19. November 2023 - Teddy und Victoire

868 90 14
                                    

Teddy war gestresst. Was zur Hölle hatte sich sein Pate (und Chef) bloß dabei gedacht, ihm diese Stelle anzudrehen? Die Coverstory vom jungen Mitarbeiter, der nur mal schauen wollte, wie die Diplomatie läuft, war voll nach hinten losgegangen. Denn Teddy hatte keine Ahnung von Diplomatie und es interessierte ihn auch herzlich wenig. Dementsprechend viele Faux-pas waren ihm in den letzten drei Wochen bereits passiert. 

Er hatte zum Beispiel nicht gewusst, dass man den Präsidenten der MACUSA nicht als "Mr. Quahog" ansprach (was sein Name war), sondern mit "Mr. President". Da hatte er sich noch damit retten können, dass er Brite war - auch wenn sein Vorgesetzter nicht gerade begeistert gewesen war, dass "der Praktikant", wie er Teddy immer nannte, nicht einmal solche banalen Dinge wusste. 

Des Weiteren konnte er sich einfach nicht daran gewöhnen, die Muggel "No-Majs" zu nennen, hatte es gewagt zu einem offiziellen Treffen am Nachmittag Tee statt Kaffee anzubieten und außerdem einer Sekretärin keinen Handschlag angeboten (da sie älter war, als er, weshalb sie in der britischen Gesellschaft das Recht hatte, die Geste zu initiieren - nicht so hier, wo solche Dinge strikt nach Rang geregelt waren. Prompt hatte er sich also als so eingebildet präsentiert, dass er sich sogar zu fein war, einer einfachen Sekretärin die Hand zu schütteln). 

Und das waren nur die Peinlichkeiten gewesen, die ihm aufgefallen waren! Da musste man nur einmal daran denken, was er alles getan (oder nicht getan) hatte, ohne es überhaupt zu merken. Also Teddy war gestresst und das vermutlich zu recht. 

Immerhin machte er seinen tatsächlichen Job besser als den angeblichen und hatte bereits Kontakt zu jemandem geknüpft, der im direkten Umkreis des britischen Botschafters arbeitete. Den musste er jetzt nur noch dazu bekommen, ihm bestimmte Informationen zuzuspielen. 

Damit er dafür aber Zeit hatte, musste er jetzt dafür sorgen, dass er seinen vorgetäuschten Job behielt - denn wenn er so weitermachte, wie bisher, wäre er schneller wieder in England, als er "Lumos" sagen konnte. 

"Ruf doch mal bei Rain an.", hatte seine Verlobte ihm vorgeschlagen, als er ihr sein Leid geklagt hatte. "Die studiert doch Diplomatie, vielleicht hat sie ja ein paar Tipps für dich."

Daran hatte Teddy noch gar nicht gedacht und so saß er jetzt, am vierten Sonntag in New York, auf ihrer Couch im endlich fertig eingerichteten Wohnzimmer (alles, was sie nicht direkt am ersten Tag eingeräumt hatten, war die folgenden Wochen liegen geblieben). Neben ihm hatte es sich Vicky gemütlich gemacht, die natürlich dabei sein wollte. 

Teddy platzierte den Laptop auf dem Wohnzimmertisch und klappte ihn auf. So richtig war er mit der Technik noch nicht warm geworden. Sie benutzten sie zwar bei Shadow, aber das betraf hauptsächlich E-Mails und einen elektronischen Kalender sowie das Word-Programm als Alternative zur ewigen Schreibmaschine. 

Teddy würde sich also keineswegs als technisch begabt bezeichnen - das wollte er aber so gut es ging vor Vicky geheimhalten. Die hatte absolut keinen Zugang dazu gefunden. In Gringotts ging es noch konservativer zu, als im Ministerium, die modernste nichtmagische Gerätschaft, die es dort gab, war ein Wachssiegel. Und im privaten Bereich brachte es ihr auch nichts, sie und Sophia schickten ihre Mode-Zeichnungen noch immer per Eule hin und her. 

In Vickys Augen war Teddydementsprechend ein Genie dafür, dass er den Laptop einschalten, eine Email schicken und etwas googlen konnte. Diese Annahme schmeichelte Teddy und er wollte sie ungern widerlegen. Als Rain in ihrer letzten E-Mail also vorgeschlagen hatte, zu skypen und Vicky ihn gefragt hatte, ob er das konnte, hatte er natürlich ja gesagt. Und dann hatte er am nächsten Tag mehrere Stunden Zeit investiert, zu recherchieren, was das war, wozu es gut war und wie man es machte. 

Konzentriert öffnete er jetzt also das Skype-Programm, was auf seinem Laptop (dankenswerterweise) vorinstalliert gewesen war, loggte sich ein (das hatte er geübt) und hoffte dann darauf, dass Rain ihn anrufen würde - denn andersherum hatte er keine Ahnung und wollte das nur ungern vor Vicky oder Rain zugeben. 

Rain III - SnapshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt