Eine Reise in die Vergangenheit

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Unterdessen verbrachte Miller die Nacht an seinem Schreibtisch und überlegte. Es muss doch einen Anhaltspunkt geben. Eine Spur bei der man beginnen kann... 

Er stand von seinem Stuhl auf und betrat den kühlen Flur. Er ging den roten Teppich entlang und kam dabei am Zimmer eines Kollegen vorbei. 
"Miller?" fragte dieser. 
"Ja?" erwiderte er und schaute durch die Tür ins Büro. 
"Du bist ja auch noch hier. Oh man offenbar lässt die Arbeit uns einfach nicht locker wie?" fragte der Kollege und grinste. 
"Das Verbrechen schläft nicht..." sagte Miller nur. 
"...also tun wir das auch nicht" sprach der Kollege und beendete so mit den Satz. 

"Arbeitest wohl immer noch an dem Fall mit dem Vermissten was?" fragte er nach einer kurzen Pause. 
"Das macht mich fertig... es gibt einfach keine Anhaltspunkte" sagte Miller verzweifelt und ging in das Büro seines Kollegen. 
"Ich dachte du hattest eine Spur auf dem PC des Jungen gefunden" erkundigte sich sein Kollege verwundert und runzelte die Stirn. 
"Die Spur ist kalt. Dieser Kai lebt nicht mehr bei der dazu gehörigen Adresse..." sagte Miller und strich sich mit der rechten Hand durch die Haare. 

"Kai?" fragte sein Kollege nur und lehnte sich auf den Tisch. 
"Du meinst doch nicht etwa Kai Winter oder?" hakte der Kollege nach. 
"Wieso willst du das so genau wissen?" entgegnete Miller, denn dieser merkte schon das irgendetwas an der Reaktion faul war. 
"Ich erinnere mich an den Fall. Er ist vor ein paar Jahren einfach verschwunden. Als ich noch Streifenpolizist war war ich oft bei ihm Zuhause. Der Vater war ein verdammter Tyrann" sagte der Mann. Aus seiner Stimme konnte man Mitgefühl heraushören. 

"Was wurde aus Kai?" fragte Miller interessiert. 
"Warte..." sagte sein Kollege und ging zu einem großen Schrank welcher in einer Ecke seines Büros stand. 
"Die Akte müsste hier noch irgendwo sein" fügte er dann hinzu und öffnete das Schubfach des schwarzen Schranks.  Nach kurzer Zeit hatte er gefunden wonach er sucht. Er setze sich wieder zu seinem Kollegen an den Tisch und öffnete den Ordner. 

In ihm enthalten war ein Psychologisches Profil, eine Art Lebenslauf, ein Gutachten der Schule, ein Zeitungsartikel und ein Abschlussbericht. 

"Dürfte ich mir das mal mitnehmen?" fragte Miller während sein Blick auf dem Dokument liegt. 
"Solange du mir das Ding wiederbringst wenn du fertig bist" sagte sein Kollege und schob es zu ihm. 
"Danke. Du warst mir eine große Hilfe" sagte Miller dankbar und nahm den Ordner in die Hand. 
"Das ist selbstverständlich. Wenn er wirklich der Täter ist... ich will mir gar nicht ausmalen was sein Opfer durchmachen muss... Geschweige denn die Eltern..." 
Er seufzte. 
"Ich erinnere mich jedenfalls noch an ein Paar Details. Der Vater war oder ist ein Alkoholiker. Die Mutter ist bei der Geburt verstorben und Kai Winter hatte einen festen Freund... aber auch das war nicht von langer dauer... wurde von einem Auto erfasst... direkt vor Kais Augen..." 
Er schaute hoch zu Miller. 
"Es gibt Fälle welche einem auch nach Jahren im Dienst klar in Erinnerung bleiben. Wie kann ein so junger Mensch nur so viel Pech haben... manchmal glaube ich es gibt einfach Menschen welche von Anfang an nie eine Chance hatten... Und er ist einer dieser Menschen..." 

