Kapitel 6

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„Wir sollten vielleicht eine Pause einlegen, und zwar wir alle." sagte Dean zu seinem Bruder, während er die Wunde an seinem Hinterkopf begutachtete. Sie war nicht besonders tief und hatte auch nur wenig geblutet, dennoch hatte sie es geschafft Sam in eine Ohnmacht zu befördern. Nun sah nicht nur Candra ziemlich ramponiert aus, sondern auch der junge Jäger. Einige Kratzer zierten seine Arme und auch seine Wangenknochen, an denen man sich fast selbst schneiden konnte. „Ausnahmsweise stimme ich dir zu." sagte Sam und fuhr sich durch das verwuschelte Haar. Die Rückfahrt war wie im Flug vergangen, Dean hatte seinem Bruder im Impala wohl die Einzelheiten der Suche nach ihm geschildert und auch Sam hatte seine Version erzählt. Da Candra mit einem der Oldtimers aus der Garage hergefahren war, hatte sie die Fahrt alleine mit guter Musik verbracht, die Ruhe nach dem Sturm hatte ihr auf jeden Fall gut getan. Natürlich hatte auch Sam sie danach über seine Erlebnisse aufgeklärt. Er hatte sich, wie Candra und Dean selbst schon herausgefunden hatten, bis zum Wohnheim der Studenten auf Auslandssemestern durchgefragt und war dort in besagtes Zimmer gegangen. Dort hatte er wohl die weibliche Okami erwischt, wie sie durch den Schacht klettern wollte, und aus Panik oder aus einem nicht besonders schlauen Reflex des Selbstschutzes griff sie ihn direkt an. Er erinnerte sich jedoch nur noch an die Hälfte des Kampfes, bis er dann unliebsame Bekanntschaft mit einem der Bettpfosten gemacht hatte. Doch seine Recherchen waren wirklich gut gewesen, auch wenn es ziemlich junge und daher auch unvorsichtige Okami gewesen waren. Sam war sich sicher, dass die beiden die einzigen Okami waren, allerdings weitere Studenten diesen Monstern geholfen haben müssen, schließlich war der Durchgang durch das Regal wieder verschlossen worden – und das obwohl beide Okami in dem geheimnisvollen Raum unter der Erde gewesen waren. Wie auch immer, sie hatten den Fall gelöst. Und tatsächlich war Candra froh, in der nächsten Zeit nicht erneut eine solche Aufregung erleben zu müssen. Das Jagen war anstrengend und auch wenn sie diesen Lebensstil liebte, mit ihren ganzen Wunden war es doch etwas viel für sie. Die Narben machten sich bei beinahe jeder Bewegung bemerkbar auch wenn die Gehirnerschütterung deutlich zurück gegangen war, fühlte sie leichte Kopfschmerzen, als sie wieder im Bunker waren. Wenigstens bis zu ihrem Termin im Krankenhaus würde sie sich ausruhen, das legte sie fest.

Es war am nächsten Morgen, als Candra gerade von einer Einkaufstour zurückkam. Sie war durch einige nahegelegenen Dörfer gefahren und hatte auch in Lebanon selbst einige kleine Läden gefunden. Es was nichts im Gegensatz zu den großen Einkaufszentren, die sie bereits in Wichita ausgemacht hatte, aber der Weg war ihr deutlich zu weit. Und außerdem hatte sie gefunden, was sie gesucht hatte. Einige schwarze Jeans, Oberteile und Pullover. Nicht zu vergessen war natürlich die schwarze Lederjacke, die sie tatsächlich der Verkäuferin eines Ladens abgekauft hatte. Diese kleinen Dörfer boten kaum die Kleidung an, die sie sich gewünscht hatte und so musste sie alles nehmen was sie kriegen konnte. Sam und Dean hatten ihr einige gefälschte Kreditkarten zur Verfügung gestellt, damit sie die neue Kleidung bezahlen konnte. Denn leider war diese ja auch aus ihrem Wagen geweht und in den Winden verteilt worden, auch wenn sie zugeben musste, dass sie davor schon nicht besonders viel besessen hatte. Aber so konnte sie die freie Zeit sinnvoll nutzen, Sams Hemden waren vielleicht tragbar aber die langen Ärmel fielen ihr viel zu oft über die Hände, als das sie diese Oberteile auf Dauer tragen wollte. Nach einer weiteren Runde durch einen Lebensmittelladen kam sie wieder im Bunker an. Unter den Armen die vielen Tüten, gefüllt mit Kleidung und ihren Einkäufen, kam sie in den Bunker. Dean saß unten am Tisch und sah sich etwas auf seinem Laptop an, gebannt sah er in den Bildschirm und verfolgte den Film. „Ich bin wieder da!" rief sie ihm zu und er nickte freundlich, doch wandte sich dann wieder dem Bildschirm zu. „Du kannst mich ruhig richtig begrüßen, Dean, ich habe dir schließlich den Kuchen mitgebracht, den du wolltest!" sagte sie lachend und holte diesen aus einer ihrer vielen Tüten. Deans Augen begannen zu strahlen und nahm seine Lieblingsmahlzeit entgegen. Auf seinem Laptop lief ein Clint Eastwood-Film, welchen er jedoch bei der Aussicht auf Kuchen direkt pausierte. Candra sortierte gerade ihre weiteren Tüten, während sich Dean mehr wie ein Tier als ein Mensch über den Kuchen hermachte, als Sam in den Raum kam. Mitten in der Bewegung hielt Candra inne, denn der größere der beiden Brüder kam wohl gerade aus dem Trainingsraum. Seine verschwitzen Haare klebten noch an seiner Stirn, doch das war es nicht, was ihre Aufmerksamkeit erweckte. Er trug kein Oberteil und war wirklich gut gebaut, was das Mädchen zugeben musste. „Candra, ich dachte du kommst später zurück." sagte er lächelnd, sich seines guten Aussehens definitiv bewusst. Das T-Shirt, was er wahrscheinlich eigentlich tragen wollte, hielt er in der Hand, doch machte keine Anstalten es sich über zu ziehen. Candra wurde rot und entkam endlich ihrer Schockstarre, sowohl Sam als auch Dean hatten ihre viel zu deutlichen Blicke wohl bemerkt. „Ähm, ja, ich bin schon wieder da." sagte sie und strich sich verlegen eine Strähne hinter ihr Ohr, bevor sie die Kleidungstüten alle aufsammelte und sich schnell umsah, ob sie auch nichts vergessen hatte. Sie warf noch einen Blick auf Dean, der schon den halbe Kuchen verputzt hatte, jedoch ganz und gar nicht glücklich aussah. Mit einem vernichtenden Blick sah er seinen Bruder an, doch Candra konnte nicht ganz zuordnen warum. „Ich bringe meine Sachen mal auf mein Zimmer..." sagte das Mädchen dann noch und drehte sich um. Die Situation war ganz schön peinlich gewesen, auch wenn Sam immer noch darüber lächelte. Sie selbst ging schnellsten Schrittes in Richtung ihres Zimmers.

„War das wirklich nötig?" fragte Dean seinen Bruder in einem genervten Ton, als Candra außer Sichtweite war. Sam zuckte mit den Schultern und auf seinem Gesicht erkannte man den Anflug des Hundeblicks, den sein Bruder nur zu gut kannte. „Ich weiß nicht was du meinst." fügte Sam noch hinzu und streifte sich das graue Shirt über, welches er in der Hand gehalten hatte. „Du hältst mir eine Standpauke, dass wir sie nicht bei uns wohnen lassen sollen, weil ich sie angeblich so schamlos anmache und jetzt tust du es selbst? Doppelmoral steht dir nun wirklich nicht gut, Sammy." Deans Worte waren beinahe schon eine Anklage, sogar seinen halben Kuchen lies er auf dem Tisch stehen und beachtete ihn nicht mehr. „Bist du etwa eifersüchtig?" fragte der jüngere Bruder nun und runzelte belustigt die Stirn. „Bestimmt nicht!" kam es etwas zu schnell von Dean. „Ich mag sie einfach und will nicht, dass sie verletzt wird. Wir sind alle Jäger, Sammy, das würde niemals gutgehen. Das wissen wir beide doch nur zu gut." Dieser nickte, sein Bruder hatte recht. „Trotzdem – ich mag sie einfach. Es ist als würden wir uns alle schon seit einer viel längeren Zeit kennen, obwohl wir sie erst vor ein paar Tagen gefunden haben. Und ich weiß nicht woran es liegt." erläuterte Sam, was er fühlte. Der jüngere Bruder war schon immer gut darin gewesen, seine Gefühle in hübsche Worte zu packen, anders als Dean. Dieser seufzte nun. „Ich weiß was du meinst." sagte er nur und bestätigte damit die Aussage seines Gegenübers. Mit einem leichten Nicken wandte er sich wieder dem Kuchen zu und damit war das Gespräch beendet. Sam wusste, dass er nun nicht mehr an seinen Bruder herankommen würde, doch er war schon dankbar für diesen einen Satz. Seit Dean aus dem Fegefeuer wiedergekehrt war und Castiel dort verblieben war, schien Dean seine wahren Emotionen noch mehr zurück zu halten als sonst. Er überspielte es ziemlich gut, scherzte herum und wie man sah flirtete er auch mit der nächstbesten weiblichen Person. Aber tief in seinem Inneren sah es ganz anders aus, das fühlte Sam deutlich. Er hoffte inständig, dass Castiel bald einen Weg aus dem Fegefeuer finden würde, denn die beiden Jäger konnten von hier oben rein gar nichts tun und das tat auch Sam in der Seele weh. Die ganzen Fälle waren kaum eine gute Ablenkung gewesen und so war er froh, dass er ihm wenigstens seine Gedanken über Candra mitzuteilen schien. Die beiden Brüder mochten sie wirklich, sie wussten nur noch nicht genau wie sie dieses seltsame Gefühl einzuordnen hatten.

Herzräuber (Supernatural Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt