Opfer

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-Shazy-


Wieder einmal schlenderte ich ziellos durch meine Wohnung, die ich ganz für mich hatte, denn meine Eltern waren vor Jahren von Wölfen totgebissen worden. Jetzt war ich hier, nicht im Waisenhaus, nicht auf der Straße, sondern in einem gescheiten Zuhause, wo man sich nicht um das Satt-Essen prügeln musste, weil die Erzieherin zu doof war, um genug für alle zu kochen.

Ich musste langsam gehen, denn vor Kurzem wurde ich in der Schule verprügelt, wobei ich mir mein Steißbein gebrochen hatte.

Ich hasste Mike so sehr. Am liebsten würde ich ein Messer nehmen und ihn ermorden.

Nur leider war es strafbar, also ließ ich es. Nen bin ich schon fünf mal vom Kinderzimmer zum Arbeitszimmer und zurück.

Bei jedem Schritt spürte ich einen stechenden Schmerz, der von hinten kam. Aber ich lief trotzdem weiter. Jeder Schmerz ließ mich Mike noch mehr hassen. Eines Tages würde ich ihn mit Hass ersticken können. Aber bis dahin war noch ein Weilchen.

Schon zum siebten Mal ging ich ins arbeitszimmer, das vorher meinem Vater gehört hatte. Er war Informatiker und ich lernte von ihm das Hacken. Immer wieder hackte ich Geld auf mein Konto, beziehungsweise das Konto von meiner Mutter, das jetzt logischerweise mir gehörte. Heute hatte die Bank wieder aufgefüllt. Das hieß für mich: Es war mehr zum Weghacken da.

Ich beschaffte mir jeden Monat 500 Euro. Das reichte mir, wenn ich nichts Weiteres wollte als durch das Leben zu kommen. Als ich meine "Arbeit" erledigt hatte, ging ich zum ehemaligen Zimmer meiner Eltern, stellte mich da ans Fenster und schaute hinaus zu den endlos scheinenden Wiesen und einer einzelnen Hütte, das seit Jahren verlassen war. Niemand wusste, wer da vorher gewohnt hatte. So entstand der Aberglaube, dass da mal ein Serienkiller gewohnt hatte, weswegen ich auch nicht da hin ging. Wenn man auf der anderen Seite des Hauses aus dem Fenster schaute, dann sah man links ein schmaler Weg, der vom Neubaugebiet hinunter zur Stadt führte. Vor einem war dann auch das ganze Neubaugebiet zu sehen - Dahinter ein Wald. Ein dichter Wald, wo sich ebenfalls niemand hintraut. Da lauern Wölfe. Jene, die für mein Waisenkinddasein verantwortlich waren.

Bei dem Anblick fiel mir auf, dass ich noch die Hausaufgabe machen musste, die benotet werden sollte. Deswegen quälte ich mich die Treppe runter, holte meinen linierten Block und stellte mich an den Tisch. Hinsetzen konnte ich mich ja dank Mike eh nicht.

Auf dem Tisch lagen überall Stifte verstreut, die ich bei einem Malwettbewerb benutzt hatte. Den hatte ich zwar gewonnen, aber ich sprach nicht darüber. Es interessiert doch sowieso niemanden. Niemanden kümmert es, was mich glücklich machte, was mich schlecht fühlen ließ, was für Probleme ich hatte...

Hausaufgabe war es, eine Geschichte zu schreiben. Irgendeine. Sie soll den Leser daran erinnern, wie schön oder wie schlecht das Leben war. Da ich nichts Schönes zu berichten hatte, nahm ich einfach das Schlechte. Die Geschichte handelte von einem Mädchen, das von ihrem Clan verstoßen wurde, nur weil es die Augenfarbe rot hatte. Ihre Familie denken, sie hätten eine Hexe geboren.

Als ich fertig war und den Stift beseite legte, fiel mir auf, dass ich seit 48 Stunden nichts anderes getan hatte, als zu stehen und auch mal zu laufen. Schlaf hatte ich schon öfters vernachlässigt. Ich konnte nicht schlafen. Ich wanderte nachts einfach durch die Straßen und schaute, wo welche Geld verloren hatten. Am Witzigsten fand ich es, als ein Kleinkind mich "Serienmörder aus der Hütte" genannt hatte.

Ich machte einen Versuch und setzte mich hin. Es war Sonntag, also zwei Tage nach dem Unfall. Als ich aber anfing, mein Gewicht nach hinten zu verlagern, zuckte ich vor Schmerz, schrie leise auf und stand dann im gleichen langsamen Tempo wieder auf wie ich mich hingesetzt hatte.

Morgen war wieder Schule, was ich liebend gern 'Hölle' definierte. Bei den Gedanken daran zog ich eine Grimasse und fragte mich, wie ich Mike dazu bringen konnte, mein Hintern in Ruhe zu lassen.

Ich konnte mich krankmelden.

Nein, konnte ich nicht. Ich war schon zu oft nicht in der Schule gewesen. Sie würden mich Schulschwänzerin nennen und mich noch mehr hänseln, als sie es ohnehin schon taten. Ich musste zur Hölle.


686 Wörter, ein Kapitel und ein dummer Autor. Das erklärt wohl alles? Jetzt werde ich wohl jeden Tag von "Unbekannte Mächte" was veröffentlichen und von diesem hier. Es sind Ferien und ohne Schule keine Schreibblockaden. (Tschüss, Logik!)

ALPHAWhere stories live. Discover now