"Dennoch... wenn er hinter der Entführung steckt wird er wie jeder andere auch zur Rechenschaft gezogen" sagte Miller ernst bevor er sich verabschiedete. Als er sich gerade umdrehte sprach sein Kollege ihn noch einmal an. 
"Du hast Recht... aber vergesse nicht das nicht jeder Mensch als Monster geboren wird. Einige unglückliche Menschen werden auch zu welchen gemacht. Durch die Eltern, die Schule oder Freunde... und nicht jedes Monster handelt aus bösen Absichten. Im Gegenteil, ich denke Menschen wie Kai handeln aus Gründen welche wir vielleicht einfach nicht verstehen"

Miller nickte nur und ging dann in sein Büro. Er verstand die Worte seines Kollegen. Nicht jeder Dieb ist gleich ein schlechter Mensch. Aber hier geht es nicht um eine Tüte Gummibärchen sondern um das Leben eines Menschen. Außerdem waren alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Da ist es egal wie die Umstände ihrer Tat waren. Für jene werden sie zur Rechenschaft gezogen. 

Er setzte sich wieder an den Schreibtisch und schaute sich die Unterlagen an. 

Der Zeitungsartikel drehte sich um den Unfall seines Freundes. Im Lebenslauf wird auf den bisherigen Werdegang das Jungen eingegangen. Er schien ein guter Schüler zu sein. Sein letztes Zeugnis hatte einen Gesamtdurchschnitt von 1,4. Im Gutachten der Schule wurde erwähnt, dass er abrupt nicht mehr zu Schule kam und das nur eine kurze Zeit nach jenem Unfall bei dem sein Freund ums Leben kam. Desweiteren wird von vielen Mobbing Attacken gegen den Jungen berichtet welche sich über eine ziemliche Zeitspanne zogen. 

Doch was Miller am meisten faszinierte war das Gutachten des Schulpsychologen. 

Offenbar war Kai anfangs sehr fürsorglich, fast schon zu nett. Er war ein gutherziger Junge. Auch wenn er etwas schüchtern gewirkt haben soll so viel er häufig durch seine Hilfsbereitschaft auf. Unter seinen Freunden galt er als die Person welche immer ein offenes Ohr für Probleme der anderen hatte. 
Doch all das schien sich rapide zu ändern. Während der Mobbing Periode wirkte er sehr abwesend und zurückgezogen. Er sprach kaum noch und seine nette Art schien komplett verschwunden zu sein. 
Im letzen Gespräch kurz nach dem Tod seines Freundes äußerte er immer wieder das er nicht glaubt das 'Josh' fort ist. Er äußerte immer wieder die Aussage das er nicht weiß wie er ohne ihn weitermachen solle und das er all das nicht alleine schaffen kann. Er fühlte sich alleine gelassen und hatte niemanden dem er vertraut. 

Während Miller durch das Gutachten schaute beschloss er sich einmal mit dem Schulpsychologen zu Unterhalten. Dies würde er gleich morgen in die Tat umsetzen. 

Im Abschlussbericht wurde erwähnt das er verschwunden war und seid dem kein Lebenszeichen von ihm gefunden wurde. Da er all seine Personalien sowie sein Telefon bei sich zuhause ließ und ohne ein Wort zu sagen verschwand geht man davon aus das er von Zuhause weggelaufen ist, auch wenn ein Selbstmord nicht ausgeschlossen ist. 

Aus all dem konnte Miller herauslesen das Kai offenbar sehr Verzweifelt ist. Da niemand weiß wo er sich befindet wird er wohl auch sehr Einsam sein. Das könnte seine offensichtlich Labile Psyche noch weiter aus der Bahn werfen. 

Anhand der Akte konnte Miller jedoch auch etwas anderes feststellen. Denn Kai hatte die perfekten Motive für solch eine Tat... für eine Verzweiflungstat. 

Der HinterbliebeneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt