großer Teil der Menschen des Wassers hätte Logan fast am liebsten getötet. Das ist es, was mich so schockt, dass sie selbst die eigenen Leute angreifen. Der ganze Krieg ist schon längst ausgeartet, Logan hat das richtig erkannt. Er wusste es schon die ganze Zeit. Zum Glück hat sein Bruder sie abgehalten auf ihn einzuschlagen, während Thomas die Sanitäter geholt hat, sonst wäre er jetzt tot. Bei dem Gedanken daran, dass ohne ich das ohne ihn wäre zittere ich.
Mein Element steht immer noch hinter mir, natürlich gibt es auch welche, die vorbeigehen und ein leises ,,Verräter" zischen oder mich mit abfälligen Blicken mustern, die Mehrheit aber glaubt, ich hätte rein gar nichts damit zu tuen. Sie sind verwundert, aber nehmen es so hin, weil ja nicht ich meine sondern Logan seine Art verraten hat.
Ich bin immer noch wie erstarrt. Mein linker Arm ist eingebunden und ein Kratzer an meiner Stirn ebenso wie andere an meinem Körper mit Pflastern bedeckt. Immerhin ist er nicht gebrochen, nur verstaucht und an manchen Stellen offen. Logan sah viel schlimmer aus. Wird er es überleben? Würde ich es dann jemals erfahren? Dass die Götter ihn zu sich geholt haben? Nein, würde ich nicht.

Felix kommt zu mir. Er sieht mich fragend an. ,,Was war das?", fragt er mich. Ich zucke nur mit den Schultern und mache ihm klar, dass jetzt hier darüber zu reden eine schlechte Idee ist. Dennoch setzt er sich neben mich und wartet, bis die Sanitäter verschwinden. ,,Los, jetzt sag schon."
Ich seufze: ,,Kann ich dir vertrauen?"
,,Ja, Aurora. Ich bin doch dein Bruder", er wirkt etwas gekränkt, aber ich weiß, dass er es versteht.
,,Und du sagst Mama wirklich nichts?"
,,Versprochen."
,,Jeden Abend, dann wenn ihr schon schläft, treffe ich mich mit ihm, seit wir uns im Krieg gesehen haben", ich spreche leise und lasse den Kopf hängen.
Felix nickt nur, er weiß nicht, was er sagen soll. Entsetzen steht ihm ins Gesicht geschrieben, aber was habe ich denn erwartet? Dass er sich freut, dass ich rebellisch bin? Dass er mich lobt, weil ich mich nicht an die Regeln halte und mich somit in Gefahr bringe?
Irgendwann ergreift er dann wieder das Wort: ,,Ich sage nichts, versprochen. Aber ich hoffe du weißt, dass du mir vertrauen kannst."
Dann steht er auf und geht. Hier ist kein guter Platz um darüber zu reden, wenn ich keine Probleme bekommen will.

Lillie sitzt neben mir und betrachtet mich besorgt. Mein Blick ist weiterhin nur starr auf das Schlachtfeld gerichtet und ich zittere unentwegt leicht, auch wenn es langsam besser wird. Nach einer Weile beginnt sie leise zu reden: ,,Ich wusste doch, dass es nicht gut ausgehen wird." Ich schweige kurz, bevor ich entgegne: ,,Wenn Logen nicht gewesen wäre, dann..." Ich wage es nicht die Worte auszusprechen, ich kann sie nicht über die Lippen bringen. ,,Ich weiß, Aurora, ich weiß, aber ihr müsst vorsichtiger sein, gegebenenfalls..." Ich nicke, ich weiß, was sie meint. Sollte Logan tot sein, oder wir uns nicht mehr treffen können, dann war das meine Schuld. Ich hätte besser aufpassen müssen. Im Krieg muss man mehr sehen, als die Augen es erlauben, man muss achtsam sein und das war ich nicht. Ich war blind und naiv und Logan hatte schon immer recht. Die Welt ist ungerecht. Warum muss uns so etwas passieren? Warum ist uns unsere Freundschaft nicht gegönnt? Was haben die Götter gegen uns?
Aber sobald der Wut auf mich selbst verblasst, ich mich beruhigt habe, nehme ich diese Worte gedanklich zurück. Die nächste Woche werde ich vorerst nicht im Krieg verbringen, auch, wenn meine Wunden am nächsten Tag durch das Anwenden meiner Kräfte fast verschwunden sind. Dennoch schmerzt mein Arm, da meine Kräfte nicht gerade die stärksten sind. Und die Erinnerung an Logan, wie er da so leblos am Boden lag, ist das Schlimmste.
Ich kann deswegen nicht mehr schlafen, weil ich mir Sorgen mache und obwohl ich weiß, dass er nicht da sein wird, schleiche ich mich die zweite Nacht nach dem Vorfall zu unserem Baumhaus. Ich ziehe meine Jeansjacke enger an mich, auch, wenn ich auch der Plattform sitze und die Sterne betrachte. Der Ort bringt mich zur Ruhe, es ist der Einzige Platz, an dem ich momentan glücklich sein kann, obwohl Logan nicht hier ist. Wird er diesen Ort jemals wieder betreten? Wird er überhaupt noch mit mir reden? Oder wird er wieder in seine alte Art zurückfallen? Nicht, dass er jemals groß anders gedacht hat, aber er hat wieder ein wenig Vertrauen geschöpft, ein wenig Zuversicht.
Ich schließe die Augen. Ich sehe ihn vor mir, damals, als wir noch klein waren, wie wir uns auf Spielplätzen aufhielten, oder durch den goldenen Garten streiften. Als er mir das Versprechen mit dem Polarstern gab. Als das am Lagerfeuer passierte und als er nicht mehr mit mir sprach. Wie wir uns neu kennengelernt haben und wie ich ihn immer mehr mag, auch wenn ich es nicht zugeben will.
Ich erinnere mich an eine Szene, wo ich von der Schaukel am Spielplatz sprang und mir das Knie aufschlug. Damals waren nur wir beide dort und es wurde langsam dunkel. Ich glaube wir waren neun. ,,Schubs mich an, bis ich den Himmel erreiche!", höre ich meine kindliche Stimme rufen. Meine Arme waren ausgebreitet, weil ich immer fliegen können wollte, später aber, habe ich mich wieder festgehalten. ,,Schau mal, wie weit ich springen kann!", sprach ich laut, löste meinen Griff und schob mich vor. ,,Aber ich komme weiter", meinte Logan und tat es mir gleich. Wir machten oft solche Wettbewerbe, nicht, weil jeder der beste sein wollte, sondern weil wir an unsere Grenzen gehen wollten und es Spaß machte. Wir nahmen es nie wirklich ernst. Einige weitere Sprünge später viel ich auf mein Knie. Logan heilte mich damals mit seinen Kräften. Er wusste, dass es gefährlich ist, aber er wusste auch, wie man damit um zu gehen hat. Nur sehr mächtige Elementmenschen können dies und noch weniger trauen sich es zu versuchen, aber es klappte damals. Die Wunde war nicht ganz weg, aber der Schmerz. Ich kicherte dann, weil es kribbelte, da es wie betäubt war.
Ich denke daran, wie er mir immer sein Element gezeigt hat, wie er stolz darauf war. Jetzt verflucht er es, will es nicht mehr benutzen. Ich sehe ihn, wie er verletzt am Boden lag.
Was, wenn er wirklich sterben sollte? Eine Träne rinnt mir über mein Gesicht und weitere folgen ihr. Der Wind scheint sie weg zu wehen, scheint mich beruhigen zu wollen. Vielleicht ist es ja auch Iska oder Kashi? Der Gedanke entspannt mich ein wenig, auch wenn es irsinnig scheint. Nur, wenn da Götter sind, dann werden sie doch auch über Logan wachen, oder? Aber das Einzige, was ich machen kann, ist zu hoffen. Zu hoffen und zu warten.
Nach einer Weile trete ich meinen Weg nach Hause an. Es ist halb zwei Uhr nachts, als ich auf die Uhr schaue. Mein Blick haftet wieder an den Sternen, am Polarstern. Bis irgendwann meine Augen zufallen und ich ins Reich der Träume abgleite.

Elementmenschen ~Mädchen des Feuers~Junge des Wasser~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt