Paralysiert

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Ein paar Tage vergingen. 

Niklas saß immer noch vor der Zeichnung, welche vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Mittlerweile müsste er jeden Strich studiert haben, aber es war nicht die eigentliche Zeichnung die ihn faszinierte. Es war das seltsame Gefühl welches er beim anschauen hatte. Irgendwie fühlte es sich gut an, es beruhigte den so aufgewühlten Junge. Wieder und wieder schaute er sich das geschriebene an. Ihm viel auf wie gut es seine Situation beschreibt. 

Sie sind so nah... und doch so fern. Der Fakt das die Polizei sich nicht meldete machte ihm noch mehr Sorgen. Sein Kopf war voller Gedanken, voller Ideen was er tun könnte. Und trotzdem saß er einfach nur hier, still,  mit nassen Augen und bewunderte die Schönheit dieser vielleicht einmaligen Zeichnung eines einmaligen Menschen aus einer Zeit welche vielleicht nie wieder kommen wird.

Es klopfte an seiner Tür. Schnell wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht. 
"Ja?" sagte er. 
"Niklas..." sagte die sanfte Stimme seiner Mutter. 
"Ich habe das Gefühl das du dich... verändert hast und ich mache mir Sorgen" 

Die besorgte Mutter schaute auf die hölzerne Tür bevor sie sie langsam öffnet. 

Ihr blick ging auf ihren Sohn, welcher vollkommen verunsichert an seinem Schreibtisch saß. 
"Es ist alles gut Mom, es ist nur... Paul" seufzte der Junge und wende seinen Blick wieder der Zeichnung zu. Die Mutter aber wusste das etwas nicht stimmt. Sie spürte es förmlich. 
"Du hast ihn mir nie vorgestellt" sagte sie und ging langsam auf den Schreibtisch zu. 
"Er war auch anders als meine anderen Freunde. Paul war nicht der Typ mit dem man viel Mist gebaut hat oder so" bemerkte Niklas verzweifelt. 
"Ich kann verstehen das es dich traurig macht das er fort ist" sagte die Mutter nur um dann unterbrochen zu werden. 
"Er lebt! Das weiß ich okay?" antworte Niklas laut. 
"Schatz... Die Polizei tut alles was in ihrer Macht steht glaube mir, aber es ist nicht einfach jemanden zu finden der quasi vom Erdboden verschluckt wurde" sagte die Mutter in ruhiger Stimme und legte ihrem Sohn eine Hand auf die Schulter. 
"Also glaubst du auch das er Tod ist oder was?" sagte Niklas und schaute in das Gesicht seiner Mutter. In seinen Augen sammelten sich Tränen. 

Für einen Moment war die Frau still. Sue blickte in das Entsetzte Gesicht ihres Sohnes. 
"Niklas... Ich möchte nur das du auch in Betracht ziehst das er nicht mehr wiederkommen wird. Ich will dich nicht noch mehr leiden sehen als du es sowieso schon tust" sagte sie unsicher. 
"Lass mich einfach in Ruhe okay? Ich gebe ihn nicht einfach auf! Er hat es nicht verdient einfach vergessen zu werden. " 
Von Wort zu Wort wurde Niklas immer und immer lauter. 
"Das verlangt doch auch niemand!" antwortete seine Mutter entsetzt. 
"Doch! Ihr verlangt das ich einfach weiter mache. Das ich einfach der Polizei vertraue die bis jetzt nichts erreicht hat! Gar nichts!" 
Die Mutter kam kaum mehr zu Wort. 
"Weißt du was Mom? Wenn du auch glaubst das er Tod ist dann lass mich einfach in Ruhe okay?" sagte er abschließend und schaute von ihr Weg. 
"So meinte ich das nicht... Ich wollte dir damit nur klar machen das es im Moment nicht gut aussieht" sagte sie leise. 
"Lass mich einfach" sagte Niklas leise. 
"Ich wollte dir eigentlich nur sagen das das Essen fertig ist" sagte sie dann und ging aus dem Zimmer zurück in die Küche. 

Niklas atmete noch einmal tief durch bevor er ihr hinunter folgte. Sein Vater saß mit einer Zeitung am Tisch. Wie immer stand bereits alles fertig auf dem Tisch und der Geruch von Fleisch breite sich im Raum aus. Normalerweise würde Niklas jetzt das Wasser im Mund zusammenlaufen aber er verspürte einfach keinen Appetit. Sein Bauch fühlte sich so aufgewühlt an. Sein Herz schlug immer noch vor Aufregung. 

Dennoch setzte er sich an den Tisch. Immerhin wollte er nicht noch mehr Ärger anzetteln. 

Auf der Titelseite der Zeitung sah er ganz groß Pauls Gesicht. 
"Fahndung immer noch ohne Erfolg" stand dort in schwarzen Großbuchstaben. Begleitet von der Zeile "Gibt es überhaupt noch Hoffnung für Paul K." 

"Kann ich die Zeitung mal haben?" fragte Niklas seinen Vater. 
"Seid wann ließt du Zeitung?" fragte dieser verwundert und schaute zu seinem Sohn. 
"Wegen der Schlagzeile" antworte Niklas ohne seinen Blick von Pauls Bild abzuwenden. 
"Mein Gott, ich kann das schon gar nicht mehr hören! Geschweige denn lesen. Aus jeder Kleinigkeit muss man ein Drama machen. Wir sind als Teenanger auch abgehauen und es lief nicht überall!" regte der Vater sich auf. 

Die Mutter schaute besorgt zu Niklas. Sie konnte sich denken was gleich passiert. 

"Was  soll das denn jetzt heißen? Paul war ein Freund von mir!" warf Niklas ihm vor und schlug wütend auf den Tisch. 

"Dann solltest du ja wissen wieso er abgehauen ist stimmts?" fragte er vorwurfsvoll. 
"Was willst du damit sagen?" Niklas wurde rot vor Wut und ärgerte sich über das Empathielose Fehlverhalten seines Vaters. 
"Seine Mutter ist doch nur auf Arbeit. Er ist immer alleine Zuhause. Kein Wunder das ein Kind da abhaut" erklärte der Vater aufbrausend. 
"Komisch das gerade du das sagst" antworte Niklas und stand auf. 
"Willst du mich veraschen Niklas? Ich bitte dich..." versuchte er sich zu erklären, doch der Junge ging genervt davon. 

Die Ausreden seines Vaters waren ihm egal...

Der HinterbliebeneWhere stories live. Discover now