21. Tür

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"Hast du alles?", frage ich Magnus mit ruhiger Stimme. Sein Blick gleitet über unsere Taschen, die fein säuberlich auf dem Boden stehen. "Ja, das müsste alles gewesen sein.". Ich schnappe mir ein paar der Taschen und verlasse die Wohnung. Magnus ist mit den Restlichen direkt hinter mir. Die Tür zieht er leise hinter sich zu und schließt ab.

Schweigend laufen wir zu meinem Auto und verstauen alles. "Möchtest du irgendeinen bestimmten Sender hören?", frage ich den Schwarzhaarigen neben mir. Meine Finger klopfen einen mir unbekannten Rhythmus aufs Lenkrand.

"Bitte nichts mit Weihnachtsliedern.", brummt mein Freund. Wahllos schaltet er durch die Sender. Mir entkommt ein lautes Schnauben, "Ich glaube das kannst du drei Tage vor Weihnachten vergessen.".

Seufzend bleibt er bei einem Radiosender hängen, "Das glaube ich inzwischen auch.". Stille breitet sich im Auto aus. Wir legen mehrere Kilometer zurück, bevor ich mich laut räusper. "Und wie lief dein Treffen mit Cat?".

Wir sind uns gestern den restlichen Tag aus dem Weg gegangen. Als er nach Hause kam, saß ich bereits auf dem Sofa und habe auf ihn gewartet. Natürlich habe ich meine wahre Absicht getarnt, indem ich so getan habe, als ob ich Fernseh gucke. Er ist nach Hause gekommen, ohne etwas zu mir zu sagen. Er hat mich lediglich mit einen seltsamen Blick angeguckt und ist in sein Zimmer ab gerauscht.

Enttäuscht bin ich nach diesem Aufeinander - Treffen relativ schnell schlafen gegangen. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, lag Magnus an mich gekuschelt neben mir im Bett. Einen kurzen Moment habe ich das Gefühl seiner Haut auf meiner genossen, bevor ich mich vorsichtig aus seiner Umarmung geschält habe. Seit dem schweigen wir über den riesigen rosa Elefanten, der sich mit uns im selben Raum und jetzt im Auto befindet.

"Wir haben geredet.". Magnus spielt an seinen Fingern herum, "Sie hat mir den Kopf bei einem wichtigen Thema zurecht gerückt.". Mein Herz macht bei seinen Worten einen kleinen Satz und meine Hände verkrampfen sich ums Lenkrand.

Ich kann seinen Blick auf mir spüren, doch ich schaffe es nicht, meinen Blick von der Straße zu lösen, um einen Blick auf ihn zu werfen. "Das ist super?", beim letzten Wort schwankt meine Stimme eine Oktave nach oben.

"Ja, das ist es.", höre ich Magnus leise neben mir murmeln, "Sie hat an manchen Stellen Licht ins Dunkle gebracht.". Ein beklemmendes Gefühl macht sich in mir breit. "Ach ja? Was für Themen denn so?", ich versuche meiner Stimme einen beiläufigen Ton zu geben, doch daran bin ich kläglich gescheitert.

"Nicht jetzt, Alexander. Wir sprechen darüber, wenn die Feiertage und der Stress hinter uns liegen.", er dreht sich auf seinen Sitz nach vorne und guckt hinaus. Er fängt an übers Wetter zu reden und wie sehr er doch den Schnee liebt.

Doch ich schaffe es nicht, ihm zuzuhören. In meinen Gedanken laufen immer wieder seine Worte ab. Nicht jetzt, Alexander. Wir sprechen darüber, wenn die Feiertage hinter uns liegen. Was ist, wenn ich jetzt gerne darüber sprechen möchte? Was ist, wenn ich diese Ungewissheit nicht länger ertragen kann? Wenn er mir das Herz aus der Brust reißen möchte, würde ich es gerne jetzt wissen. Die nächsten Tage in der Luft zu hängen, was das Thema angeht, wird mich zu einem wandelnden Wrack machen.

Gerade als ich mir genug Mut zusprechen kann, um ihn darauf anzusprechen, sind wir an unserem Ziel angekommen. Das Haus meiner Eltern taucht vor uns auf. Vorsichtig parke ich mein Auto neben das von Jace. Während wir in die klirrende Kälte hinaus treten, um unsere Taschen aus dem Kofferraum zu holen, öffnet sich die Haustür und Izzy kommt hinaus gestürmt.

"Da seid ihr ja endlich.", jubelt sie vergnügt und zieht uns in eine überschwängliche Umarmung. Sie schnappt sich die restlichen Taschen und plaudert über alles, was wir in den restlichen Stunden verpasst haben.

