7. Tür

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Als ich am nächsten Morgen wach werde, fahre ich tastend mit meiner Hand über das Laken neben mir. Vorsichtig öffne ich meine Augen und stütze mich auf meinen Unterarmen ab. Blinzelnd suche ich zuerst das Bett und dann das Zimmer nach Magnus ab. Doch ich sehe ihn nicht und die Stelle neben mir ist schon kalt.

Gähnend reibe ich mir durch meine schwarzen Haare, bevor ich meine Beine aus dem Bett schwinge und mich auf die Suche nach ihm mache. Ein kleines Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich an den gestrigen Abend denke.

Ich weiß nicht, was genau das zwischen uns ist, doch alleine, wenn ich an ihn denke, breitet sich ein mir unbekanntes Flattern in meinem Bauch aus. Jetzt muss es ihm nur noch genauso gehen. Hoffentlich bereut er es nicht. Ruckartig bleibe ich stehen und knabber an meiner Unterlippe.

Was ist, wenn das gestern für ihn nur eine Kurzschlussreaktion war? Zweifel breitet sich in mir aus. Was ist, wenn wir es versuchen und dann feststellen, dass wir doch nicht so miteinander zusammen sein wollen? Ich bezweifle ganz stark, dass wir danach noch unbeschwert miteinander umgehen können.

"Du bist endlich wach.", durchbricht eine Stimme mein Gedanken - Karussell. Stumm habe ich die letzten Minuten in die Luft gestarrt. Mein Blick klärt sich langsam und richtet sich auf den Schwarzhaarigen, den ich schon seit so vielen Jahren kenne.

Nervös räusper ich mich. Er steht so weit entfernt von mir und ich kann nicht einschätzen, was er über gestern denkt. "Sieht so aus.". Ich reibe mir über den Hinterkopf und versuche meine Verlegenheit zu überspielen. Vielleicht sollte ich einfach den Abstand überbrücken und ihn küssen.

Gerade als ich mich dazu durchringen kann, zieht er sein klingelndes Handy heraus. "Na endlich.", brummt er, "Es hat aufgehört zu schneien und Clary hat mir gerade geschrieben, dass die Straßen frei geräumt sind. Wir sollten also schleunigst unsere Sachen packen und von hier verschwinden. Ich habe keine Lust noch mehr Tage hier eingeschneit zu sein.".

Ohne mich zu berühren oder mir eine Chance zu geben, zu reagieren, läuft er an mir vorbei und zieht seine Tasche unter dem Bett hervor. Wahllos stopft er seine Anziehsachen hinein.

"Jetzt mach schon, Alexander.", sagt er genervt, als er mich immer noch untätig im Flur stehen sieht. "Ich möchte gerne von hier verschwinden und das lieber gestern als morgen.".

Es fühlt sich wie ein Schlag in die Magengrube an. Ich setze eine gelassene Miene auf, damit er nicht mit bekommt, wie sehr mich seine Worte verletzen. Nicht, dass er das überhaupt bemerkt, er weicht meinem Blick aus und konzentriert sich aufs Packen. Ohne etwas zu sagen, drehe ich mich um und laufe in mein Zimmer.

Wie es aussieht, möchte er so tun, als hätte das gestern Nacht in seinem Bett sich nicht zwischen uns abgespielt. Von mir aus. Kann mir Recht sein. Es hätte sowieso nicht geklappt. Wir sind einfach grundverschiedene Menschen. Während ich mir weiter versuche einzureden, dass der Kuss gar nichts zu bedeuten hat, ignoriere ich das jetzt eindeutig abgestorbene Flattern in meinem Bauch, welches sich zu einem Klumpen Eis verwandelt hat und mir nun schwer im Magen liegt.

Die ganze Heimfahrt herrscht Schweigen zwischen uns. Magnus tippt wie wild auf sein Handy herum, während ich mit verkrampften Händen auf die Straße gucke. Ich versuche nicht darüber nach zu denken, mit wem er wohl gerade schreibt.

Vielleicht erkundigt er sich ja bei einer alten Bettgeschichte, ob sie nicht Lust hat, heute vorbei zu kommen und sein Bett zu wärmen. Meine Lippen verziehen sich zu einem spöttischen Lächeln. Magnus ist einfach nicht der Typ, für etwas festes und ich bin nicht an einer lockeren Sache interessiert.

"Izzy fragt, ob wir Lust haben, heute auszugehen.", durchbricht er die Stille. "Ich verzichte.", meine Stimme klingt kühl. Das letzte, worauf ich Lust habe, ist ihm beim flirten mit jemand anderem zu beobachten.

Ich kann seinen kurzen prüfenden Blick auf mir spüren, doch im Gegensatz zu sonst, versucht er nicht mich umzustimmen. Er wirkt fast schon erleichtert. Wieder spüre ich ein Stechen, welches ich immer noch nicht verstehe. Wieso verletzt es mich, dass er mich nicht dabei haben möchte? Wieso verletzt es mich, dass der Kuss ihn so kalt gelassen hat?

Endlich angekommen schnappe ich mir meine Sachen und betrete die Wohnung. Sofort laufe ich in mein Zimmer und schließe die Tür hinter mir. Ich konnte seinen Blick auf mir spüren und wenn er sich wundert, wieso ich sie geschlossen habe, wo wir das sonst nur zum Schlafen tun, sagt er jedenfalls nicht.

Vollkommen mechanisch räume ich alles weg, bevor ich mich auf mein Bett fallen lasse. Mein Kopf dreht sich in Richtung Nachttisch, wo mein Kalender drauf steht. Wie kann mein Leben in gerade mal einer Woche so vollkommen außer Kontrolle geraten sein?

Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich eingeschlafen bin. Es ertönt ein lautes Klopfen an meiner Tür, wodurch ich anscheinend wach geworden bin. "Was?", frage ich müde und versuche mir den Schlaf aus dem Gesicht zu reiben.

Vorsichtig öffnet sich die Tür und ein vollkommen in Schale geworfener Magnus betritt mein Zimmer. Kurz bilde ich mir ein, ein Flackern in seinen Augen zu sehen, als er mich im Bett liegen sieht, aber das werde ich mir wahrscheinlich eingebildet haben.

"Ich wollte fragen, ob alles zwischen uns in Ordnung ist.".

Mit aller Macht unterdrücke ich ein bitteres Lachen. "Natürlich.", bringe ich heraus, "Wieso sollte sich auch etwas zwischen uns ändern?".

"Wir sind also noch beste Freunde?", er scheint ungewohnt nervös zu sein, denn er spielt mit dem Saum seines glitzernden Oberteils.

Schnaubend richte ich mich auf. "Natürlich sind wir noch beste Freunde. So ein dummer Kuss wird daran nichts ändern. Er hat schließlich nichts bedeutet.". Ich lüge. "Wir waren beide nur einsam und gelangweilt. Auf dieser Hütte gab es nichts, womit wir uns ablenken konnten. Es war also nur eine Frage der Zeit, bevor etwas in die Richtung passiert wäre.".

Kurz bilde ich mir ein, Schmerz über sein Gesicht huschen zu sehen. Doch schnell breitet sich ein strahlendes Lächeln auf seinen Lippen aus. "Du hast Recht. Es war nur Langeweile und Einsamkeit. Ich bin froh, dass du es auch so siehst.".

Ich erwidere sein Lächeln. Doch im Gegensatz zu seinem, erreicht meins nicht meine Augen. Es fühlt sich einfach nur falsch an. Ich nicke ihm zu. "Langeweile und Einsamkeit.", wiederhole ich.

Ich wünsche ihm noch viel Spaß, doch sobald er mein Zimmer verlassen hat, rutscht die gespielte Fröhlichkeit von meinem Gesicht. Finster starre ich meinen Kalender an. Ich wünsche mir die Zeit zurück, in der ich in Magnus nichts weiter als meinen besten Freund gesehen habe.

Kurz massiere ich mir meine Nasenwurzel, bevor ich die siebte Tür öffne und mir die Schokolade heraus hole. Ich werfe sie mir in den Mund, und ziehe dann meinen Pyjama an nur um mich darauf hin in mein Bett zu kuscheln.

Mein Blick gleitet zu dem Platz neben mir, der mir nach den letzten Tagen unglaublich leer vorkommt. Stirn runzelnd gehe ich die letzten paar Tage gedanklich noch einmal durch.

Vielleicht bin ich wirklich einfach nur sexuell frustriert und übertrage meine Lust nach etwas Spaß auf Magnus, der einfach das Pech hatte, die letzten paar Tage mit mir eingesperrt worden zu sein.

Wir kennen uns schon seit unsere Mütter uns entbunden haben. Ich kenne all seine Fehler und Macken. Nie habe ich in den Jahren auch nur das geringste romantische Gefühl für ihn gehegt. Nie habe ich mehr in ihn gesehen, als meinen besten Freund, mit dem ich Streiche spielen und meine Geheimnisse erzählen kann.

Wann habe ich angefangen mehr zwischen uns zu sehen, als eigentlich da ist?

Malec - 24 TürenWhere stories live. Discover now