Kapitel 4

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Es war etwa zwei Tage später, Candra hatte sich bereits durch so einige Bücher gelesen und auf dem großen Tisch in der Haupthalle stapelten sich leere Pizzakartons und die Reste chinesischer Nudelboxen. Wenn sie schon hier im Bunker bleiben musste, dann machte sie es sich wenigstens gemütlich. Vor ihr lag ein Buch über Werwölfe und verwandte Arten von Monstern. Das Mädchen hatte sich in den Kopf gesetzt heraus zu finden, warum der Werwolf, der sie so übel zugerichtet hatte, deutlich stärker als andere seiner Art gewesen war. Das Buch war alt, die Seiten waren schon vergilbt und manche zeigten deutliche Risse auf. Solche Bücher waren ihr die liebsten, so gab es nicht nur im Buch eine Geschichte sondern das Buch selbst besaß eine. Sie blätterte umher, doch fand nicht wonach sie suchte. Als sie die letzte Seite des dicken Lederbands aufschlug, durchzuckte es sie. Diese Art von Wunden hatte sie schon mal gesehen, und zwar auf den Leichen, die Sam ihr am Laptop gezeigt hatte. Sie las sich den Text durch, es passte perfekt. Das Monster was sie suchten war ein Okami, wenn es nicht mehrere sogar waren. Zwar kamen diese so genannten Cousins des Werwolfs eigentlich aus Japan, aber Candra erinnerte sich an das Austauschprogramm mit Japan, weshalb sie sich damals ebenfalls die Universität von Wichita angesehen hatte. Wahrscheinlich waren ein oder mehrere Okami dadurch in die USA gekommen und vergriffen sich nun an Studentinnen, jeder einzelne Satz der Beschreibung dieser Monster passte zum aktuellen Fall.

Schnell wählte sie die Nummer des Jägers, der gestern schon ein Mal angerufen hatte. Er hatte ihr beschrieben wie sehr sich die Polizei hier gegen die angeblichen FBI-Agents wehrte und das sie so vermutlich viel länger brauchen würden den Fall aufzuklären. Es klang allerdings nicht so, als hätten sie bereits eine Idee worum es sich bei dem Monster handelte. „Komm schon..." murmelte das Mädchen, als das Telefon klingelte. Doch es klingelte einfach weiter. Sie hatte leider nur Sams Nummer auf ihrem Handy gespeichert, sie hatte vor der Abfahrt der beiden nicht mehr mit Dean geredet und konnte ihn somit auch nicht mehr erreichen. Nachdem sie das Chaos, welches sie selbst im Hauptraum geschaffen hatte, wieder beseitigte, die Bücher an ihre Plätze zurückstellte und auch die Essensreste verschwinden lies, wählte sie Sams Nummer erneut. Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum, während das typische tutende Geräusch aus dem Handy erklang. Wieder ging niemand ans Handy. Das Mädchen hatte ein ungutes Gefühl im Bauch, irgendetwas stimmte nicht. Sie beschloss im Waffenlager nach einem gesegneten Bambusdolch zu suchen, der einzigen Waffe mit der man einen Okami töten wollte. Tatsächlich fand sie einen, offenbar hatten die beiden Jäger schon mit einem Monster dieser Art zu tun gehabt. Diese Waffe war zu speziell um sie ohne das Wissen über diese Werwolf-Gattung zu lagern. Ein letztes Mal rief das Mädchen Sam an und als sich erneut niemand meldete, griff sie entschlossen nach dem Dolch. Sie würde einfach einen Oldtimer aus der großen Garage nehmen, aber das ungute Gefühl breitete sich nun in ihrem ganzen Körper aus und lies ihre Hände nervös kribbeln. Sie musste einfach zu den beiden Brüdern fahren.

Es war ein Glück, dass sich Sam am Telefon kurz über Motel beschwert hatten in dem sie übernachten mussten, sodass Candra die beiden recht einfach finden konnte. Wichita war eine große Stadt, in der man sich erst ein Mal orientieren musste. Kaum Fußgänger und verstopfte Straßen machten das Bild einer Großstadt, wenn nicht sogar der größten Stadt in ganz Kansas, perfekt. Angekommen in dem wirklich schäbigen Motel am Rand der Stadt fragte Candra nach den beiden Männern, die sie suchte. Die dicke, weißblonde Frau an der Rezeption blickte kaum von ihrem Handyspiel auf, als sie ihr die Raumnummer nannte. Tatsächlich öffnete Dean ihr die Tür, als sie heftig gegen diese schlug. Er machte ein verwirrtes Gesicht, sie hatte er nun wirklich nicht erwartet. „Es ist ein Okami, Dean." sagte Candra direkt, als der Jäger die Tür hinter ihr ins Schloss fallen lies. Er trug noch immer einen Anzug um das Bild des FBI-Agents nicht zu zerstören und obwohl Candra nun deutlich wichtigeres zu tun hatte, musste sie sich eingestehen, dass es Dean stand. Er wirkte, als habe er nie etwas anderes getragen, was das Mädchen bei einem Mann wie ihm nun wirklich nicht erwartet hatte. „Bist du dir sicher?" fragte er nach und riss die Brünette aus ihren Gedanken. Schnell erläuterte sie ihm die Anzeichen für ein solches Monster, welche sie alle samt in der Bibliothek gefunden hatte. Dean leuchtete es ein. Die Brüder hatten vor einiger Zeit schon ein Mal mit einem Okami zu tun gehabt, doch da sie ursprünglich nur in Japan vorkamen und sehr selten anzutreffen waren, hatte er nicht an diese Unterart des Werwolfs gedacht. Doch nun fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, die Kleine hatte Recht. „Aber deshalb bin ich nicht hier." sagte sie dann. „Sam geht nicht an sein Handy." „Er wollte an der Universität herausfinden wo die Austauschstudenten aus Japan während ihrer Zeit hier leben, während ich mich mal wieder mit der Polizei herumschlagen durfte. Er ruft sicher an, wenn er fertig ist." versuchte Dean Candra zu beruhigen. Er selbst mochte es ebenfalls nicht wenn sein kleiner Bruder sich so lange nicht meldete, besonders bei einem Fall. Aber er überspielte diesen Anflug von Unsicherheit um nicht überfürsorglich zu wirken. „Dean, bitte, ich glaube es ist etwas passiert. Können wir nicht wenigstens zur Uni fahren und ihn dort treffen?" fragte Candra, doch Dean zögerte noch. Sam würde ihn sicher damit aufziehen, darauf konnte er sehr gerne verzichten. „Verdammt Dean, vertrau mir einfach!" sagte sie nun etwas lauter und sah ihn eindringlich an. Dean gab endlich nach. „Aber wir fahren mit meinem Baby, auch wenn du mit dem 1948er Tucker Torpedo eine recht gute Wahl getroffen hast." beschloss er noch und zog die schmutzigen Rollläden zu, sodass er den draußen parkenden Wagen nicht mehr sehen konnte. Einer seiner Mundwinkel war bei dieser Aussage nach oben gegangen, war das tatsächlich seine Art um ein wenig Anerkennung zu zeigen?

Es war schon Abend, als sie bei der Universität angekommen waren. Der Sonnenuntergang war zu dieser Jahreszeit recht früh und schon jetzt war die ganze Stadt in ein schummeriges Dämmerlicht getaucht, das stetig dunkler wurde. Der große Altbau der Universität ragte hoch in den Himmel auf, als Dean und Candra durch die große Vordertür gingen. Dean befragte eine der Sekretärinnen, deren Büro direkt an die große Eingangshalle angrenzte. Da Candra selbst immer noch in Sams zu großem Hemd und der verdreckten Hose herumlief, blieb sie vor dem Büro stehen. Ein FBI-Agent mit einem jüngeren Mädchen im Schlepptau, welches zudem auch noch aussah als hätte sie ihre Kleidung in der Mülltonne gefunden, warf sicher kein gutes Licht auf ihn. Der Bambusdolch, den sie in den Bund ihrer Hose gesteckt hatte würde dabei ebenfalls nicht helfen. Die Tür des Büros rastete ein und das Mädchen stand alleine in der großen Halle. Offenbar waren gerade Vorlesungen, denn niemand war zu sehen. Die Universität erinnerte sie an die, auf die sie selbst gegangen war. Ein wenig vermisste sie dieses normale Leben schon, das Lernen in den Zimmern des Studentenwohnheims, die vielen Stunden in der Bibliothek und die vielen Abenden, die sie auf Studentenverbindungs-Partys verbracht hatte. Und das größte Risiko damals war gewesen nach einer solchen Party in einem fremden Bett auf zu wachen. Inzwischen war der Tod jederzeit möglich, ihre selbstgewählte Lebensaufgabe verlangte so einiges von ihr. Sie seufzte, als ihr die Bilder dieser vergangenen Zeit durch den Kopf wanderten. „Alles in Ordnung?" fragte Dean, Candra hatte gar nicht gehört wie er die Tür erneut geöffnet hatte und nun vor ihr stand. „Ja, ich war nur auch mal auf so einer Uni. Da kommen Erinnerungen hoch." murmelte Candra und hob ihren Blick. „Hm, Studentinnen." grinste Dean nur, doch Candra gab ihm einen leichten Stoß gegen die Schulter, bevor sie dann noch lächelnd das Thema wechselte. Sam hatte nicht untertrieben, der junge Mann hatte sich nicht nur nicht ganz unter Kontrolle, sondern hielt auch viel zu viel auf sich selbst. Aber auf eine noch ertragbare, fast schon lustige Art.

Dean schlug einen Weg über den Campus ein, vorbei an einigen Vorlesungs- und Forschungsgebäuden, hinüber zu einem bestimmten Wohnheim für die Gäste. „Die Sekretärin meinte Sam hätte nach diesem Wohnheim gefragt." erzählte Dean auf dem Weg dorthin von seinen neuen Erkenntnissen. Candra nickte nur, doch trotz dieser guten Nachricht, dass Sam gesehen wurde, ging ihr ungutes Gefühl nicht weg. Es war sogar, als verstärkte es sich noch weiter.

Herzräuber (Supernatural Fanfiction)Where stories live. Discover now