Kapitel 4 - Emotionslos

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Der Tag begann schon früh für Cease. Die Sonne ging gerade erst auf, als sie von Weitem schon die Kaserne der 555sten sah, still, friedlich und auf dem GAR-Gelände überschaubar thronend, während hinter dieser die Sonne erste Lichtstrahlen ihr entgegenwarfen. Es war noch zu früh, die Männer würden solange schlafen, wie sie es benötigten und sie zweifelte daran, dass selbst Hammer um diese Uhrzeit bereits wach war. Und während sie dort stand, dem Sonnenaufgang entgegen sah, wehte der Wind in sanften Wellen um sie herum, brachte plötzlich Frieden, obwohl für diesen gekämpft wurde. Das stille, friedliche und morgendliche Coruscant war ein Beispiel dafür, wie das Leben sein konnte. Cease fragte sich, wie das Leben als Zivilist aussehen mochte. So weit weg vom Krieg und doch so nah. Zivilisten ahnten nicht, was an vorderster Front geschah, sahen nicht, wie sich der Boden von dem Blut gefallener Männer rot verfärbte, und wollten nicht einsehen, dass es sich bei Klonen nicht um Droiden handelte.
Und während neben ihr in der Kaserne Männer friedlich schliefen und doch von Albträumen heimgesucht wurden, spürte sie zum ersten Mal einen Hauch von Frieden in sich selbst. Vielleicht war es die stille Atmosphäre, doch viel eher war es der Frieden der Männer, den sie spürte. Für einen Moment vergaßen gedrillte Kampfmaschinen, Männer aus Fleisch und Blut, den Krieg und reisten in ihre eigene Welt, wo es nur Frieden und Stille gab, Ruhe und Erholung, wo sie von allem träumen durften, doch waren sie zurück in der Realität, schien es manchmal so, dass sie nicht träumten. Sie taten es. Cease konnte es spüren, sehen, hören. Dort waren Träume, Bilder, wo sie aus dem Kreuzer stiegen, während sie von allen Seiten von Zivilisten bejubelt und gefeiert wurden und sie selbst feierten ebenfalls den gewonnen Frieden. Und doch ehrten sie stumm ihre gefallenen Brüder, die nicht die Chance bekamen, um ebenfalls den großen, glorreichen Sieg zu feiern.
Zitternd riss sich Cease aus den Träumen dieser Männer und merkte, wie eine kalte Träne über ihre Wange lief.
Sie wollte diesen Männern den Frieden geben, sie vor allem behüten, was böse schien und nicht mehr zulassen, dass noch mehr ihr Leben verloren, aber die Erkenntnis, dass sie dies nicht konnte, schmerzte.
„Was ist das nur für eine Welt...", seufzte Cease, lehnte sich an das Geländer und sah auf das Industriegebiet hinab, wo Flammen aus kleinen Schornsteinen tanzten, wo einige Arbeiter bereits rumliefen und Schiffe für den Transport von Waren beluden. Und es schien alles so normal. Normal, während draußen in der Galaxis noch immer Soldaten kämpften, um ihre gefallenen Brüder schrien und siegten, als auch verloren. Sie hörten nie auf zu kämpfen. Für die Republik, als auch nach Schlachten um ihr Leben.
„Eine unfaire Welt."
Vor Schreck zuckte sie zusammen, fuhr sofort herum und entdeckte Commander Hammer hinter ihr stehend - Müde und ausgelaugt wirkend, besaß tiefe Augenringe unter den Augen, sein schwarzes Haar war zerzaust, doch seine Rüstung glänzte trotz der vielen Schrammen. Mitleid legte sich über sie.
„Hammer... Was machen Sie denn so früh hier draußen?", fragte sie erstaunlich leise, während sie ihn dabei beobachtete, wie er sich neben sie stellte und sich gegen das Geländer lehnte.
„Ich finde keinen Schlaf.", seufzte er schwer und sah hinab auf das Industriegebiet.
„Albträume?"
Er nickte stumm. Dann biss er die Zähne zusammen. Hammer war sonst humorvoll, offen und ehrlich, doch an diesem Morgen wirkte sein Gesicht betrübt und etwas verbergend. Cease verlagerte ihr Gewicht von einem auf den anderen Fuß, immer noch ihn beobachtend.
„Wovon handeln die Träume?"
Er seufzte erneut schwer.
„Von Verwundeten Männern, die schreien. Sie liegen überall auf dem Boden, der blutgetränkt ist, und schreien."
„Nach was schreien sie?"
„Nach ihrer Mutter."
Cease' Herz setzte einen Schlag aus, als sie seine Worte hörte, und wusste plötzlich nicht mehr, was sie sagen sollte, obwohl sie sonst immer recht passende Worte fand, um einen Mann zu trösten.
„Sie..."
„Wir haben keine Mutter, ich weiß.", entgegnete er direkt und sprach die Worte aus, die sie sich nicht getraut hatte zu sagen.
„Wo sind die Verwundeten? Wie sieht die Umgebung aus, Hammer?"
„Ein Tal zwischen Bergen. Der gesamte Boden ist voll von Toten und Verwundeten. Immer wenn dieser Traum beginnt, stehe ich auf einem Hügel, sehe auf dieses Massaker hinab und höre immer wieder, wie sie nach ihrer Mutter brüllen."
„Was brüllen sie genau?"
„Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sie nach ihr brüllen.", antwortete er mit leicht zittriger Stimme und fuhr sich mit beiden Händen erschüttert durchs Haar. Cease wusste nicht, was sie tun sollte, ob sie überhaupt etwas sagen sollte, aber ihr war sofort klar, dass Hammer ihr seinen Albtraum nicht ohne weiteres anvertraut hatte. Als Hammer die Augen schloss, spürte sie, wie Müdigkeit ihn durchströmte und den Wunsch nach friedlichem Schlaf konnte sie auch ohne ihre Midichlorianer erahnen.
„Wie... fühlen Sie sich, Hammer?"
„Ich weiß es nicht... Einfach erschöpft, kraftlos und... traurig. Ich kann es nicht beschreiben.", murmelte er tief und am Ende atmete er laut ein, stieß die Luft schließlich kraftvoll aus seinen Lungen heraus.
„Sind es Männer, die Sie kennen?"
„Nein."
„Sind noch andere Personen anwesend?"
„Ja... Aber ich weiß nicht wer. Ich weiß einiges, aber sehen kann ich es nicht."
Er tat ihr leid. Sie wusste, wie es war, wenn man Ruhepausen hatte und dennoch kein Schlaf bekam, wie es war, wenn alle Glieder so müde und kraftlos waren und man trotzdem kein Auge zubekam. Sanft legte sie ihre Hand auf seine, welche auf dem Geländer lag - Eine mitfühlende Geste, mitfühlender als es eine Hand auf der Schulter tat.
„Darf ich etwas ausprobieren, damit Sie sich besser fühlen?"
„Nur zu. Ich würde alles für anständigen Schlaf geben."
Dann schloss sie die Augen, entdeckte die Unruhe und den Schmerz als große Brocken in seiner Seele und packte sie, nahm sie mit aller Mühe weg und übrig blieb Frieden, Ausgeglichenheit und Entspannung - Sofort spürte sie, wie Hammer das Bedürfnis hatte zu gähnen, sich auf der Stelle hinzulegen und zu schlafen. Den ganzen Tag lang. Und er schien es gemerkt zu haben, denn er richtete sich wieder leicht auf, sah zu ihr, aber ließ zu, dass ihre Hand noch weitere Sekunden auf seiner verharrte, ehe sie verschwand.
„Danke, Ma'am. Ich schätze eure Hilfe sehr. Die Jungs aus eurer alten Legion haben nicht gelogen... Ihr seid wie eine Mutter."
Sie lächelte sanft, wusste dennoch nicht, wie sie mit diesem Kompliment umgehen sollte.
„Gute Nacht, Hammer. Ich werde dafür sorgen, dass man Sie in Ruhe lässt. Schlafen Sie gut."
Zufrieden sah sie ihm nach, wie er wieder in der Kaserne verschwand und als sie sich wieder umdrehte, merkte, dass die Sonne sich nun vollständig über den Horizont erhoben hatte, spürte sie nach einigen Minuten, wie sich Frieden und Ruhe über Hammer legte.
Er schlief tief und fest.
Und sie, die als Mutter bezeichnet wurde, zitterte am ganzen Leib.

White ArmorWhere stories live. Discover now