Kapitel 20.

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Was hatte ich anderes erwartet? Dass seine Geschwister ihn nicht dazu bringen würden, mich zum Reden zu bringen? Hin und wieder war ich dann doch verdammt naiv...
Alle hatten dort gestanden, die Lightwoods, Jace und Magnus. Sie hatten mich mit riesigen Augen angeblickt.
Und dann hatte Magnus angefangen, mich anzuschreien. Ich hätte ihm doch versprochen, nichts alleine zu machen, was meinen Vater betraf. Wieso ich nichts gesagt hätte. Und noch viel mehr. Ich hätte irgendwann einfach auf Durchzug gestellt gehabt...
Dann hatte ich Jace' Blick gesehen. Wie verletzt er war. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt gehabt und die Kiefer aufeinandergepresst. Ich hatte praktisch gesehen, wie sein Kopf an einem Plan arbeitete, mich von der Last meiner Eltern befreien zu können. Er liebte mich und würde immer alles versuchen, um mir zu helfen oder mich zu retten. Doch in den meisten Fällen würde ich ihn daran hindern. Das würde immer so bleiben. Weil die Gegner, mit denen ich zutun hatte, zu gefährlich waren. Selbst für ihn.
Nachdem Magnus mit dem enttäuschten Anschreien fertig gewesen war, war ich aufgestanden und hatte mir ein Portal erschaffen, durch das ich in mein Zimmer gelangt war. Dort hatte ich die Tür abgeschlossen und angefangen, meine Sachen zu packen. Solange ich hier war, war niemand in dieser Stadt sicher. Doch wo sollte ich hin? Ramsey würde mich überall finden. Und ich wusste nicht, wie wichtig es meiner Mutter war, mich tot zu sehen. Vielleicht war ich vor ihr sicher, aber vor Ramsey auf keinen Fall.
Sollte ich über die anderen auch den Zauber legen, dass sie nur im Institut sein konnten? Nein, das war mir zu gefährlich. Mein Vater würde früher oder später wieder hier angreifen.
"Ich werd nicht zulassen, dass du gehst!", erklang Jace' Stimme und ich fuhr herum.
Er stand in der Tür, einen Schlüssel in der Hand. Hätte ich mir ja denken können, dass es hier irgendwo im Institut noch Zweitschlüssel für die Zimmer gab. Aber woher hatte er gewusst, dass ich hier war und nicht in Idris oder so?
Während ich ihn stumm anblickte, schloss er die Tür hinter sich und kam auf mich zu. Als er etwa einen halben Meter von mir entfernt war, blieb er stehen.
"Das ist nicht deine Entscheidung, Jace," meinte ich leise und blickte zur Seite auf den Koffer, der auf dem Bett lag, "ich muss euch beschützen."
"Du musst gar nichts!", fuhr er mich an und zwang mich, indem er mein Kinn umfasste, ihn wieder anzuschauen, "nichts außer bei mir zu bleiben. Ich kann es nicht ertragen, nochmal eine geliebte Person zu verlieren..."
Leicht zitternd blickte ich ihn an. Ich wollte ihn nicht verlassen. Doch er bedeutete mir mehr als mein eigenes Leben, daher würde ich es tun müssen. Daher würde ich mich Ramsey ausliefern müssen...
Ich hob eine Hand und strich zärtlich über seine Wange, während ich flüsterte: "Ich wollte sie dir zurückholen, Jace. Um dich zu beschützen war ich bereit, alles aufzugeben. Meine Gefühle, meine Erinnerungen..."
"Und was hätte ich Clary sagen sollen? Dass ich mich in eine andere verliebt habe?", fragte er fassungslos und legte einen Arm um mich, um mich näher an sich zu ziehen, "sie ist mir nicht mehr wichtig. Du bist es. Seit dem Tag, als du am Portal aufgetaucht bist."
Als ich seinem Blick nicht mehr standhalten konnte, blickte ich zur Seite. Wenn er so weiter machte, würde ich schwach werden und nachgeben. Und das durfte nicht passieren.
"Jace," seufzte ich, schüttelte den Kopf und entfernte mich von ihm, "ich kann nicht... ich..."
Während ich überlegte, ob ich einen Vergessenszauber anwenden sollte, war er mit zwei großen Schritten zu mir gekommen und presste seine Lippen auf meine.
Verdammt! Wieso konnte er nicht einfach aufgeben?!
In meinem Kopf sträubte sich alles dagegen, den Kuss zu erwidern und die Arme um ihn zu schlingen, doch mein Körper tat eben genau das.
Der Kuss hatte etwas verzweifeltet an sich. Verzweiflung, weil wir uns gegenseitig verlieren würden? Angst, ohne den anderen nicht mehr leben zu können? Ich wusste es wirklich nicht... Jace hob mich hoch und drückte mich gegen eine Wand.
Morgen früh... morgen früh würde ich meinen Plan fortsetzen...


Jace' Sicht:

Schon als er wach wurde, wusste er, ohne die Hand auszustrecken oder die Augen zu öffnen, dass sie weg war.
Die Küsse und Berührungen am Abend hatten sie verraten. Sie waren wie ein Abschied gewesen, weshalb er erwartet hatte, dass sie weg sein würde, wenn er erwachte.
Seufzend schlug er die Augen auf und setzte sich auf. Der Koffer stand zwar noch da und im Bad lief Wasser, doch er wusste, dass sie damit versuchte, ihn hinzuhalten. Sie war nicht mehr hier. Sie hatte ihn verlassen, weil sie dachte, ihn beschützen zu müssen.
Dabei war er in der Lage, sich selbst zu beschützen. Doch das sah sie wohl anders.
Kopfschüttelnd stand er auf, zog sich an und ging runter in die Zentrale, wo bereits Alec, Izzy, Max und Magnus auf ihn warteten.
"Hat der Aufspürzauber geklappt?", erkundigte er sich bei Magnus und legte Felisas Stele, die sie auf dem Nachttisch gelassen hatte, zwischen sie auf den Tisch.
Magnus blickte finster drein, weshalb er sich die Antwort schon denken konnte.
"Gibt es einen Ort, an den sie sich in so einer Situation zurückziehen würde?", fragte Max und bestaunte die Stele neugierig, "wo sie sich sicher fühlt und nicht so leicht gefunden wird?"
Magnus schüttelte den Kopf und seufzte: "Ihre Yacht. Aber da ist sie nicht. Das Boot steht noch im New Yorker Hafen... Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, sie ist in Idris. Bei dem Dämon, der sie gezeugt hat."
Jace weigerte sich, das zu glauben. Felisa war nicht so dumm und naiv zu glauben, dass dieser Dämon ihn und seine Familie in Ruhe lassen würde, wenn sie sich selbst auslieferte. Oder war sie blind vor Verzweiflung?
"Lass sie uns suchen," sagte Alec da, ergriff die Stele und hielt Jace die Hand hin.
Dieser nickte nur stumm und ergriff die Hände seines Parabatai. Vielleicht, hoffentlich, klappte die Parabatai-Suche...
"Idris!", murmelte Alec nach einer Weile, "ein altes Landgut..."
"Dann ist sie bei ihrem Vater," fluchte Magnus und schlug mit der Faust auf den Tisch, "wie kann sie nur so dumm sein?!"
"Ich denke," meinte Jace ruhig, um seine Angst zu verbergen, "dass wir damit ein Ziel haben und aufbrechen sollten..."

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⏰ Last updated: Mar 29, 2018 ⏰

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Halfblood - Liebe auf der GrenzeWhere stories live. Discover now