Kapitel 1 - Die Stille nach dem Lärm

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Es war still. Nur Geschnarche, leise Atemgeräusche und Gewälze unter rauen Decken, die nicht mal ansatzweise wärmten, durchbrach diese furchtbare und gleichzeitig wohltuende Stille. In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu, wälzte mich auf der steinharten Matratze rum und starrte gegen die Decke, der Boden des Bettes über mir. Eigentlich sollte ich sofort ins Koma fallen und durch Schlaf die Schmerzen an meinem gesamten Körper vergessen, aber sobald ich die Augen schloss waren meine Gedanken zu drängend und die Erinnerungen zu laut. Lärm ertönte in meinen Ohren und riss mich jedes Mal wieder zurück in den wachen Zustand, sobald ich auch nur leicht einschlief. Seufzend sah ich mich um, entdeckte nicht nur einen meiner Brüder, der sich ebenfalls wach im Bett herumwälzte und gegen das Bett über sich starrte. Ich hatte meine Komplexe mit dem oberen Stockwerk eines Etagenbettes. Dort oben fand man keinen Schutz, war jedem ausgeliefert und konnte so schnell rechts und links runterfallen, wenn die Gedanken dich wach hielten.
Cross, das hier ist ein Schlafraum, kein Schlachtfeld.
„Cross, Bruder.", ertönte es plötzlich flüsternd neben mir und ich sah in das Gesicht meines besten Kumpels Hunt.
„Ja?", antwortete ich, doch es glich eher einem Atemzug.
„Versuch endlich zu pennen. Was geschehen ist kann niemand rückgängig machen. Straight hätte nicht gewollt, dass du wertvolle Stunden an Schlaf vergeudest."
Straight. Er fiel durch eine Explosion ausgelöst durch einen verdammten Droiden. Frustriert seufzte ich.
Bleib ruhig.
„Ja... Da hast du wohl recht. Ich versuch's."
Wieder schloss ich die Augen und wieder war alles um mich herum laut und verkrampft, dort waren Schreie, Explosionen und Gebrüll vom Captain - Er ist ebenfalls gefallen. Ihn konnte zwar niemand leiden, doch ich hätte ihm niemals solch einen Tod gewünscht.
Ich wünschte jedem, mir ebenfalls, einen schnellen und schmerzlosen Tod, dass es einfach von jetzt auf gleich vorbei sein würde, doch jeder wusste, dass dies nur ein Wunsch war und nicht die Realität. Niemand ging hier schnell und schmerzlos von uns, sie schrien, sie brüllten, sie keuchten und hatten Furcht in den Augen, die sie niemals haben durften, doch in dem Moment, in dem all meine toten Brüder uns verlassen haben, waren sie davon befreit und bekamen ein wenig Menschlichkeit zurück. Ihnen musste man es gestatten Menschliches auszustrahlen und nach ihrem besten Kumpel zu brüllen und sich die Seele aus dem Leib zu schreien, wenn sie von Laserbolzen durchlöchert wurden. Das war unser letzter, realer Wunsch, der in der Realität erfüllt werden könnte.
Ich dachte an etwas Schönes. Und dann fiel ich in den tiefsten Schlaf, den ich je bekommen hatte. Denn dieses Schöne war ein stiller und friedlicher Tod.

***

Als ich aufwachte war schon leises Gemurmel zu hören und ehe ich richtig wach werden konnte, ertönte das gehasste schrille Geräusch, das auch die Letzten aus ihrem Schlaf riss. Flüche und Seufzen ertönte von allen 36 Männern im Raum, uns blieben nun fünf Minuten zum wach werden, dann hieß es Waschen, sich in die Rüstung werfen und etwas in den Magen zu bekommen bevor es wieder zurück zur Basis ging, wo jede Menge Schlaf und Erholung auf uns alle wartete. Nur das half uns an diesem frühen Morgen aufzustehen.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich knapp drei Stunden geschlafen hatte, dabei fühlte es sich an wie drei Minuten.
„Steh auf, Cross. Du musst unbedingt duschen.", meinte Hunt neben mir und war dabei sich seiner gesamten Kleidung zu entledigen. Äußerlich konnte ein Außenstehender Hunt nur wegen seinen hellbraun gefärbten, zurückgekämmten Haaren unterscheiden, während meine hingegen dunkelbraun gefärbt und zerzaust waren, doch mittlerweile kam das Schwarz wieder hindurch und nahm einen Teil von mir.
„Klar. Gib mir einen Moment, ich komme gleich nach."
Müde rappelte ich mich auf, fuhr genervt mit beiden Händen durchs Haar und versuchte mich auf Schlaf und Ruhe zu freuen. Dann stand ich auf, zog Druckanzug und Unterwäsche aus und folgte dem Strom an nackten Männern in den Waschraum. Ich suchte mir eine Dusche neben Hunt, drehte das Wasser auf und drehte mich zur Wand, an der ich mich abstürzte und ließ den Kopf hängen.
„Verdammt, tut das gut...", seufzte ich. Warmes Wasser lief über meine Haut, über mein Gesicht und spülte jegliche Spuren der letzten grausamen Schlacht fort, doch leider nicht die Erinnerungen aus meinem Hirn, das mich noch weitere Nächte wachhalten würde.
„Ja, Mann. Und wenn wir wieder da sind, werde ich schlafen, essen und duschen und das immer wieder in derselben Reihenfolge.", lachte Hunt.
Und das bis zur nächsten Schlacht, vergaß er zu erwähnen, aber das traute sich keiner auszusprechen. Stattdessen hörte man im Raum immer wieder, wie sehr sich jeder auf Schlaf und Ruhe freute.
Ich gab etwas Seife auf meine Hand und seifte mich von oben bis unten ein und zum ersten Mal war der neutrale Geruch der Seife ein Segen. Doch auch wenn ich noch gerne länger das Wasser genossen hätte, gab es einen Zeitplan und der musste eingehalten werden. Ich suchte die Toilette auf und lief wieder zurück in den Schlafraum, wo ich Unterwäsche und Druckanzug anzog und schließlich die Panzerplatten anlegte.
Weiß. Nichts als weiß.
An der Wand hing zwar ein Spiegel, doch ich wagte es nicht in diesen zu sehen, aus Unlust das Gesicht zu erblicken, das ich auch sehen konnte, wenn ich zu meinen Brüdern sah.

White ArmorWhere stories live. Discover now