Schwächen

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Richard

Ich nehme den jungen Mann mit in mein Arbeitszimmer und sehe ihn dann auffordernd an. Als er nichts sagt, sondern mich einfach nur ausdruckslos ansieht, frage ich: ,,Weshalb hast du meine Mutter vorhin angelogen?"

,,Anders hätte es zu viele Fragen aufgeworfen und darauf hatte ich schlicht und ergreifend keine Lust", antwortet er.

,,Aha", gebe ich, nicht wirklich schlau, von mir. Oriah grinst daraufhin breit.

,,Weißt du was? Ich denke, deinem Bruder liegt sehr viel an dir. Möglicherweise, bist du sogar sein Schwachpunkt."

,,Ja, sicher. Mein Bruder, mich mögen? Das wäre ein Wunder."

,,Wirklich, sein Ausdruck, als du weggegangen bist oder, als du ihn geschlagen hast, waren ziemlich eindeutig. Ich habe bei sowas noch nie falsch gelegen."

,,Dann entführe mich doch und verlange als Lösegeld ein besseres Verhalten von ihm", schlage ich sarkastisch vor und verschränke meine Arme vor der Brust. Das glaubt er ja wohl selber nicht, dass ich meinem Bruder etwas bedeute.

,,Gute Idee." Er blickt mich beinahe stolz an und lässt sich dann in einen Sessel fallen, welcher vor einem großen Bücherregal steht. ,,Soll es ein gewaltsamer Überfall, mitten in der Nacht sein oder verschwindest du von selbst und wir schreiben einfach nur einen Brief?"

,,Das war eigentlich nicht ernst gemeint. Aber wenn es schon passiert, wie wäre es mit einer gesunden Mischung aus ungefährlich und gewaltsam."

,,Das bekommen wir hin. Wann?"

,,Wann du es für richtig hältst. Kann ich vorher aber noch mal mit meinem Bruder reden? Ob ich ihm wirklich so wichtig bin?"

,,Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist. So könnte er Verdacht schöpfen. Es wäre doch komisch, wenn einen der Bruder fragt, ob man ihm etwas bedeute und einige Stunden später verschwindet dieser und es wird für seine Freilassung etwas verlangt. Meinst du nicht?"

,,Du hast ja recht. Ich kann es nur nicht glauben." Seufzend lehne ich mich mit dem Rücken gegen die Wand. Oriah lächelt mir mitleidig zu und sagt dann optimistisch: ,,Vertrau mir einfach. Morgen Nacht komme ich dich holen. Stell bis dahin nichts Dummes an, in Ordnung?"

,,Ja, versprochen." Um es noch einmal zu verdeutlichen, nicke ich. Der junge Mann erhebt sich von seinem Sessel und kommt mit zügigen Schritten auf mich zu. Ich hatte gehofft, dass er mich küsst, doch er löst einfach nur meine verschränkten Arme auseinander. Also ergreife ich selbst die Initiative, lege meine Hände an seine Oberarme und lege meine Lippen auf die seinen.

Ein Klopfen an der Tür lässt uns voneinander wegspringen, ehe der Kuss richtig begonnen hat. Verflucht sei der oder die Störende.
Die Tür öffnet sich und Dave steckt seinen strohlblonden Kopf hinein.

,,Ihr Bruder wünscht, dass ich Ihren Freund zu seinem Pferd geleite, mein Herr", informiert mich der Stallbursche.

,,Ich werde das selbst erledigen, danke Dave", wimmle ich ihn ab, um die eben begonnene Tätigkeit weiterzuführen. Doch das Schicksal scheint nicht auf meiner Seite zu sein.

,,Richard, ich würde mich nicht noch unnötig reizen. Es gibt gleich Mittagessen und Niemand sollte wirklich gehen", ertönt Logans Stimme hinter dem Holz.

,,Es ist schon in Ordnung", murmelt Oriah mir zu und reicht mir dann förmlich die Hand, um sich zu verabschieden. Dann geht er mit Dave mit und auch mein Bruder scheint verschwunden zu sein.

Genervt schreite ich durch das Zimmer und lasse mich in dem Sessel nieder, der eben noch von Oriahs Hintern gewärmt wurde.

Ich kann die Entführung kaum erwarten.

Robin Hood Jr.Where stories live. Discover now