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Roman Hunter war wohl der einzige Alpha in diesen Raum, der es tatsächlich mit seinem Sohn aufnehmen und mit Leichtigkeit besiegen könnte. Der Anführer des  Venatores-Rudels.

Das war der Titel des Mannes, der mich aus meiner Lage befreite und mir einen freien Platz am Tisch anbot, ehe er sich selbst neben Everett Lowe, Damiens Vater und dem momentanen Beta, setzte. Der Platz neben ihm blieb frei. Der Platz der Luna, zur Linken des Alpha, wie Jared einmal vor Jahren zufällig erwähnt hatte.

Und irgendetwas sagte mir, das sich auch niemand mehr auf diesen Platz setzen würde.

Noch immer war das Essen in einen dichten Mantel der Stille gehüllt, auch wenn mit dem Eintreffen des Alphas ein paar einzelne Stimmen klägliche Versuche starteten die Spannung mit ein paar gekonnten Fragen zum Erliegen zu bringen.  Meine Hauptaufgabe bestand währenddessen jedoch darin zu versuchen mit meiner Schiene zu essen, die Blicke zu ignorieren und Jared zu beobachten. Nicht mich bei Gesprächen über Bären einzubringen.

"Gab es Auffälligkeiten beider Morgenpatrouille?" Die schwere Stimme des Alpha hatte kein Problem damit bis zum Ende des Raumes vorzudringen, er selbst keines damit Jared zu ignorieren und stattdessen die Frage einfach in den Raum zu werfen, in der Hoffnung jemand würde sie schon auffangen und beantworten.

Nur tat es wohl leider der Falsche "Außer das jeder sich gewundert hat wann Beta und Alpha sich an die Kehle springen?" Der Junge, anders hätte man den Jugendlichen in diesem Moment nicht bezeichnen können, auch wenn er mich um gut ein paar Zentimeter übertraf,  spuckte den Titel des Rudelführers nur so aus, machte auch dem Letztem klar das er von Jared und nicht von Roman sprach.

Damiens Mutter, Cecile Lowe, wie ich erfahren hatte, beugte sich zu dem Jungen hinüber, der ihr bei genauerem Betrachten erstaunlich ähnelte, und schlug ihm gegen den Hinterkopf. Dieser fluchte ein leises Mom ehe er sich wieder seinem Essen zuwandte.

Nur eine Handvoll Wölfe wusste das ich bereits einmal mit Jared in Kontakt getreten war. Damien hatte mir geraten meinen Geruch zu überdecken, so gut es bei Werwolfsinnen nun einmal möglich war. Sie kannten den Grund für diese Fehde nicht. Zumindest betete ich dafür.

Eine Frau räusperte sich. Lillian "Die Umbrae wagen sich immer weiter über die Grenzen. Ein paar Spuren reichen gut vierhundert Meter ins Gebiet. Drew glaubt sie reißen Wild" Kaum ein Rudel setzte noch auf die Jagd. Es war ein primitiver Lebenstil, einer von dem sich die meisten Wölfe abwandten. Doch auf fremden Territorium zu jagen, die Rechte eines anderen Rudeln mit Füßen zu treten, konnte als Angriff geachtet werden. Etwas das sogar ich verstand.

Genauso wie die Rudelmitglieder an diesem Tisch, deren Aufmerksamkeit nun auf dem Alpha lag. Roman legte die Hände ineinander, sah in die Runde, die sich in Kampfeslust und Furcht aufspaltete. Er schwieg für ein paar Sekunden. Rührte sich nicht. Keiner tat das. Die Szene ließ mir einen Schauer den Rücken herrunterlaufen.

"Es sind Vermutungen, Lillian. Ich werde nicht die Leben meines Rudels riskieren um verschwundenes Wild zu rächen."  Er sprach mit einer festen Überzeugung, keiner Spur der Verunsicherung. Das Rudel respektierte seine Entscheidung. Der Großteil jedenfalls.

Einer der Jungwölfe, vielleicht sechzehn, ein dichter, brauner Lockenkopf und spitzen Kinn gab ein Knurren von sich "Wir haben schon unsere Luna verloren. Wir sind mitten in einem Krieg indem wir uns von ein paar Rouge zum Idioten halten lassen!"

