Die Geschichte der Hexe

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Belle

"Ich kann ohne Zauberstab zaubern" Das Murmeln verlässt meine Lippen, ehe ich es aufhalten kann. Es ist schrecklich einfach nur dazusitzen - alle Augen auf mich gerichtet - und an meine grässliche Existenz zu denken. Ich bin ein verdammtes Experiment! Dieser Gedanke lässt mich nicht los. Ich schließe einen Moment die Augen, ehe die Tränen über mein Gesicht rinnen können. Es dauert einen kurzen Moment, aber ich schaffe es, meine Lider zu öffnen, ohne die salzigen Tropfen auf den Wangen zu spüren. Gut.
Ich blicke auf. Mir gegenüber sitzt Lovegood. Er ist der einzige Tribut, der meinen Blick nicht mit Abscheu, Misstrauen oder Ärger erwidert. In seinem Blick erkenne ich ein anderes Gefühl: Mitleid. Wieso sollte Lovegood Mitleid mit mir haben?
Zu meinem Bedauern kann ich nicht länger darüber nachdenken, als hinter ihm eine Kreatur erscheint. Meine Augen weiten sich vor Schreck und mein ganzer Körper verspannt sich. Ich habe Geschichten über diese Wesen gehört und ehrlich gesagt hatte ich nicht vor gehabt, jemals einer von ihnen zu begegnen. Ich stoße ein Keuchen aus und sehe, wie auch Lovegood erschaudert, ehe er sich im flackernden Schein des Feuers langsam umdreht.
Sterling muss die Accromantula ebenfalls entdeckt haben, denn ihr leises Flüstern rettet ein Leben. "Nicht bewegen"
Alle Augen richten sich gebannt auf die Monströse Gestalt, die aus den Schatten gekrochen ist. Acht haarige Beine umgeben den Rumpf, während die zwei Kiefermuskeln mühelos seinen Kopf abreißen könnten. Die acht großen Glubschaugen Mustern ihn. Die Riesenspinne hat Hunger.
Und das größte Problem? Wir mussten unseren Zauberstab abgeben, damit wir uns nicht gegenseitig umbringen können. Bitte! Wer außer Madeline würde das schön durchziehen?
Die Accromantula legt ihren Kopf schief, als würde sie etwas nicht ganz verstehen, ehe sie einen markerschütternden Schrei ausstößt...
...und vorwärts stürmt!
In diesem Moment ist mir alles egal. Mir ist egal, ob die anderen über meine Gabe - meinen Fluch - Bescheid wissen, mir ist egal, ob sie mich anstarren würden, mich auslachen, mich bewundern. Es interessiert mich nicht, dass ich geschworen habe, meine Gabe nie mehr zu benutzen. Es hat absolut nichts auf dieser Welt Einfluss auf mich, außer das Leben dieses unschuldigen Jungen zu retten. Vielleicht lag es an dem Mitleid, das in seinem Blick gelegen hat, vielleicht daran, dass er vorhin Lestrange gerettet hat, ohne mit der Wimper zu zucken. Vielleicht hat es einen anderen Grund.
Ich reiße meine Hände zurück, fokussiere meine Gedanken einzig auf die Spinne, lasse alle Kälte, die sich in meinem Körper befindet in meine Handflächen fließen, bereit, das alles entscheidende Wort zu rufen. "Lovegood, ducken!" Zum Glück vertraut er mir und macht sich klein. Freie Bahn für mich!
Mit einer schnellen Bewegung Strecke ich meine Hände aus, lasse all das Eis, das sich um meine Finger gesammelt hat los und rufe: "Imobilus!
Der blaue Strahl scheint in Zeitlupe auf Lovegood zuzukriechen, obwohl es nicht länger als eine Sekunde dauert. Ich erkenne jede einzelne Faser, aus denen der Zauber zu bestehen scheint. Es ist die reine Folter, nicht zu wissen, ob es funktionieren würde. Doch das tat es! Der Fluch trifft die Bestie in der Mitte der Brust. Sofort erstarrt Sie zu Eis.
Doch ich war noch nicht fertig. Ein zweites Mal sammle ich all meine Kraft in dem Fingerspitzen. "Reductio!" Auch der Zersetzungsfluch scheint wie in Zeitlupe. Das graue Licht hüllt das Feuer in Dunkelheit, während es auf die eingefrorene Spinne zusaust. Hmmmm...lecker! Tiefkühlspinne! Ich gebe mir innerlich eine Ohrfeige. Das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für dumme Gedanken!
Der Zauber trifft und der Staub rieselt zu Boden. Bingo!
Alle starren gebannt auf die Überreste...
... dann richten sich die Blicke auf mich. Der erste, der das Wort ergreift ist Lestrange. "Nun...immerhin glauben wir dir jetzt...", meint er nervös.
"Nun, immerhin glaubt ihr mir jetzt", meine Stimme klingt selbstbewusster, als ich mich tatsächlich fühle.
Lovegood sieht mich an. Er öffnet den Mund und spricht die Worte, die ich so sehr fürchte: "Ein Hoch auf Belle Diggory, die Retterin meines Lebens"