Mit einem warmen Lächeln auf den Lippen begrüßt uns meine Mutter, die im Flur wartet. "Alec, mein Liebling.". Sie zieht mich eng an sich und drückt mir einen liebevollen Kuss auf die Wange, "Ihr seid spät dran. Beinahe hätte ich euren Vater los geschickt, damit er euch Feuer unterm Hintern machen kann.".

Sie zieht auch Magnus in eine enge Umarmung und überdeckt sein Gesicht mit Küssen. "Magnus, mein Schatz. Wie geht es dir?".

Mit einem spitzbübischen Lächeln auf den Lippen schnappt er sich ihre Hand und zieht sie an seinen Mund. "Mir geht es gut, Mrs. L. Du siehst einfach umwerfend aus. Ist das ein neues Parfüm?".

Mit einem Augenrollen folge ich den Dreien ins Wohnzimmer, wo der Rest der Familie auf der Couch verteilt sitzt. "Alec.", jubelt mein kleiner Bruder Max und springt auf. Mit einem Strahlen im Gesicht kommt er auf mich zu gerannt und springt mir in die Arme.

Mir entkommt ein lautes Ächzen, als ich ihn auffange und mehrere Schritte nach hinten stolper. Ich schlinge meine Arme um seinen kleinen Körper und drücke ihn fest an mich. "Hey, Kleiner. Ich habe dich vermisst.".

Er schiebt sich die Brille auf der Nase nach oben und guckt mich mit seinen grauen Augen an. "Ich habe dich auch vermisst.". Mit einer schwungvollen Bewegung dreht er sich zu Magnus um. "Magnus.", begrüßt er ihn gespielt vornehm und beginnt damit eine Begrüßung, welche sie schon seit Jahren durchziehen.

Hoheitsvoll nickt mein Freund ihm zu, "Maxwell.".  Ein Lächeln breitet sich auf ihren Gesichtern aus, bevor auch Max ihn in eine Umarmung zieht. In der Zwischenzeit begrüße ich meine restliche Familie, darunter auch meinen Vater, dessen Glatze im Licht der Lampe wie eine Bowlingkugel glänzt.

Magnus und ich werden aufs Sofa bugsiert und über unser Privatleben und Studium ausgequetscht. Meine Geschwister scheinen ihnen nicht gesagt zu haben, dass wir inzwischen zusammen sind. Das heißt, es liegt an uns, ihnen diese Nachricht zu übermitteln. Doch nach dem vagen Gespräch bin ich mir nicht sicher, ob das wirklich eine gute Idee wäre. Ich möchte ihnen keine Hoffnung machen, nur um sie in ein paar Tagen dann wieder komplett zu zerstören.

Die Unterhaltung zieht sich noch eine ganze Weile, bis das Klingeln eines Weckers ertönt. "Na endlich.", entkommt es Max, der die ganze Zeit Kekse in sich hinein stopft, "Ich dachte schon, dass ich verhungern muss.".

In meiner Familie ist mein Vater derjenige, der kocht. "Das Gulasch köchelt jetzt bereits seit heute Morgen auf den Herd vor sich hin.", schwärmt er vergnügt, während wir den Tisch decken. "Das Fleisch ist jetzt unglaublich zart.". Wie ein Koch aus einer Zeichentrickserie, führt er seine Finger zum Mund und küsst diese übertrieben.

Grinsend lasse ich mich neben Magnus auf den Stuhl fallen. Nach und nach werden die Teller befüllt und wir fangen an zu essen. Das Gespräch plänkelt so vor sich hin, bis meine Mutter eine Frage stellt, bei der mir die Gabel aus der Hand fällt.

"Sag mal, Magnus. Wann machst du aus Alec eigentlich einen ehrbaren Mann?".

"Mama.", zische ich genervt. Izzy versucht ihr Lachen hinter ihrer Hand zu verstecken und auch Jace versucht seine Mimik unter Kontrolle zu bringen.

Gespielt nachdenklich legt Magnus seinen Kopf schief. "Wenn es nach mir gehen würde, Mrs. L., würden wir nächstes Jahr im Sommer heiraten, doch Alexander möchte bestimmt zuerst sein Studium beenden und einen Job finden. Deswegen wird sich das Ganze noch ein bisschen nach hinten verschieben.". Abwägend tippt er sich mit einen Finger ans Kinn, "Wer weiß, vielleicht so in vier Jahren?".

Malec - 24 TürenWhere stories live. Discover now