- Eine Möglichkeit -

97.1K 4.5K 1.6K
                                    

Wie ferngesteuert trottete ich gähnend zum Kühlschrank, holte aus ihm die Milch heraus, in der Hoffnung, Jona hatte nicht schon vorher so daraus getrunken, und goss mir einen kleinen Teil in die kleine grüne zerkratzte Schüssel

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Wie ferngesteuert trottete ich gähnend zum Kühlschrank, holte aus ihm die Milch heraus, in der Hoffnung, Jona hatte nicht schon vorher so daraus getrunken, und goss mir einen kleinen Teil in die kleine grüne zerkratzte Schüssel. Dann griff ich ebenso unglaublich schnell nach den ranzigen bunten Lieblingseinhorncornflakes von Jona und schüttete mir eine Menge in die Milch.

Also eigentlich meinte ich mit einer Menge und mit der Milch, dass diese Schüssel zehn Prozent flüssigen Anteil hatte und der Rest aus Cornflakes bestand.

Sozusagen nicht Milch mit Cornflakes, sondern Cornflakes mit Milch.

Erneut gähnend, mein Kiefer knackte dabei merkwürdig, öffnete ich das Schubfach mit dem Besteck - zumindestens wollte ich es öffnen, stattdessen aber hielt ich die Front von der Schublade plus Griff in der Hand. Der Restbestand vom Schubfach mit dem Boden und seinen niedrigen Wänden befand sich noch immer dort, wo es vorher auch schon war.

"Ach scheisse", zischte ich. 

Laut klappernd legte ich die Front auf den schmalen Esstisch neben mir ab, den ich mindestens genauso so sehr hasste wie dieses hässliche Schubfach, weil ich mindestens einmal am Tag mit der Hüfte gegen die spitze Ecke lief.

Das Parkett knarrte, was so viel hieß, dass jemand den Flur entlang lief und wenig später stand meine Tante in der Küche.

"Guten Morgen, Sonnenschein."

Als ich mich zu ihr umdrehte und ihr breites strahlendes Grinsen sah, das auf ihrem Gesicht förmlich festgetackert war, fragte ich mich zum wiederholtenmal in den vielen Jahren, in denen ich hier schon wohnte, wie sie bitte an jeden Montag so gute Laune haben konnte.

Ich konnte das einfach nicht verstehen.

Deshalb rang ich mich auch nur zu einem schwachen Lächeln ab, wahrscheinlich glich es eher einer Grimasse. "Morgen", begrüßte ich sie knapp.

Ihre grauen Augen, die Jona eins zu eins von ihr vererbt bekommen hat, wanderten zu dem kaputten Schubfach herüber. "Oh, ist es schon wieder kaputt? Ich habe es doch erst gestern geklebt", meinte sie irritiert.

"Ja", machte ich nur. 

Mehr fiel mir dazu nichts ein, da unsere Schubfächer, als wäre alles zeitlich vorprogrammiert, nacheinander kaputt gingen und wir sie dann wieder flickten. Die Besteckschublade war nun schon zum fünften Mal fast auseinandergefallen.

"Ich kümmere mich später darum." Schnell trank sie noch einen Schluck von ihrer dampfenden Tasse, höchstwahrscheinlich mit koffeinfreien Kaffee gefüllt und trat dann lächelnd auf mich zu, um mich kurz zu umarmen. Ihr vertrauter Parfumduft nach Vanille und etwas anderes stieg mir in die Nase. 

Fest drückte ich sie ebenfallls an mir.

Ich liebte meine Tante über alles, sie war mir sogar schon wichtiger als meine Mutter geworden. Oder mein Vater. Beide waren nie da, wussten nichtmal banale Sachen wie zum Beispiel meine Lieblingsfarbe oder die Fächer, in denen ich gut war. Wenn ich meine Tante danach ausfragen würde, könnte sie alles haargenau beantworten, selbst wenn sie oft arbeiten musste. Und auch Jona, der ja auch mehr oder weniger fast ein Bruder für mich ist, kennt leider schon fast zu viele Details über mich, aber... das machte doch eine Familie aus.

Dark RoomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt