Verlangen

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Richard

Noch am selben Tag, nach dem Frühstück, nimmt Oriah sich eine Schere und schneidet meine Haare. Und ich muss feststellen, dass ich das früher hätte machen sollen. Es sieht einfach besser aus, als dieser dämliche Zopf und außerdem wirke ich so etwas jünger.

,,Na dann mal los. Die Karotten können geerntet werden", fordert Oriah mich auf. Seufzend fahre ich mir einmal durch die Haare, stehe dann aber auf und folge ihm hinaus auf das Feld.

Mehrere Stunden verbringen wir damit, in der prallen Sonne Karotten aus dem Bode zu ziehen und erst, als mir der Schweiß bächeweise von der Stirn läuft und ich das Gefühl habe, völlig ausgetrocknet zu sein, machen wir eine Pause. Ich hole uns von drinnen zwei Becher mit Wasser und setze mich damit zu ihm auf die Bank.

,,Du siehst kaum mehr aus wie du", stellt Oriah fest und mustert mich.

,,Ist das gut oder schlecht?"

,,Gut. Erstens, würde dich niemand mehr erkennen, wenn er hierher kommt und Zweitens, finde ich, dass du so noch besser aussiehst."

,,Du meinst dreckig und verschwitzt?"

,,Das ist heiß." Er grinst vielsagend.

Mit der Absicht etwas dazu zu sagen  öffne ich den Mund, doch es kommt kein Wort heraus. Verschiedene Gedanken schießen mir durch den Kopf, auch welche, für die ich mich zu tiefst schäme. Während ich sie verdränge, bekomme ich gar nicht richtig mit, dass mein Gegenüber wieder angefangen hat zu reden.

,,Hallo? Hörst du mir überhaupt zu?", fragt er etwas beleidigt.

,,Tut mir leid, was hast du gesagt?"

,,Also nochmal. Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, was wir in den Brief schreiben können?" Mit hochgezogenen Augen zieht er mich auffordernd an.

,,Ich würde unser Verlangen kurz und direkt schildern und einen Weg vorschlagen, wie er uns seine Antwort mitteilen könne. Ganz einfach."

,,Na schön. Drinnen sind Papier, Feder und Tinte. Wir sollte das nicht länger herauszögern." Er erhebt sich von der Bank und zieht mich an meinem Ellenbogen mit hoch.

Zusammen gehen wir in die Hütte und setzen uns an den Tisch, um den Brief zu verfassen.

Ich habe euren Bruder. Wenn Ihr ihn unversehrt zurück haben wollt, müsst Ihr in zwei Tagen, bei Sonnenuntergang, am Rand des Waldes aufkreuzen. Mein Verlangen ist kein Lösegeld, sondern ein Versprechen.
Ihr müsst versprechen, euer Volk besser zu behandeln und ein ehrenwerter Mann zu werden, wie euer Vater es gewesen ist. Werdet Ihr dies nicht tun, werdet Ihr auch euren Bruder nie wieder sehen.
-O

Zufrieden mit unserem Ergebnis, binden wir den Zettel an das Bein einer Taube, welche sich auch gleich auf den Weg macht, die Nachricht zu überbringen.

,,Und was machen wir jetzt?", frage ich und hoffe einfach nur, dass wir mit den Karotten fertig sind.

Oriah steht auf und bringt mich dann auch dazu aufzustehen. Behutsam legt er seine Hände an meine Seite und seine Stirn an die meine.

,,Ich wüsste da etwas", murrt er verführerisch und gibt mir jetzt einen Kuss auf die Wange.

,,Was meinst du?" Ich habe wirklich keine Ahnung, was ihm durch den Kopf geht. Und irgendwie habe ich so ein Gefühl, dass ich es auch gar nicht wissen möchte.

,,Ach, du bist ja so unschuldig." Er grinst und legt dann seine Lippen auf meine. Fast instinktiv erwidere ich den Kuss und lege meine Arme um seinen Nacken. Ich mag es wirklich sehr, ihn zu küssen.

Robin Hood Jr.Where stories live. Discover now