Er hatte noch immer einen schmalen, kindlichen Körperbau, doch irgendetwas in seinen braunen Augen verriet das er alphageboren war. In ein paar Jahren dieses Rudel verlassen würde um sein eigenes zu gründen. Wie die Tradition es vorsah.

"Wir werden keinen Gegenangriff verüben" Roman sah für ein paar Sekunden auf den leeren Platz zu seiner Linken, einen verletzten Schimmer in seinen Augen.

Wir haben schon unsere Luna verloren, ein grausames Schicksal für ein Rudel.
Doch zugleich musste Roman eine Gefährtin und Jared eine Mutter verloren haben. Ein tiefer Schaden. Lunas wurden beschützt, es war kaum möglich sie anzugreifen. Und doch war sie tot

"Die Umbrae sind noch immer kein gebündeltes Rudel, es ist nicht möglich sie anzugreifen ohne Risiken einzugehen" das erste Mal das ich Everett Lowe sprechen hörte. Er hatte die Hände vor sich gefaltet, der Gesichtsausdruck kühl und nachdenklich. "Wir können nicht vorgehen sofern sie sich nicht auf einen Ort konzentrieren. Das wäre idiotisch"

Der Jungwolf schien noch immer mit dieser Entscheidung unzufrieden, fixierte nun mich "Wenn sie herrausfinden das bald der Posten des Alphas übergeben wird, werden sie nicht die Füße stillhalten. Ein weiterer Omega als Luna. Wir müssen ihnen zeigen das wir ihnen überlegen sind. Noch bevor das Rudel in den Abgrund gestürzt wird."

Ich hätte mehr aus dieser Rede ziehen müssen als nur die drei Wörter die nun tatsächlich in meinem Kopf ringten. Ein weiterer Omega. Jareds Mutter war eine Omega gewesen. Eine die gegen die Umbrae gefallen war. Und ich würde ihr Nachfolger werden. Es wurde erwartet das ich starb. Jared erwartete es.

Deshalb. Darum der gesamte Terror der letzten Jahre. Weil mein Mate meinen Tod bereits erwartete. Weil es nicht nur unbegründete Sorgen, sondern akute Gefahr bedeutete. Weil schon einmal eine Luna gestorben war.

"Wenn...ich mich entschuldigen dürfte" 

Ich wartete auf keine Antwort, stürmte aus dem Raum, nahm den einzigen Weg den ich kannte. Jenen in den dritten Stock.

"Ray!" Jared. Der mir mit schnellen Schritten folgte, auch ohne wie ich jede zweite Treppenstufe überspringen zu müssen.

Der mich schon innerhalb der nächsten Minuten einholte, meine Schulter fixierte. Ich versuchte mich loszureißen. Ich konnte ihn in diesem Moment nicht um mich herrumhaben. Er hatte mich in einem Pool aus Lügen und Geheimnissen versinken lassen, nie eine einzige Erklärung gegeben.

Wieso? Um mich nicht zu verängstigen? Hatte er mit diesen Wölfen geschlafen um mich nicht zu verängstigen? Andy bestochen? Nein. Nichts von alldem. Ich hörte auf mich zu wehren, ließ mich zu Boden sinken.

"Ray..." seine Stimme war zu einem Flüstern geworden als er sich neben mich setzte. Ich krallte meine Hand in meine Haare, schloss für ein paar Wimpernschläge die Augen. "Verschwinde, Alpha" Er schüttelte den Kopf, schmunzelte humorlos.

Ich brauchte Zeit zum denken. Ohne ihn. Um mich mit der Idee zu konfrontieren von einem fremden Rudel zerfleischt zu werden und der Reue mein Leben nicht schmerloser beendet zu haben. Es nicht zu können.

"Jared?" Ein Winzeln. Eines auf das nicht nur er, sondern auch sein Wolf reagierte. "Werde ich hier sterben?" Er seufzte, zog mich gegen seinen Torso.

"Nicht wenn ich es verhindern kann"

Chasing MatesDove le storie prendono vita. Scoprilo ora