Von vorne

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-Jonas-


Den ganzen Schultag lang ging mir Shazys Rettungsaktion einfach nicht aus dem Kopf. Ich wusste nicht, ob ich mich schämen sollte, dass mich unbedingt ein Mädchen retten musste, oder mich freuen, weil Shazy anscheinend doch lebend und unversehrt aus dem Wald raus ist. Die ganze Doppelstunde saß ich nur da, sagte kein Wort. Ich schien einfach nur leblos, denn ich rührte mich kein bisschen. Aber das ging ja noch, da Herr Trageser offensichlich aus seinem selbst geschriebenen Buch vorlas. So genau kriegte ich es auch wieder nicht mit. Immer wieder bekam ich hasserfüllte Blicke von Mike ab, der wahrscheinlich Rache schwur.

Alisha, die von Frau Tschiers neben mich gesetzt wurde, starrte die ganze Zeit in meine Richtung. Irgendwie wusste ich, dass sie genauso viel von Herr Tragesers Buch mitbekam wie ich. Erst als Herr Trageser sein Buch zuklappte und die ganze Klasse klatschte, wachte ich teilweise auf und klatschte verschlafen mit.

Noch immer wusste ich nicht, warum ich so müde war. War wohl die ganze Situation...

An der Bushaltestelle setzte sich Alisha auch wieder neben mich. Schweigend saß sie da und starrte in meine Richtung, während ich mein WhatsApp checkte. Ich ging zu Shazys Kontakt und sah etwas, was mich Schlimmes vermuten ließ.

Das letzte Mal, wo wir was geschrieben hatten, war vor 3 Jahren. Wir hatten uns damals über die weiterführende Schule abgesprochen. In der Grundschule waren wir noch Klassenkameraden, die sich sogar noch sehr gut verstanden. Dann wurden wir aber getrennt und hatten immer weniger Kontakt zueinander. Aus einem unerklärlichem Grund mied sie mich. Erst dann bemerkte ich, was mir wirklich wichtig war.

Und jetzt? Das selbe Gefühl, und doch war es zu spät. Aber es war nicht die letzte Nachricht, die sie mir geschickt hatte, die mich beunruhigte. Es war ihr Status: Das letzte Mal online vor 5 Monaten

Ich versuchte, mich abzulenken und fragte deshalb Alisha, die die ganze Zeit still und leise da saß, wie weit sie es mit dem Entwurf für unser Plakat hatte. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass sie das Plakat entwurf und ich es dann zeichne. Danach malt sie alles mit ihren speziellen Stiften aus. Sonderlich Hoffnung in dieses Projekt hatte ich eh nicht. "Das beste Plakat von der 7a und 7c wird vor unserer Schule ausgestellt", hatte Frau Tschiers uns verraten.

"Ähm... Nun ja... Also... Ich habe jetzt auf jeden Fall schon mal...", stotterte Alisha erst mal los, "Ich habe jetzt schon den Entwurf zuhause fast fertig, ich kann es ja dann morgen in Kunst mitbringen." "Ja, mach das.", antwortete ich knapp und nickte dabei, um meine Aussage zu verdeutlichen.

Als der Bus kam, verabschiedete ich mich kurz bei Alisha, die mir daraufhin verträumt hinterherwinkte, und stieg in den Bus ein, der wie immer ganz hinten hielt, sodass die ganzen Leute erst mal 10 Kilometer, gefühlt, laufen mussten. Im Bus schnappte ich mir einen Platz ganz vorne, steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und blickte mich hoffnungsvoll um.

Und doch war keine Spur von Shazy im Bus. Da fiel mir plötzlich ein, dass auf dem Vertretungsplan stand, die 7a hätte nur 5 Stunden, da Frau Elschner heute auf Fortbildung war.

Auf einmal durchkam mich wieder das komische Gefühl, das mich nach meinem Handy greifen ließ, WhatsApp öffnen ließ und meiner Mutter sagen ließ, dass ich heute noch mal zu Shazy ginge. Gelogen hatte ich diesmal nicht, denn ich hatte nur gesagt, ich würde zu Shazy gehen.

Theoretisch musste sie ja jetzt zuhause sein... Zu Verlieren hatte ich ja eh nichts.... Oder?...


So lange schon kam nichts Gescheites.... Jetzt kamen 586 Wörter, ein gefailtes Kapitel und eine neue Art von Mensch raus: Flasche. Suppa!

ALPHAWhere stories live. Discover now