Kapitel 6 - Schlammspringer

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2 Jahre zuvor:

Ein früher Abend bedeutete noch restliche Zeit, Zeit bedeutete Training und Schlaf bedeutete Stille und eine kleine Auszeit, doch wenn diese Auszeit von Albträumen durchzogen wurde, glich es eher weiteren Qualen. Und dort war immer wieder dieser Albtraum, der nie endete. Wenn Cale die Augen schloss, dann gelangte er manchmal wieder an diesen Ort, wo es nur Schmerz gab, nur Trauer und Qualen. Und jedes Mal war da dieser ungeheure Schmerz in seiner Brust. Es war diese Mission, die ihnen gegeben wurde, die Cale aber nicht kannte und nicht wusste, was er tun sollte, sodass er nur sah, wie seine Brüder neben ihm standen, die Waffen alle auf einen Punkt vor ihnen gerichtet, doch niemand schoss. Seine Brüder zitterten vor Wut, ihre Hände wollten nicht still halten und jeder von ihnen brüllte etwas, doch das meiste hörte er nicht. Aber als sein Bruder neben ihm die Augen aufriss und etwas brüllte, hörte er.
„Es war alles umsonst! All diese Leben!"
Und als sie alle Schüsse abgaben, da brannte der Schmerz in seiner Brust. Er sah hinab. Entdeckte das Loch, das ein Laserbolzen hinterlassen hatte.
So endete der Traum meist. Cale versuchte immer nicht daran zu denken, einfach die Augen zu schließen und alles irgendwie zu überstehen. Und auch an diesem Tag schien er ein wenig zu lange die Augen geschlossen zu haben.
„Hey, pass doch auf!"
Nax' rot angelaufenes Gesicht zeichnete sich vor seinen Augen ab und es war unschwer zu erkennen, dass er gerade den Trainingsraum verlassen hatte. Er schnaubte.
„Reg dich nicht auf.", sagte er einfach, drückte Nax an der Schulter zur Seite und wollte einfach weitergehen, denn er hatte keine Lust auf Konflikte, nur weil Nax meinte sich wieder so anzustellen. Aber dieser schien nicht nur ausgelaugt, sondern noch schlecht gelaunt dazu zu sein.
„Wie war das?"
Cale wurde grob am Oberarm zurückgezogen, blickte in das Gesicht von Nax, dessen Augen dunkel und bedrohlich funkelten.
„Was hast du gerade gesagt?", drängte dieser und kam ihm gefährlich nahe, doch Cale ließ sich davon nicht beirren.
„Komm runter, Mann. Ich hab dir nichts getan. Wenn du deine Wut rauslassen willst, dann ist hinter dir im Trainingsraum der Boxsack."
„Wenn ich dich sehe, dann verschlechtert sich meine Laune nur noch mehr."
„Schön für dich, dann kann ich ja jetzt gehen."
Er wollte sich aus seinem Griff befreien, doch dieser lockerte sich nicht im Geringsten. Genervt stöhnte er auf.
„Was willst du von mir? Ich kann dir nicht helfen bei deinem Problem, was auch immer es schon wieder sein mag. Lass mich los und geh zu deinen Männern... Wenn sie morgen noch leben. Übrigens würde ich mich an deiner Stelle zurückhalten, Männer behandelt man nicht wie ein Boxsack an dem man seine Wut auslassen kann, Nax. Halt dich einfach mal zurück. Du-"
Etwas brannte schmerzhaft in seinem Gesicht.
Er sackte überrumpelt zu Boden, fasste sich ans Gesicht und sah, wie Blut an seinen Fingern klebte, merkte, wie es in seinen Mund rann, schmeckte das Eisen. Ganz am Rand, nur im Augenwinkel sah er das leichte Flimmern der Vibroklinge, die in Nax' Hand lag und von seinem Blut beschmiert war.
All das für einen Moment lang vergessend, hob er den Blick und sah ihn das rasende, rote Gesicht von dem Mann, den er eigentlich immer als sein Bruder angesehen hatte. Aber er hatte sich getäuscht.
„An deiner Stelle wäre ich vorsichtig... Vergiss nicht, wer vor dir steht..."
Dann war er allein auf dem Gang. Und sah Nax hinterher, wie er sich entfernte, die Vibroklinge noch immer in der Hand haltend.
Cale saß dort einfach nur auf den Knien, beobachtete, wie sein Blut auf den Boden tropfte, auf seine Hose, auf seine Hand. Aber es war nicht der Schmerz des Schnittes, sondern dessen Erkenntnis, dass er sich in Nax geirrt hatte.
Tränen flossen kalt über seine Wangen, nahmen das Blut mit und er merkte kaum, dass er plötzlich weinte und ein Schluchzen aus seinem Mund kam. Er hatte sich so geirrt. Und einen Bruder verloren. Erst nach einiger Zeit sah er Aven vor sich, wie er ihm ein Tuch gab, das er auf die Wunde drücken konnte, und legte ihm die Hand auf den Rücken, während er weinte. Cale wollte nicht mehr in den Spiegel sehen, er konnte spüren, dass Nax eine Narben zu denen ergänzt hatte, die er sich durch ein Raubtier auf Felucia und Kommandodroiden zugezogen hatte. Jedes Mal würde ihn diese Narbe an den Verrat eines ehemaligen Bruders erinnern.

White ArmorDonde viven las historias. Descúbrelo ahora