• Sixteen •

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„Mamá hat gesagt, sie möchte nicht, dass ich herkomme", sagt Jaime am anderen Ende der Leitung. "Tut mir leid, Emilo."
Ich seufze und lehne meine Unterarme auf die Ablage in der Küche. Ich antworte nicht und schaue aus dem Fenster. Es ist ein schöner Tag. Der Himmel ist klar, die Sonne scheint, Vögel zwitschern. Perfekt, um heute mit Óscar Sterne zu beobachten.
„Kann ich dann zu euch kommen? Irgendwann mal? Nächstes Wochenende vielleicht? Da hab ich Zeit, Mamá wird bestimmt nicht-"
"Emilo", unterbrach Jaime mich lachend. "Wir kriegen das bestimmt noch hin. Aber im Moment ist das alles ein bisschen schwierig, das verstehst du doch, ¿verdad?"
"Sí", murmel ich enttäuscht. "Pero te extraño."
Ich höre Jaime seufzen. "Ich weiß. Ich vermisse dich auch. Wir kriegen das schon wieder hin. Aber jetzt hör auf zu schmollen und erzähl mir nochmal von diesem Óscar. Kann er wirklich so gut malen?"
Entgegen meiner eigenen Erwartungen, fange ich an zu lächeln. Mein Lächeln verschwindet nicht, während ich aus dem Fenster schaue und meinem Bruder nochmal von Óscar erzähle.
Es ist seltsam. Über Óscar könnte ich den ganzen Tag reden.

***

„Hast du alles?", ruft meine Mamá von unten. Ich schwinge gerade meinen eingerollten Schlafsack über meine Schulter, María kommt im selben Moment aus ihrem Zimmer und verdreht bei meinem Anblick ihre Augen.
Kleine Schwestern sind nervig.
„Ja!", rufe ich ein bisschen genervt zurück. Ich bin sechzehn, ich brauche ihre Hilfe nicht mehr. Ich werde nur eine Nacht lang wegbleiben, nichts besonderes.
„Willst du wirklich nur den Schlafsack mitnehmen, cariño?" Mamá hebt eine ihrer Augenbrauen, als ich mit dem Schlafsack herunterkomme.
Ich zucke mit den Schultern und ziehe meine Schuhe über.
„Nimm noch eine Jacke mit. Hace frío."
„Es ist nicht kalt, es ist Juli."
„Emilo."
„Mamá, ich brauch keine-"
„¡Emiliano!"
Ich schnür wütend meine Schuhe zu und reiße eine Jacke von der Garderobe. Ich glaube, es ist Héctors alte Jacke.
Ich schaue meine Mamá unzufrieden an, sie stemmt nur ihre Hände in die Hüften und sieht mich an, als würde sie mir am liebsten ihre Pantoffel um die Ohren hauen.
Bevor das passieren kann, beeile ich mich, aus dem Haus zu kommen.
Óscar steht schon da, er sitzt auf seinem Fahrrad und schenkt mir ein wunderschönes Lächeln. Ich wusste vorher nicht, dass Jungs auch ein wunderschönes Lächeln haben können. Aber dann denke ich an Teo und weiß, dass das eine Lüge ist.
„Hola", grüße ich.
„Hola", erwidert Óscar und nimmt mir meine Tasche ab, bevor ich etwas einwenden kann. Er tut sie vorne in den Fahrradkorb und es ist erst in dem Moment als mir auffällt, dass das nicht sein Fahrrad ist.
"Ist das Camilas Fahrrad?", frage ich, als wir loslaufen.
Er nickt. "Meins hat keinen Korb. Wir müssen auch gleich erstmal zu mir, um das Teleskop zu holen."
"Achso."
Wir laufen eine Weile lang in Stille. Die Sonne geht langsam unter, der Himmel sieht aus wie eines von Óscars Kunstwerken.
"Hast du die neue Folge von 'El auto increíble' gesehen?", fragt Óscar.
"'El auto increíble'? Ist das die Serie mit dem sprechenden Auto?"
Óscar nickt. "Sí, se llama KITT."
"Nein, hab ich nicht", schüttel ich den Kopf. Ich will ihm nicht sagen, dass wir keinen Fernseher haben. Ich kenne die Serie nur, weil Héctor mir manchmal davon erzählt, wenn wir telefonieren.
Óscar antwortet irgendwas, aber das bekomme ich nicht mehr so richtig mit. Im nächsten Moment halt ich mich an Fahrrad fest, meine Augen flattern zu.
Ich schlafe ein.

Als ich wieder wach werde, steht Óscars Fahrrad vor mir und Óscar sitzt neben mir im Schneidersitz. Seine Augen liegen auf mir und er lächelt leicht, als ich ihn anschaue.
„Wie lange war es diesmal?", frage ich und gähne. Ich weiß nicht mehr warum, aber irgendwann hat Óscar angefangen, die Zeit im Auge zu behalten während ich schlafe.
„Ungefähr zehn Minuten."
„Das ist weniger als letztes Mal", stelle ich fest.
„Wie oft bist du heute schon eingeschlafen?"
Ich überlege kurz. „No se. Das ist vielleicht das siebzehnte Mal oder so."
„Siebzehn?", Óscar schaut überrascht von seiner Uhr auf. „Warst du heute den ganzen Tag aufgeregt?"
Ich weiß nicht warum, aber meine Wangen werden plötzlich warm und ich schaue weg. Und wenn? Und wenn, und wenn, und wenn?
"Ich hatte heute einfach einen schlechten Tag", entscheide ich zu sagen.
"Also ich war aufgeregt."
Mein Kopf fährt zu ihm herum. "Wirklich?", frage ich ungläubig. War er aufgeregt wegen mir oder wegen dem Sterneanschauen?
Denn ich war aufgeregt wegen ihm.
Óscar zuckt mit den Schultern. „Ja. Ist das schlimm?"
„Nein!", sage ich sofort und bin im nächsten Moment selbst erschrocken über meine Lautstärke. „Nein", füge ich nochmal leiser hinzu. „Gar nicht."
"Gut", lächelt Óscar. "Wer als letztes am Tor ist, darf als letztes durchs Teleskop gucken."
Ich renne Óscar lachend hinterher und kann nicht sagen, wann ich das letzte Mal so glücklich war.

One Night Is All He WantedWhere stories live. Discover now