Kapitel 19

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Candra saß auf ihrem Bett und schrieb einige Stichpunkte über die Fähigkeiten von Kobolden auf einen Zettel, wenn sie daraus ihre Schlüsse zog, würde sie ihre Fähigkeiten vielleicht einsetzen können. Als sie Schritte im Flur hörte, klappte sie das Buch schnell zu und schob es unter einige andere – gerade noch rechtzeitig. Castiel kam ohne sich vorher an der Tür bemerkbar zu machen in den Raum hinein. Candra hätte gerade lieber mit ihren Brüdern gesprochen, sie wusste nicht wie sie Castiels Reaktionen auf sie einschätzen sollte. Außerdem war sie sich ihrer eigenen nicht im klaren, und wenn sie dann noch an die Konsequenzen dachte, wurde ihr ganz schwindelig. Wobei, das konnte auch von Castiels Ausstrahlung kommen. Direkt als er den Raum betrat fühlte sie das Blut in ihren Kopf steigen, zum Glück war sie einer der Menschen, die selbst beim Sport kaum rot wurden. Hoffentlich war dies auch bei ihr peinlichen Situationen so, das hoffte das Mädchen inständig. „Candra, ich..." begann Castiel, doch die Jägerin stand nur auf. Das lies den Engel tatsächlich verstummen, zu Candras Erleichterung. Alles was er gesagt hätte, hätte sie verunsichert. Das wusste sie ganz genau. Doch Castiel war nur verstummt, weil es ihm die Sprache verschlagen hatte. Nun denn, dann musste er das, was er ihr sagen wollte eben anders ausdrücken. Sie stand kaum einige Zentimeter weit von ihr entfernt, sodass er sie leicht an der Hüfte zu ihm hinziehen konnte. Candra war leicht überrascht von dieser forschen Art, die sie bei einem Engel nicht erwartet hätte. Doch statt an ihren gut durchdachten Plan der Zurückhaltung zu denken oder sich ins Gewissen zu rufen, dass sie eigentlich gerade einen Rettungsversuch für Adam starten wollte, lehnte sie sich leicht nach vorne und küsste Castiel. Obwohl der Engel sich auf dem Weg zu ihrem Zimmer so viele Gedanken gemacht hatte, schien er diese gar nicht mehr zu brauchen. Beinahe stolperten die beiden schon in Richtung des einsamen Bettes im Raum.

Candra lag mit geschlossenen Augen im Bett, die Ruhe im Raum war kein bisschen unangenehm. Erst als Castiel wagte etwas zu sagen, zuckte sie zusammen. Denn es war kein romantischer oder gar aufs Flirten ausgelegter Spruch, den sie jetzt erwartet hätte, sondern eine äußerst erschreckende Frage. „Woher kommt die neue Narbe?" fragte der Engel nun, in einem neutralen Ton, als wäre gerade nichts zwischen ihnen passiert. Castiels gerunzelte Stirn war das Anzeichen für Candra, dass er es ernst meinte. „Die ist auch vom Werwolf, Cass." versuchte sie es noch zu retten. „Ist er nicht." sagte Castiel und stieg aus dem Bett. Er schaffte es immerhin noch sich anzuziehen, bevor er wortlos aus der Tür ging. Candra seufzte nur, doch richtig sauer wurde sie erst, als sie ein bekanntes Klicken wahrnahm. Der Engel hatte sie doch tatsächlich in ihrem eigenen Zimmer eingeschlossen. „Verdammte Scheiße, Cass! Lass mich hier raus!" rief sie, als sie sich wenigstens ein Hemd übergestreift hatte und nun mit beiden Fäusten gegen die Tür trommelte. Erst als sie merkte, dass all dies nichts brachte, realisierte sie, wohin der Engel wahrscheinlich auf dem Weg war. Schnell hatte sie das Buch wieder aufgeschlagen, welches sie eben noch vom Bett geworfen hatte und begutachtete ihre Notizen. Sie musste schnell sein, sonst würden die Winchesters samt einem ziemlich wütenden Engel gleich ihren ganzen Plan versauen.

„Sie hat uns angelogen." kam es von Castiel ziemlich deutlich, als er in den Hauptraum trat. Sam und Dean drehten sich langsam und verwirrt zu ihm um. Sam grinste in sich hinein, während der Gesichtsausdruck seines Bruders mal wieder ins abfällige rutschte. Die Haare des Engels waren deutlich verwuschelt und auch sein Hemd saß nicht perfekt, etwas, das dieser sonst nie zulassen würde. Als Castiel jedoch sah, dass niemand genau seine Aussage verstand, atmete er noch ein Mal durch. „Sie hat in Laramie einen Kobold gefunden und seine Fähigkeiten adaptiert, ich weiß nicht wie sie das ausgehalten hat aber sie hat eine neue Narbe über ihrem Herzen." erklärte er den beiden Brüdern nun, was er bemerkt hatte. Sam sprang fast schon von seinem Stuhl auf. „Wie konnten wir das nicht bemerken?" fragte er als erstes, doch Dean dachte pragmatischer. „Wo ist sie?" fragte er direkt. „Auf ihrem Zimmer, ich habe sie dort eingesperrt. Mit Technik und meiner Gnade." Dean nickte ihm zu, zum Zeichen, dass er es gut gemacht hatte. „Wir dürfen sie nicht in den Käfig lassen, wieso versteht sie das denn nicht?" fragte Sam nun, sichtlich aufgebracht, aber im Gegensatz zu Dean sah man deutlich die Sorge in seinen Augen. Sein Bruder lies sich dies nicht wirklich anmerken. „Wir können es noch ein Mal versuchen..." diesmal war Dean derjenige, der die beste Lösung zu haben schien. Sein rationales Denken hatte ihm wenigstens diesmal dabei geholfen. Kaum brach Castiel den Zauber, den er über die Tür gelegt hatte und Dean drehte den Schlüssel im Schloss herum, schwang die Tür auch schon weit auf und zeigte einen gänzlich leeren Raum. Nur die Bücher hatte das Mädchen aufgeschlagen zurückgelassen, der Zettel lag auf dem Boden, als habe sie ihn gerade erst geschrieben. Ein geflüstertes „Son of a Bitch!", mehr brachte Dean nicht heraus, während Sam sich nur verzweifelt durch die Haare fuhr. Und Castiel? Castiel ging einige Schritte in den Raum hinein und fragte sich, ob er jemals so einen Schmerz gefühlt hatte.

Als Candra ihre Augen wieder öffnete, stand sie in Dunkelheit. Erst als sich ihre Augen an diese gewöhnt hatten, erkannte sie vor sich einen Käfig. Er hing in der Luft, nur gehalten von dicken Ketten, die irgendwo in der Ferne befestigt sein mussten. Sie stand auf einem kleinen Vorsprung, kurz bevor die Gitterstäbe losgingen. Als sie nach unten sah, sah sie dort in der Tiefe einen rötlichen Schimmer. War sie wirklich in der Hölle? Es schien fast schon ruhig zu sein, nur wenige Stimmen konnte sie in der Ferne ausmachen. Als sie hinhörte, entpuppten sie sich als Schreie, klägliche Schreie. Doch Candra schüttelte den Kopf um sie aus ihren Ohren zu kriegen, sie dufte sich jetzt nicht ablenken lassen. Sie konnte nicht jeden retten, das musste sie sich leider bewusst machen. Sie schloss erneut die Augen und erinnerte sich daran, wie die Beschreibung der Teleportation von Kobolden funktionierte. Erneut öffnete sie die Augen und war nun umgeben von Gitterstäben. Ebenfalls machte sie sich unsichtbar, die Fähigkeiten eines Kobolds waren einfacher zu erreichen als die von Werwölfen. Vielleicht waren Werwölfe auch einfach triebgesteuertere, animalische Wesen, im Gegensatz zu den intelligenten Feenwesen aus Avalon. Candra konnte nun nur noch von denjenigen gesehen werden, von denen sie es auch wollte. Hoffte sie jedenfalls, schließlich hatte sie diese Kräfte noch nie ausprobiert. Es war ruhig im Käfig, doch sie erkannte ihren Bruder in einer Ecke liegen. Er sah unglaublich geschunden aus, es war kaum noch eine Stelle an seinem Körper übrig, die nicht entweder blutete oder grün und blau geschlagen worden war. Erst jetzt erkannte sie einen weiteren Mann im Käfig, doch er hatte sich gegen die Stangen gelehnt und die Augen geschlossen. Irgendetwas undefinierbar helles schwebte ebenfalls im Raum, Candra deutete diese beiden Wesen als die beiden anderen Insassen des Käfigs. Engel schliefen nicht, das war Candra inzwischen klar geworden, aber vielleicht brauchten auch diese manchmal eine Pause. Hoffentlich erkannten sie das Mädchen nicht, trotz ihrer Unsichtbarkeit. Schließlich waren es unglaublich mächtige Erzengel, da sollte man doppelt vorsichtig sein, dachte sie. Langsam ging Candra zu ihrem Bruder hinüber, die Augen immer noch an die anderen beiden Männer geheftet. Sie zitterte ein wenig, die Angst vor dem Teufel persönlich und auch vor einem verrückten Erzengel konnte sie kaum verbergen. „Adam?" flüsterte sie, als sie neben ihrem Bruder kniete. Eine einzelne Träne rann über ihr Gesicht, tatsächlich war es eine Freudenträne. Schließlich konnte sie ein todgeglaubtes Familienmitglied nun wieder in die Arme schließen, durch ihre allgemeine Anspannung konnte sie die Träne nicht mehr zurückhalten. Adam öffnete seine blau umrandeten Augen, ganz langsam. Sein Blick war leer, doch es war, als suchte er nach etwas. Und als er dann nach einiger Weile Candra erblickte, breitete sich ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht aus. Die Narben rund um seine Lippen ließen mehr leider nicht zu, aber Candra verstand doch, was er damit meinte. Doch sie schien ihre Unsichtbarkeit vernachlässigt zu haben, denn eine Stimme zeigte ihr, dass nicht nur ihr Bruder sie sehen konnte. Oder hatten sie etwa mit ihr gespielt und die ganze Zeit gewusst, dass sie da war? „Wen haben wir denn da? Einen Gast, wie erfreulich!" hörte sie hinter sich eine Stimme säuseln, die trotzdem gefährliche Schwingungen verbreitete. Der Mann mit den blonden, kurzen Haaren und einem leicht verlebten Gesicht hatte die Augen geöffnet und als Candra in diese sah, lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Seine Augen waren rot und sie strahlten ungebändigten Schmerz aus. Seinem Blick konnte man sich nicht entziehen. „Ich weiß wer du bist, Luzifer." sagte sie, denn niemand sonst würde solch stechende, hasserfüllte Augen haben. „Du kannst mir nichts vormachen." fügte sie dann noch hinzu. „Als hätte ich so etwas vor, können diese Augen lügen?" fragte er, mit einem aufgesetzten, unschuldigen Gesicht. „Ja, ich glaube sie können nichts anderes." sagte Candra und wusste selbst nicht woher diese neue Selbstsicherheit kam. Irgendwie gab ihr Bruder ihr Kraft, das hatte er schon früher immer getan. Er war die größte Unterstützung die sie jemals gehabt hatte und nun, da sie ihn wieder hatte, fühlte sie sich wie die stärkste Frau der Welt.

Herzräuber (Supernatural Fanfiction)Where stories live. Discover now