Kapitel 19.

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Zitternd stieß ich die Tür zum Institut auf und stolperte hinein. Ohne auf irgendjemanden zu achten ging ich durch die Eingangshalle und hinauf zu meinem Zimmer.
Dort angekommen zerrte ich mir die Jacke vom Leib und ließ sie achtlos auf den Boden fallen. Die war eh hin... Dann zog ich mir noch das T-Shirt aus und starrte die tiefe Wunde an, die ich am Bauch hatte. Die ganzen Bissspuren waren nicht so tragisch und das Yin Fen hatte nicht ganz die Wirkung, die es für einen normalen Shadowhunter hatte.
Während ich meine Heilrunen aktivierte, dachte ich nach. Meine eigenen Mutter, meine leibliche Mutter, wollte mich tot sehen! Als sie den Angriff befohlen hatte, hatte bei mir alles ausgesetzt. Ich hatte sie angestarrt und kaum gegen die Vampire gewehrt, die mich angegriffen hatten. Daher auch die Wunden und Bisse. Ramsey hatte mich zur Vernunft gerufen. Er war von mir fortgezogen worden, doch irgendwie hatten wir es geschafft, wieder zueinander zu kommen. Ich hatte ein Portal geöffnet und uns nach Idris gebracht. Doch kaum waren wir dort gewesen, hatte ich mich zurück nach New York geportet.
Ich war mir sicher, dass die beiden es so geplant hatten. Mein Vater wollte mich doch ebenfalls tot sehen...
Eine Träne lief mir über die Wange, doch ich wischte sie weg und hielt meine zitternde Hand über die Wunde am Bauch, um sie zu heilen.
Allerdings lenkte mich eine Stimme ab: "Was zum Teufel ist passiert?"
Ich blickte über die Schulter und sah Jace in der Tür stehen. Scheinbar war er den Bluttropfen gefolgt, die ich hinterlassen hatte. Er blickte entsetzt auf die Wunden, die sich gerade schlossen und die Bisse.
Mit zwei großen Schritten stand er bei mir und zwang mich, mich umzudrehen. Ohne ihn weiter anzuschauen sprach ich den Heilzauber aus und die große Wunde schloss sich. Dann entzog ich ihm mein Handgelenk und warf mein Shirt und die Jacke einfach in den Kamin, in dem sofort ein Feuer losging.
"Fel...", meinte er und ich hörte seiner Stimme an, wie besorgt er war, "bitte, sprich mit mir. Was ist passiert? Wer war das? Und wo kommst du her?"
Gequält blickte ich ihn an und biss mir auf die Unterlippe. Wenn ich es ihm erzählte, würde er sich in Gefahr bringen. Und vielleicht auch die anderen, indem er sie mit hinein zog. Daher schwieg ich lieber.
Ich ging also an ihm vorbei ins Bad, wo ich mich einschloss und gegen die Tür lehnte. Ich hörte, dass Jace sich bewegte und tief seufzte. Dann klopfte es.
Wieso konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Im Moment wollte sie wirklich nur Ruhe und alleine sein...
Seufzend ließ ich mir ein Bad ein und ignorierte Jace, der nach mir rief. Ich ließ mich einfach ins Wasser gleiten und tauchte ab.
Dann zog ich meineMagie zurück, sodass meine Katzenohren erschienen und ich besser hören konnte.
Mittlerweile waren in meinem Zimmer mehrere Leute. Den Stimmen nach war die übliche Truppe zusammengekommen. Es war also nur eine Frage der Zeit bis Magnus neben der Wanne stehen würde.
Jep, da war er auch schon. Zähneknirschend tauchte ich wieder auf und holte tief Luft. Dann blickte ich ihn an und bewegte unauffällig einen Finger. Während ich das tat, bewegte ich lautlos die Lippen. Das reichte, um den Zauber auszusprechen. Ab jetzt könnte er sich nur noch im Institut und in seiner Wohnung aufhalten. Alles andere hatte ich ihm sozusagen mit dem Zauber verboten. Schließlich wollte ich ihn nur beschützen.
„Was ist los?", fragte mein Bruder und ging neben der Wanne in die Hocke, „sprich wenigstens mit mir wenn nicht mit Jace."
Wortlos blickte ich ihn an. Wenn ich redete, würde er Lügen erkennen. Wenn er Lügen erkannte, würde er forschen. Und das würde ihn in Gefahr bringen.
Daher blieb ich lieber stumm. Ich wandte den Blick ab und tauchte wieder unter. Sollte er doch weiter versuchen, etwas aus mir herauszubekommen. Ich würde nichts, absolut nichts sagen.

Die Tage vergingen. Ich erledigte stumm meine Arbeit und isolierte mich mehr und mehr von den anderen. Der Einzige, bei dem das nicht klappte, war Max Lightwood. Er war seit ein paar Tagen hier und hing mir praktisch die ganze Zeit am Bein. Es störte mich nicht, immerhin erzählte er die ganze Zeit etwas und lenkte mich damit ab. Vielleicht hatten seine Geschwister ihn auch geschickt, um herauszufinden, was mit mir los war. Doch wenn ich ein Wort sagte, dann log ich nicht. Ich erzählte nichts von dem Angriff, sondern redete über belanglose Dinge mit Max. Er war noch ein Kind. Von ihm erwartete ich am wenigstens, dass er beabsichtigt meine Privatsphäre verletzte.
Oft waren wir zusammen beim Training und ich lehrte ihm, was ich wusste und konnte. Es machte sogar Spaß und erinnerte mich an meine Kindheit, in der Magnus und ich trainiert hatten.
Als er herausgefunden hatte, welchen Zauber ich über ihn gelegt hatte, hatte er mich angeschrien. Jedoch hatte ich nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Er wusste ja nicht, was geschehen war. Wieso sie das getan hatte.

„Redest du mit mir?", erkundigte Max sich einmal nach dem Training, als wir auf dem Boden saßen und uns noch mal dehnten.
Erstaunt schaute ich ihn an und schüttelte den Kopf. Es war erstaunlich, dass er nachfragte. Ich hatte nicht erwartet, dass es ihn interessierte.
Misstrauisch hob ich eine Augenbraue und seufzte dann. Vielleicht war es besser, wenn ich wenigstens einer Person etwas davon erzählte. Er würde es schon nicht verraten, wenn ich ihn darum bat...
"Meine Eltern leben beide noch," gestand ich also und zuckte mit den Schultern, "mein Vater ist ein Dämon, meine Mom eine ehemalige Shadowhunterin, die zu einem Vampir wurde. Und beide wollen mir tot sehen..."
Das war mal so mein aktuelles Leben zusammengefasst. Ich legte einen Finger an die Lippen und seufzte dann.
"Bitte, sag es niemandem..."
Er lächelte mich an und kratzte sich am Nacken. Sofort wusste ich, dass ich die Klappe hätte halten sollen. Keine Ahnung, wieso er so schuldbewusst dreinblickte, doch als ich über die Schulter blickte, sah ich, wieso.

Halfblood - Liebe auf der GrenzeWhere stories live. Discover now