• Nineteen •

1.9K 213 17
                                    


Teo und ich sitzen diese Nacht das erste Mal seit langem wieder auf meinem Dach. Wir reden und reden und reden, als müssten wir die ganzen letzten Tage wieder aufholen. Es ist fast so wie vorher. Es fühlt sich nur noch ein bisschen seltsam an. Ein bisschen. Jetzt gerade ist es still zwischen uns. Wir liegen nebeneinander, unter uns eine Wolldecke, über uns der wolkenlose Sternenhimmel. Ich habe die Sterne selten so hell strahlen sehen. Vielleicht strahlen sie heute für mich. Und für Teo. Für uns beide.
„Wie viele Tage?", fragt Teo in die Stille hinein. Sein Arm liegt so nah neben meinem, dass ich die Wärme spüren kann, die von seinem Körper ausgeht. Ich rutsche unauffällig näher an ihn heran, bis sich unsere Arme berühren. Ich schließe die Augen und lächle.
„52", erwidere ich. 52 Tage haben wir das hier nicht mehr getan.
„52? Dios mío. Es tut mir leid, Milo. Wirklich." Ich kann seine Augen auf meinem Gesicht spüren.
„Das bedeutet, dass du über das Versprechen hinaus noch 52 Tage länger nachts mit mir hier  liegen musst."
Teo lacht leise und ich spüre, wie er meine Hand nimmt. Ich weiß nicht, wie er das macht. Ist es Magie? Ein Zaubertrick? Immer, wenn er mich berührt, vergesse ich alles um mich herum. Meine Sorgen, meine Krankheit. Er berührt mich und die Welt ist in Ordnung. Als würde er alles Schlechte von mir nehmen. Ich wünsche mir, dass ich das auch bei ihm könnte.
„Milo?", fragt Teo nach einer Weile. Er hört sich nervös an. Ich drücke seine Hand als Antwort.
Es dauert einen Moment, bis er weiterredet. „Glaubst du, dass es... Glaubst du, dass man einen Jungen lieben kann?"
Die Frage überrascht mich und ich öffne meine Augen und drehe meinen Kopf in seine Richtung. Er starrt in den Nachthimmel. Ist die Antwort nicht offensichtlich? „Sí, claro. Ich liebe dich."
Teo runzelt plötzlich die Stirn und dreht seinen Kopf zu mir. Ich kann seinen Atem in meinem Gesicht spüren. Unsere Nasen trennen nur wenige Millimeter. „¿Me amas?", wispert er. Fast so, als hätte er Angst vor den Worten.
Ich drücke seine Hand und lächle ihn an. „Du bist mein bester Freund. Du bist alles, was ich habe."
Teo schließt die Augen und schaut weg. Ich weiß nicht genau wieso, aber seine Reaktion verletzt mich. Nicht, weil ich verletzt bin, sondern weil er verletzt ist. Ich kann es spüren. „Ja, natürlich. Bester Freund", murmelt Teo leise. „Ich liebe dich auch, Milo.", fügt er hinzu.
Ich starre ihn an, betrachte sein Profil. Ich versuche, aus ihm schlau zu werden. Aber das ist nicht einfach. Ich schiebe es darauf, dass wir uns so lange nicht mehr so gut verstanden haben. Aber mein Herz weiß, dass Teo Dinge vor mir geheim hält. Er versteckt etwas vor mir und ich wünsche mir, ich wüsste, was es ist.
Aber ich glaube, Teo weiß selbst nicht, was es ist. Sonst hätte er es mir sicherlich gesagt.
Oder?

Zwei Tage später erfahre ich durch Zufall in der Schule, dass Teo und Elena nicht mehr miteinander gehen. Ich wusste nicht einmal, dass sie überhaupt miteinander gegangen sind. Ich habe immer angenommen, sie seien einfach nur Freunde. Dass Teo mich durch Elena ersetzt hat. Aber nein, das hier fühlt sich viel schlimmer an. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, als Elena mir davon erzählt. Sie ist einfach so zu mir gekommen. Ich saß friedlich in der Pause unter einem Baum, ein Buch in der Hand, während Teo auf Toilette verschwunden ist. Und dann kam sie plötzlich wie aus dem Nichts und hat sich neben mich hingesetzt.
„Also", sagt sie und wirft ihre langen, lockigen Haare über ihre Schultern. „Hat er irgendwas über mich gesagt?" Sie betrachtet ihre Fingernägel und wartet auf eine Antwort. Sie schaut mich nicht einmal an.
„Warum fragst du mich das?", sage ich endlich. Ich klappe mein Buch vorsichtig zu.
Elena verdreht ihre großen, dunklen Augen. „Oh, komm schon. Ihr seid doch beste Freunde oder so. Er muss irgendwas über mich gesagt haben."
Ich mag sie nicht. Ich mag sie nicht, ich mag sie nicht, ich mag sie nicht. Ich hasse sie.
„Nein."
Sie hört für einen Moment auf, auf ihre Fingernägel zu starren und schaut mich finster an. „Nur damit du's weißt, ich habe mit ihm Schluss gemacht."
Ich zucke mit den Schultern. „Vale." Ich fühle mich dumm.
Elena rümpft ihre kleine Nase und schaut mich einmal von oben bis nach unten an. Ihr Blick ist mir unangenehm und ich will verschwinden. Wo ist Teo?
„Ich verstehe wirklich nicht, was Mateo an dir findet. Du kannst ja nicht mal richtig reden. Und trotzdem hat er ständig nur von dir gesprochen. Emiliano hier, Emiliano da... Ich konnte es nicht mehr hören." Sie steht auf und klopft ihren Rock ab. Er war nicht einmal dreckig. Sie schenkt mir einen letzten, hochnäsigen Blick. „Sag ihm nicht, dass ich mit dir geredet habe."
Dann stolzierte sie über den Pausenhof davon.
Als Teo wiederkommt, bemerkt er sofort, dass etwas nicht stimmt. „¿Estás bien?"
Ich schüttle den Kopf. „Du bist mit Elena gegangen?"
Teo wird plötzlich bleich. Er meidet meinem Blick. Ich kann nicht glauben, dass das stimmt.
„Sí", gibt er schließlich leise zu. Er schaut mich immer noch nicht an.
„Warum hast du mir das nicht gesagt?"
„Ich weiß es nicht", zuckt Teo mit den Schultern. „Wir haben in der Zeit nicht wirklich miteinander geredet, weißt du."
Er hat recht, das haben wir nicht. Und ich weiß nicht, ob ich nach dieser Information überhaupt nochmal mit ihm geredet hätte. Vielleicht ist es besser so, dass ich es nicht wusste.
Dios mío, was stimmt nicht mit mir? Elena ist nur ein dummes, dummes Mädchen. Eines von vielen. Es sollte mich nicht kümmern, dass sie Teos Freundin war. Sollte es nicht, tut es aber. Ich kann mich nicht abhalten, darüber nachzudenken, ob Teo auch nachts mit ihr wachgelegen und sich die Sterne angeschaut hat.
Ich schüttle den Kopf. Nein, das ist dumm. Sie ist dumm. Sie würde sich nicht für Sterne interessieren. Nicht so, wie ich es tue.
Es klingelt zur nächsten Stunde und Teo und ich kommen zwanzig Minuten zu spät, weil ich kurz vorher im Flur eingeschlafen bin.

One Night Is All He WantedWhere stories live. Discover now