Das Training am nächsten Tag sollte sich als Partneraufgabe herausstellen. Und - wer hätte es gedacht - ich muss mit Lovegood in ein Team! Er und ich betreten den Raum der Wünsche gemeinsam, schweigen jedoch die ganze Zeit. Keiner von uns weiß, wo er anfangen soll. Verständlich.
Der Raum der Wünsche hat sich komplett verändert: Statt einem leeren Raum finden wir einen schmalen Gang vor, von dem auf jeder Seite jeweils sechs Gläserne Kabinen ausgehen. Die Simulatoren. Der Zentaur hatte uns gestern bereits erklärt, dass wir heute mit ihnen üben würden. Simulatoren sind große, gläserne Kabinen, in die die Teams eingeschlossen werden. Alles darin ist eine Simulation: Die Landschaft, die Gegner, der Schmerz. Wir würden als Teams gegeneinander antreten. Wer länger überlebt, würde gewinnen!
Lovegood und ich betreten die Kabine ganz hinten links. Uns gegenüber Madeline mit Sterling. Die Arme! Ich will nicht mit ihr tauschen!
Ich nehme den Riegel in die Hand und verschließe die Tür, als der Zentaur den Raum betritt. "Also dann, Tribute, lasset die Simulation beginnen!", seine Stimme hallt durch den Raum. "Level Eins! Wald - Normaltemperatur - Zwei Gegner!"
Auf doppeltes Klatschen des Zentaurs verändert sich unsere Landschaft schlagartig. Plötzlich stehen wir in einem Wald. Grüne Bäume über unseren Köpfen, Moos zu unseren Füßen. Sogar die Luft wirkt irgendwie frisch, als wären wir tatsächlich in jenem Wald, in dem wir zu sein scheinen.
"Belle?"
Es war Lovegood. "Tut mir Leid... was hast du gesagt?", frage ich.
"Ich habe dich gefragt, ob du während dem Kämpfen ein bisschen reden willst. Über alles."
Ich nicke nur. "Da! Ein Bogen!", rufe ich, "Kannst du damit umgehen?"
"Schätze schon"
"Hol ihn! Ich gebe dir Deckung!"
Er rennt auf den Bogen zu, während ich meine Hände zu einem Petrificus totalus anhebe. Lange muss ich nicht warten, ehe sich ein Mann blicken lässt, der mit erhobenem Schwert auf mich zuläuft. Ich schalte ihn blitzschnell aus. Lovegood schnappt sich den Bogen von dem Baum, auf dem er gelegen hat und landet elegant neben mir. "Also", fragt er, "wie kommt es, dass du ohne Zauberstab zaubern kannst?"
Während wir uns Rücken an Rücken  durch den Wald bewegen, beginne ich, zu erzählen: "Ich habe keine Eltern. Hatte ich nie. Ich kenne das Gefühl nicht, eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen zu bekommen. Kenne das Gefühl nicht, geliebt zu werden"
"Da! Ein Köcher mit Pfeilen!" Lovegood hebt den Köcher aus der Grube und hängt ihn sich über die Schulter. Er bemerkt die Frau nicht, die sich hinter ihn geschlichen hat.
"Vorsicht!"
Er wirbelt herum, packt die Frau am Hals und wirft sie mit voller Wucht gegen einen Baum. Sie sackt in sich zusammen, ehe Lovegood zu ihr spaziert und einen Pfeil benutzt, um ihr die Kehle durchzuschneiden. Sie löst sich sofort auf.
"Wer hat dich großgezogen?"
"Ich wuchs in einem Heim auf", fahre ich mit meinen Erzählungen fort, "Die Leiterin mochte mich nie. Es gab jeden Abend Brei zu essen und Wasser zu trinken. Nicht mehr und nicht weniger. Nichts desto weniger hoffte ich, dass sich das eines Tages ändern würde. Vergeblich.
Sie begann, uns zu misshandeln, uns zu schlagen, zu kratzen, mit Buttermessern zu schneiden. Es gab nicht mehr viel, wofür es sich zu leben lohnte. Einzig der Gedanke daran, meine kleine Schwester zu erlösen hielt mich am Leben. Irgendwann begann ich, mich zu widersetzen. Ich schlug zurück, klaute Geld und schmuggelte die anderen Kinder in Familien.
Ich musste den Preis dafür bezahlen.
Eines Tages wachte ich an einen Stuhl gefesselt auf, die Heimleiterin vor mir, eine Spritze in der Hand. Sie lächelte mich ein letztes Mal an, bevor sie die Spritze in meinem Hals vergrub. Ich erinnere mich nur zu gut an das Gefühl des fremden Blutes, das sie mir injizierte. Es war grauenhaft. Ich schrie die ganze Zeit. Es war Einhornblut, Alec. Sie hat mir Einhornblut gespritzt!
Ich benutze meine Gabe normalerweise nicht. Aber in den Spielen.... Ich werde sie in den Spielen einsetzen."
Lovegood starrt mich an. Mitleid verzieht seine bernsteinfarbenen Augen und seine Schwarzen Haare scheinen noch dunkler als das Moor, in dem Level Fünf stattfindet. "Belle! Runter!" Ich werfe mich in den Schlamm und Alec erschießt die letzte Gegnerin. Gut.
"Level Sechs! Wüste - Heiß - Zwölf Gegner!"
Nur noch Vier Teams übrig! Alec und ich könnten gewinnen!
"Belle", flüstert er und berührt meine Schulter. Er sieht mir in die Augen, "Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid"
Ich nicke nur, zu schwach, um etwas zu erwidern.
Dann grinst er mich an.
"Was?", frage ich.
"Lass uns das Ding gewinnen."
Jetzt bin ich es, die grinst.
"Was?"
"Ich wollte gerade dasselbe sagen", antworte ich, "Lass uns gewinnen!"
Wir grinsen uns noch einen Moment gegenseitig an, ehe wir uns Seite an Seite wieder dem Kampf stellen.

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Na? Was sagt ihr?
Wir halten es für das beste Kapitel bisher. Man lernt Belle endlich etwas näher kennen😍
Naja, sorry nochmal - drei Tage zu spät, aber jetzt ist es ja fertig!
Jetzt könnt ihr mal ein bisschen spekulieren, was wohl im nächsten Kapitel geschieht. Es ist aus Julys Sicht. Schreibt es uns in die Kommentare! Vielleicht übernehmen wir sogar die ein oder andere Idee😉

~Jules und Z3no
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